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Radfahren entschleunigt: Ex-RTL-Moderatorin Janine Steeger im Interview

Fahrrad und Nachhaltigkeit: Interview mit Ex-RTL-Moderatorin Janine Steeger

Radfahren entschleunigt: Ex-RTL-Moderatorin Janine Steeger im Interview

Janine Steeger moderierte jahrelang die RTL-Sendung Explosiv. Heute lebt sie entschleunigter und hat den Umstieg vom Auto aufs Fahrrad geschafft.
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Als Moderatorin der RTL Sendung „Explosiv“ war Janine Steeger mehrere Jahre prominentes Gesicht des TV-Boulevardformats, führte ein schnelles, von stetem Termindruck geprägtes Leben. Im Interview erklärt sie, warum Entschleunigung Not tut und wie sie es aus dem Auto rauf aufs Rad geschafft hat.

RTL Explosiv Moderatorin

Das Leben von Janine Steeger lässt sich gewissermaßen in zwei Teile unterscheiden. Im ersten arbeitete die 43-Jährige zuletzt als erfolgreiche TV-Moderatorin des bekannten RTL-Boulevardmagazins „Explosiv  – das
Magazin“ – ihr ersehnter, damaliger Karrierehöhepunkt.

Ein überaus arbeitsreicher, mitunter stressiger Lebensabschnitt, stark geprägt von der Suche nach der besten Story. Das zweite Leben der Kölnerin nimmt mit einer Sinnkrise und der damit verwobenen Suche nach einem neuen Lebenssinn vor sechs Jahren tüchtig Fahrt auf.

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In der Folge gibt Steeger 2015 ihre angesehene Festanstellung als Moderatorin bei RTL auf, schafft ihr Alter Ego „Green Janine“ und beginnt, auch ihren beruflichen Fokus als freie Journalistin, Medientrainerin und Speakerin zu den Themen Umweltschutz und Nachhaltigkeit ganz neu zu gestalten.

Themen, in die sie sich auch über ihr paralleles Studium des betrieblichen Umweltmanagements und der Umweltökonomie vertieft hat. Privat fährt Steeger konsequent eine grüne Linie, hat dazu schon vor einiger Zeit den Luxus eines eigenen Autos gegen das E-Lastenrad eingetauscht, das für die Kölnerin längst elementares Fortbewegungsmittel geworden ist.

Für weitere Familienausflüge, etwa zu ihren Eltern im Bergischen Land, nutzt die begeisterte Radfahrerin Regionalbahn oder Carsharing.

Green Janine auf YouTube

Auf dem eigenen YouTube-Kanal informiert die ehemalige RT-Moderatorin als Green Janine zu Fragen und Tipps eines gesunden sowie umweltfreundlichen Lebens: Gewohnt professionell moderiert, will Steeger zu einem nachhaltigen Leben und Wirtschaften motivieren.

Erfrischend locker sieht das bei Medienprofi Steeger aus, sicherlich auch deshalb, weil sie bewusst auf den mahnenden, moralischen Zeigefinger zu verzichten weiß, dem sie eine eher abschreckende Wirkung zuschreibt. Für die Wichtigkeit und Tragweite eines längst erforderlichen, die Umwelt, Ressourcen und Menschen schonenden Lebensstils sensibilisiert Steeger zudem in ihrem Anfang 2020 erschienenen Buch „Going Green“.

In dem zeichnet die Ex-RTL-Moderatorin die eigene, durchaus von Herausforderungen begleitete Entwicklung zu einem umwelt- und klimaschonenden Lebensstil nach und illustriert, wie dieser jedem auch ohne Perfektionsanspruch möglich ist.

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Janine Steeger: Früher das Gesicht der RTL-Sendung Explosiv – heute eine Expertin für Nachhaltigkeit.

Frau Steeger, Sie haben sich vor einigen Jahren entschieden, bewusster und umweltfreundlicher zu leben. Woher die Inspiration?
Mein persönlicher Auslöser war die Fukushima-Nuklearkatastrophe im März 2011, die ich schwanger vom Sofa aus beobachtet habe. Die Kombination aus dem ungeborenen Leben in meinem Bauch und diesen schrecklichen Bildern haben mich zum ersten Mal die Frage stellen lassen: Was tun wir unserem Planeten eigentlich an?

Daraus entstand nach erster Schockstarre die Frage: Was kann ich tun, um das Leben auf der Erde für die nächsten Generationen lebenswert zu erhalten? Der folgende Weg war mitnichten immer einfach: Vor jeder neuen Veränderung galt es, Gewohnheiten zu verändern. Im Nachhinein hat sich mein Leben so sehr zum Besseren gewendet, dass ich es heute viel mehr genieße.

Fahrrad nicht in Sichtweite

Ein persönlicher Lebenswandel birgt das Potential, das eigene Umfeld zu irritieren. War er für andere nachvollziehbar?
Einige, insbesondere meine Eltern, hatten schwere Bedenken. Ich bin auf dem Land aufgewachsen. Auto fahren und ein Auto besitzen war für mich Freiheit. Mit Radfahren hatte ich, bis auf dass ich es konnte, nahezu keine Erfahrung. Deshalb kam es einer Revolution gleich, als ich mit meinem Mann darüber nachdachte, aufs Auto zu verzichten.

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Alle Bedenken haben sich in Luft aufgelöst, weil wir nach dem Verkauf des Autos ein Lastenrad gekauft haben. Ich war zwar Initiatorin der Idee „Auto abschaffen“, hatte dann aber selbst Bedenken – die sich zerstreuten. Für mich war psychologisch wichtig, dass das Auto wirklich weg ist. Zunächst stand es noch als Notreserve in der Garage.

Das hat für mich überhaupt nicht funktioniert: Bei der kleinsten Hürde – Regen, Unlust – habe ich das Auto gewählt.

Im Zuge Ihrer Entwicklung zu Green Janine haben Sie sich vor einigen Jahren von Wohlstandsgütern getrennt. Kann Verzicht auch Gewinn bedeuten?
Wir leben in einer Burnout-Gesellschaft. Es ging in den vergangenen Jahrzehnten überall um höher, schneller, weiter. Jetzt, wo immer mehr Menschen krank werden, merken wir, dass das nicht gut sein kann. Interessanterweise bringt uns die Corona-Krise die dringend notwendige Entschleunigung; neben den Problemen, die sie mit sich bringt.

Und Entschleunigung brauchen wir insgesamt. Schon seit den 1970ern predigen uns Experten, dass die Grenzen des Wachstums erreicht sind. Mit unserer Art zu leben verbrauchen wir in Deutschland aktuell fast drei Erden; wir haben aber nur eine. Das Glück besteht also darin, den Zugewinn von Lebensqualität mittels „Verzicht“ wahrzunehmen.

Ein nachhaltiges Leben ist Gewinn, nicht Verzicht.

Janine Steeger über Nachhaltigkeit

Warum bleiben essentielle Themen wie Nachhaltigkeit für viele Menschen bloß abstrakte Begriffe?
Die berühmte Mind-Behaviour-Gap steht uns im Weg: die Lücke zwischen Wissen und Handeln. Ich denke, die meisten wissen ganz genau, was sie tun müssten, um ihren Beitrag zu leisten. Aber dann scheinen Gewohnheiten so bequem.

Und überhaupt: Was soll es bringen, bei mir anzufangen, wenn andere Länder sich nicht darum scheren? Soziologen sind der Meinung, dass wir deshalb mehr Möglichkeiten zum Ausprobieren von Nachhaltigkeit schaffen müssen. Davon bin ich überzeugt, wobei es mir zu einfach ist, mich darauf auszuruhen, dass die Angebote wenig toll sind.

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Denn wer nachhaltigeres Verhalten ausprobiert, merkt, wo es hakt und für welche Verbesserungen man sich einsetzen muss.

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Nach der Zeit bei RTL widmete sich Janine Steeger Themen rund um ein nachhaltiges Leben.

Was ist die Faustformel für ein gesundes, nachhaltiges Leben?
Es gibt keine Anleitung. Weil es sehr individuell ist, auf welche Veränderungen man sich einlassen will. Ich bin aber von zwei Dingen überzeugt: Wir brauchen alle mehr Weniger. Und zweitens ist ein nachhaltigeres Leben für uns alle gesünder. Das beginnt damit, dass wir uns mehr bewegen.

Natürlich bin ich deutlich fitter, seit ich Rad fahre anstatt Auto. Jeder sollte sich für den Anfang eine Sache in seinem Leben aussuchen, wo ein Wandel zu mehr Nachhaltigkeit ohne viel Aufwand umsetzbar ist.

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Wir dürfen nur nicht anfangen, gleich mit zu hehren Zielen und deutschem Perfektionismus an die Sache ranzugehen. Dann hat man schnell keine Lust mehr und nichts ist gewonnen.

Finnland als Beispiel

Welche Rolle spielt dabei das Rad für Sie?
Unsere tägliche Mobilität spielt eine enorme Rolle für ein gesundes Leben. Wir alle wissen, dass es nicht gut ist, per Auto zur Arbeit zu fahren, um dann stundenlang zu sitzen. Wir sollten uns ein Beispiel an den Finnen nehmen.

Deren Art zu leben ist sehr bewegungslastig – bei jedem Wind und Wetter. Das macht sie resistenter gegen Krankheiten. Sie sind viel mehr eins mit der Natur, was wiederum eine Wertschätzung für sie hervorbringt, die wichtig ist für ein nachhaltiges Leben. Und vergleichen wir mal folgende Bilder:

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Eine Person sitzt seit Stunden gestresst im Stop-and-go-Stadtverkehr in ihrer Blechkiste. Fenster aufmachen ist doof, wegen der Abgase. Am Stau vorbei fährt ein Radfahrer: Er genießt die Sonne auf der Haut und von den Abgasen der Straße ist er weit entfernt. Wer das gesündere Leben führt, scheint da eindeutig.

Missverstehen wir persönlichen Verzicht als Freiheitsverlust?
Dieses Gerede über die persönliche Freiheit, die den Menschen angeblich durch Klimaschutzmaßnahmen genommen wird, lässt mich manchmal verzweifeln. Eine falsche Deutung des Begriffs! Die Grenzen persönlicher Freiheit sind ja immer da erreicht, wo die anderer anfängt.

Wenn wir uns nicht um den Klimaschutz kümmern, schränken wir so die Freiheit vieler massiv ein. Wir verpesten die Luft und fördern damit Erkrankungen. Was ist da mit persönlicher Freiheit? Es gibt kein Recht auf Rasen, Billigflüge und Billigfleisch. Was es gibt, ist das Recht auf körperliche Unversehrtheit, Artikel 2 Grund gesetz. Das scheinen einige in der Diskussion zu vergessen.

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Die ehemalige RTL-Moderatorin hat ein Buch über den Klimaschutz geschrieben.

Radinfrastruktur ein Flickenteppich

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Sie erledigen viele Dinge in Köln via Lastenrad. Klappt das gut mit der Kölner Radinfrastruktur?
In Köln kann man aktuell das Gefühl bekommen: Es tut sich was in Sachen Radverkehr. Es gibt für Autos gesperrte Teststraßen, Fahrradstreifen sowie eine große Radszene, die seit Jahren für eine bessere Infrastruktur kämpft.

Ich freue mich über all das, bin aber enttäuscht, dass kein großes Gesamtkonzept dahinter existiert. Wir blicken auf einen Flickenteppich, der zeigen soll: Hey, wir machen doch was! Die Fahrradspuren sind nur aufgemalt, baulich begrenzt wären sie sehr viel sicherer. Neue und alte Wege laufen plötzlich ins Nichts: nicht nur ärgerlich, sondern auch saugefährlich.

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Sie radeln auch im Urlaub. Bis auf Weiteres ist freies Reisen ja nicht möglich. Wie schaffen Sie es dennoch aufs Rad?
Da ich ja alle Erledigungen per Rad mache, bin ich viel damit unterwegs. Als Familie machen wir auch hin und wieder eine Radtour. Nach Möglichkeit zu Zeiten, wo nicht alles total überfüllt ist. Das klappt gut und die vielen Radfahrer geben dem Stadtbild derzeit einen Tourismus-Touch. Die Corona-Krise könnte vielen die Lust an Radtouren zurückbringen.

So viel sich per Rad bereisen lässt: Für entfernte Regionen bedient man sich doch gern des Flugzeugs. Wie halten Sie es mit derlei Widersprüchen?
Soweit Corona es zulässt, werden wir in diesem Herbst mit dem Zug nach Portugal reisen. Das ist ein Stück weit Abenteuer, was Reisen ja eigentlich auch ist. Ich verbiete aber weder mir noch meiner Familie das Fliegen und glaube nicht, dass es notwendig ist, dass wir alle nie wieder fliegen.

Wir sollten es allerdings reduzieren. Innerhalb von Deutschland und Europa fliege ich schon lange nicht mehr. Mir fehlt absolut gar nichts! Und das trotz aller Bahn-Erfahrungen: Bei aller Aufregung um Verspätungen nutze ich die Zeit im Zug tausendmal besser, reise entspannter als per Flugzeug.

Corona-Krise als Chance

Sehen Sie in der Corona­-Krise das Potential, dass wir lernen, bewusster mit diesem Planeten umzugehen und dass Verzicht persönliches Glück zu mehren vermag?
Ich sehe ein großes Potential und habe zugleich Sorge, dass wir es nicht nutzen. Aber es ist doch interessant zu beobachten, dass wir in der Corona-Krise zahlreiche Einschränkungen der persönlichen Freiheit mehr oder weniger klaglos akzeptieren und sogar danach rufen.

Die Klimakrise wird uns sehr viel härter treffen als Corona jetzt. Wenn wir uns nicht um Artenschutz und gesunde Ökosysteme kümmern, befeuern wir weitere Epidemien mit anderen Viren. Es wäre längst an der Zeit, für den Klimaschutz sehr viel strengere Maßnahmen zu ergreifen.

Bislang hat das nicht geklappt. Ich hoffe sehr, dass wir unsere Erkenntnisse darüber, wie wichtig Gesundheit sowie Zusammenhalt sind und dass wir mit viel weniger glücklich sein können, rüber retten in den Kampf um den Planeten. Was nicht passieren darf: dass wir nach Corona aus einem Nachholbedürfnis heraus weiter machen wie bisher – oder gar heftiger.

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