Zucker ist wichtig, aber nur in der richtigen Menge

Alles über Zucker – Ernährung für Radfahrer

Der Zuckerkick

Alles über Zucker – Ernährung für Radfahrer

Wenn es bei der Tour nur schleppend voran geht, ist nicht immer zu wenig Training Schuld. Fehlen dem Körper Kohlenhydrate, liefert er keine Energie. Doch nicht jeder weiß, wann ein Vollkornbrot mehr Sinn macht als ein Sportriegel.
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Oft ist er klebrig, meist schmeckt er süß und wenn man ihn braucht, ist er schnell aus der Tasche gezogen: ein Sportriegel. Praktisch verpackt und schnell verzehrt bringt er einen Energieschub. Der Grund dafür sind Kohlenhydrate, im Volksmund „Zucker“. Doch was macht der Körper eigentlich damit?

Nicht jeder Zucker schmeckt süß

Kohlenhydrate sind das Benzin, das in den Motoren der Muskeln „verbrannt“ wird. Diese Energie wird den Muskeln in Form von Stärke und Zucker zugeführt. Doch nicht alle Verbindungen schmecken auch süß. Denn Zucker ist nicht gleich Zucker. „Viele Sportler kennen den Unterschied zwischen einfachen und komplexen Zuckern nicht“, sagt Dr. Jürgen Steinacker, Spezialist für Sportmedizin an der Uniklinik Ulm. Dieses Wissen ist aber wichtig, um zu verstehen, wann der Körper welche Bedürfnisse hat und wieso er auf diese oder jene Art auf Nahrung reagiert. Auch Hobbysportler sollten wissen, welches Essen auf eine Tagestour mit mehreren tausend Höhen- und Tiefenmetern vorbereitet, welcher Proviant dabei hilft unterwegs eine Unterzuckerung zu verhindern und wie man vermeidet, dass nach dem Verzehr eines Gels Bauchschmerzen auftreten.

Wie ernähre ich mich bei einer Radtour richtig?

Um sich richtig zu ernähren, sollte man also die unterschiedlichen Zuckergruppen kennen und wissen, wie der Körper auf sie reagiert. Bei Einfach- und Zweifachzuckern handelt es sich um kurzkettige Kohlenhydrate. Beide gelangen direkt als Energiequelle ins Blut. Zweifachzucker werden dafür im Darm schnell wieder in Einfachzucker aufgespaltet. Vielfachzucker hingegen sind langkettige Kohlenhydrate, die beispielsweise in Vollkornprodukten, Hülsenfrüchten, Haferflocken und Kartoffeln enthalten sind. Der wichtigste ist pflanzliche Stärke. Mehrfachzucker sind in Kohlenhydratkonzentraten wie Müsliriegeln oder Nahrungsergänzungsmitteln enthalten. Auch das Kohlenhydratgemisch Maltodextrin, das besonders bei Ausdauersportlern sehr beliebt ist, zählt dazu. Es besteht aus Einfach-, Zweifach- und Vielfachzuckern. „Maltodextrin wird nicht so schnell vom Körper resorbiert. Es muss verstoffwechselt werden. Was vorteilhaft ist, da man so länger Energie daraus schöpfen kann“, erklärt Dr. Steinacker.

Isomaltulose versus Saccharose

Vermehrt stößt man beim Studieren der Zutatenlisten mancher Nahrungsergänzungen inzwischen auf den natürlichen Zweifachzucker Isomaltulose anstelle von Saccharose. Was steckt dahinter? Isomaltulose wird wie Saccharose aus Rübenzucker gewonnen und besteht aus den gleichen Einfachzuckern Trauben- und Fruchtzucker. In geringen Mengen ist Isomaltulose auch in Honig enthalten. Nach dem Essen steigt der Blutzuckerspiegel jedoch weniger stark an als nach dem Verzehr von Saccharose.

Ein Team rund um den Endokrinologen Dr. Andreas F. H. Pfeiffer vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung hat jetzt den Grund dafür gefunden. Er liegt in der unterschiedlichen chemischen Bindung zwischen den beiden Einfachzuckern. Saccharose wird von den Verdauungsenzymen sehr schnell in Trauben- und Fruchtzucker aufgespalten, bei Isomaltulose findet dieser Vorgang hingegen viel langsamer statt. Starke Blutzuckerschwankungen bleiben somit aus. Dem Körper steht die Energie länger zur Verfügung.

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Kohlenhydrate, Fette und Proteine

Der Körper bezieht Energie jedoch nicht nur aus Kohlenhydraten, sondern auch aus Fetten und Proteinen. „Das ideale prozentuale Verhältnis von Kohlenhydraten, Proteinen und Fetten bei einem normal trainierten Sportler sollte etwa 45-20-35 betragen“, rät Dr. Steinacker. Je nach Belastung halten die Zuckervorräte in den Muskeln 40 Minuten bis zu einer Stunde. In dieser Zeit muss man sich nichts zuführen. Wenn man es doch tut, muss es nicht gleich ein Energieriegel oder -gel sein. „Riegel und Gels haben den großen Nachteil, dass sie meist wasserfrei sind. Man muss viel dazu trinken, aber das wird häufig vergessen. Eine zu geringe Flüssigkeitszufuhr verursacht Durchfall, Übelkeit und Bauchschmerzen.“ Zu einem Gel mit 40 Gramm Inhalt sollte mindestens ein dreiviertel Liter Wasser getrunken werden. Wer eine Zuckerlösung ins Wasser gibt, sollte die Trinkflasche anschließend sorgfältig reinigen und desinfizieren, dafür reicht Spülmittel. Denn Zucker kann sonst Nährboden für Bakterien sein. Zusätzlich zum Pulver empfiehlt Dr. Steinacker Salz ins Wasser zu geben. „Davon wird generell zu wenig zugeführt. Ich empfehle 200 bis 300 Milligramm Kochsalz pro Liter Trinkflüssigkeit.“ Insbesondere bei hohen Temperaturen droht ansonsten ein Mineralienverlust durch Schwitzen.

Während eines Wettkampfs sollten nach Steinackers Meinung immer wieder leicht verdauliche Zucker gegessen werden. „Früher haben Ausdauersportler Carboloading betrieben, also vor dem Wettkampf große Mengen gegessen. Das macht aber schwer, weil Zucker Wasser bindet.“ Inzwischen werde empfohlen, während des Wettkampfs die Zuckervorräte kontinuierlich aufzufüllen. „Fünf bis sechs Prozent Zucker sollten immer im Körper sein.“ Man kann sich vor dem Wettkampf einfach die genaue Menge Zucker ausrechnen, die man sich zuführen muss.

Gefahr: Unterzucker

Packt man Lebensmittel für unterwegs, sind selbstgemachtes Müsli, Granola und Nüsse gute Energiequellen. Auf einer längeren Tour liefern auch Quark oder ein Vollkornbrot mit Käse Energie und Eiweiß. Sind die Glykogen-Depots unterwegs doch einmal leer, holen sich die Muskeln den Zucker direkt aus dem Blut. Bei einer drohenden Unterzuckerung, einem Hungerast, Müdigkeit oder Erschöpfung hilft es daher, eine Notration Traubenzucker dabeizuhaben. Oder Obst, denn auch Fructose wird sehr schnell vom Körper verstoffwechselt. „Obstschnitzen sind immer gut, Äpfel verträgt aber nicht jeder, Bananen hingegen meistens schon. Lediglich ihre Energiedichte wird überschätzt, sie ist eher gering“, sagt Dr. Steinacker. Wer jedoch stark fructosehaltige Lebensmittel wie getrocknete Früchte zu sich nimmt, sollte dazu besonders viel trinken. Sonst droht der Sportler zu dehydrieren.

Um eine Unterzuckerung von vornherein auszuschließen, ist es wichtig sich vor dem Training richtig zu ernähren. Nüchtern trainieren sollte man nicht. Dr. Steinacker empfiehlt dafür eine leichte Mahlzeit. Diese kann aus Müsli, Joghurt oder Quark und einem Getränk bestehen, je nachdem was jeder individuell gut verträgt. Etwa zehn Minuten nach dem Essen kann man dann mit dem Sport starten. Nach einer größeren Mahlzeit sollte man mindestens eine Stunde warten, bis das Essen verdaut ist. Wichtig ist es, über den Tag verteilt ausreichend zu trinken. „Nach dem Sport sollte man sich sofort Kohlenhydrate kombiniert mit etwas proteinreichem zuführen, damit die Reparaturvorgänge unterstützt werden.“ So füllt man die leeren Glykogenspeicher von Muskulatur und Leber wieder auf. Sind die Speicher vollständig geleert, benötigt der Körper dafür mindestens bis zu 24 Stunden.

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Zuckerarm trainieren, geht das?

Es klingt unlogisch, als Sportler mit leeren Kohlenhydratspeichern zu trainieren. Doch die Low-Carb-Ernährung während des Trainings stößt bei Wettkampfsportlern nach wie vor auf Anklang. „Train low“ bedeutet, die Kohlenhydratspeicher aufzufüllen und dann mit einer ersten Trainingseinheit die Glykogenspeicher völlig zu leeren. Danach folgt eine zweite Trainingseinheit, vor der die Speicher nicht wieder aufgefüllt werden. So stehen der Muskulatur keine Kohlenhydrate mehr zur Verfügung, was die Fettverbrennung ankurbelt. Laut seiner Verfechter soll diese Art des Trainings langfristig zu einem dauerhaft veränderten Fettstoffwechsel führen, der die Leistungsfähigkeit, vor allem bei langen Wettkämpfen, verbessern soll. Der Wettkampf wird dann mit vollen Speichern angetreten: „Compete High“.

Was passiert aber, wenn ein Radsportler sich so ernährt? Laut Dr. Steinacker schadet Low Carb dem Sportlerkörper: „Man büßt je nach Trainingszustand bis zu 20 Prozent Leistung und somit Energie ein. Im Ausdauerbereich ist das sehr viel.“ Ohne Zuckerzufuhr kann der Körper keine schnelle Leistung mehr bringen. Die Leber muss Zucker über die Fettverbrennung, die sogenannte Gluconeogenese selber aus Eiweiß bilden. „Damit verliert der Sportler auf die Dauer tendenziell mehr Fett, was beim Abnehmen wünschenswert ist, aber man verliert auf diese Weise auch Muskelmasse.“ Zudem drohen gesundheitliche Risiken wie erhöhte Infekt- und Verletzungsanfälligkeit, Stress und Übertraining, wie aus einem Artikel zu „‚Low Carb‘-Ernährung im Sport“ von Dr. Stephanie Mosler, von der Uniklinik Ulm hervorgeht. Nach diesem gibt es aktuell auch keine Studien, die eine Leistungsverbesserung belegen können.

Ohne Zucker geht es nicht

Für eine gesunde Sportlerernährung sind langkettige Kohlenhydrate unverzichtbar. Für die meisten Hobbysportler gilt sicher: Wer auf eine ausgewogene Ernährung und eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr achtet, kann sich so eine gute Nährstoffgrundlage schaffen. Und wer sich unterwegs nicht von industriell gefertigten Riegeln-, Pulver- und Gels pushen lassen möchte, kann frischen Proviant in Aufbewahrungsboxen in den Rucksack packen. Das schont nicht nur die Umwelt, sondern auch den Geldbeutel.

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