Sven Hannawald: Darum fährt der Ex-Skispringer und TV-Experte E-Bike
Der Ex-Skispringer fährt jetzt E-Bike: Sven Hannawald im Interview
Sven Hannawald: Darum fährt der Ex-Skispringer und TV-Experte E-Bike
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Mit dem vierten Sieg auch im vierten und letzten Einzelspringen der Vierschanzentournee 2001/02 in Bischofshofen hat Sven Hannawald am 6. Januar 2002 spektakulär Skisprung-Geschichte geschrieben.
Sven Hannawald schreibt Skisprung-Geschichte
Eine unerhörte Begebenheit, schließlich hatte es vor ihm kein Skispringer geschafft, alle vier Einzelwettbewerbe der legendären Vierschanzentournee für sich zu entscheiden.
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Weitere bedeutende Erfolge prägten die Skisprung-Karriere des heute 48-Jährigen damals: Bei den Olympischen Winterspielen 2002 in Salt Lake City (USA) holt er mit dem Team Gold, im Einzelwettbewerb, von der Normalschanze, Silber. Skisprung-Weltmeister mit dem Team wird der für seine perfekte Sprungtechnik gefeierte Hannawald zweimal; bei der Skiflug-WM holt er 2000 und 2002 Gold.
Weil es dem Perfektionisten und Skisprungprofi trotz aller Akribie entgeht, dass sein Körper und Geist aufgrund der enormen Belastung aus überbordendem Trainingseifer, selbst auferlegtem Leistungsdruck und Wettkampfstress zunehmend überfordert werden, kämpft der Skisprungprofi 2004 mit einem Burnout, ist regelmäßig erschöpft.
Nach seiner Genesung beginnt er sein Leben neu zu ordnen – und beendet im Jahr darauf seine Profikarriere aus der Überzeugung heraus, das anspruchsvolle Leben eines Spitzensportlers nicht länger führen zu wollen.
Sven Hannawald: Autobiografie im Jahr 2013
So gänzlich ohne ambitionierten Sport und Tempo konnte einer wie Hannawald in den Jahren nach seinem Rücktritt und der länger währenden Phase seiner Selbstfindung freilich nicht: Er spielt Amateur-Fußball und fährt Autorennen.
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Im ADAC-GT-Masters-Cup stellt der ehemalige Skispringer seine Tempofestigkeit auf der Rennpiste unter Beweis, rast auf Podiumsplätze. Seine Autobiografie präsentiert Sven Hannawald im Jahr 2013 in Buchform.
Gesundheitscoach und TV-Experte
Ein neues berufliches Kapitel schlägt der gebürtige Erlabrunner vor fünf Jahren in Form der – gemeinsam mit einem Geschäftspartner gegründeten – Unternehmensberatung auf. Über diese coacht Hannawald Firmen und Führungskräfte zum Themenkomplex betriebliche Gesundheit, wobei er seine eigenen, auch unangenehmen Erfahrungen mit Leistungs- und Erwartungsdruck sowie fehlender Balance einbringt.
Nicht umsonst finden seine Seminare an Skisprungschanzen statt, sollen seine Teilnehmer im Erwandern einer Skischanze unter anderem lernen, in den eigenen Berufs- und Lebensweg zu vertrauen.
E-Mountainbike-Touren statt aktiver Skispringer
Auch als Speaker auf Gesundheitskongressen arbeitet der einstige Skisprung-Weltcupsieger heute, bei denen er Erwachsene gerne an die Bedeutung körperlicher Ausgeglichenheit für das gesamte Wohlbefinden erinnert.
Hannawald selbst erlebt dieses intensiv auf seinen E-Mountainbike-Touren, etwa im bayerischen Voralpenland. Dem Skispringen bleibt der dreifache Familienvater in einer passiven Rolle innig verbunden: als TV-Skisprung-Experte und -Kommentator in der ARD.
Sven Hannawald im großen Interview
Herr Hannawald, wie intensiv erlebt man eigentlich die heftige Beschleunigung in der schmalen Anlaufspur beim Skispringen/-fliegen?
Die Beschleunigung bekommen wir gar nicht so mit. Der TV-Sender RTL hat damals mit mir mal die Beschleunigung beim Skifliegen nachsimuliert und es war mir davor nicht bewusst, dass das seinerzeit neue Spitzenmodell einer Automarke von 0 auf 100 km/h langsamer beschleunigt als wir beim Skifliegen (lacht).
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Wir merken diese Beschleunigung aber nicht, weil wir durch den Anlauf zum Schanzentisch, der eine gewisse Steilheit nach unten hat, sozusagen ein bisschen nach unten „fallen“ und gleichzeitig beschleunigen. Anders als wenn wir per Gummiband nach vorne geschnalzt werden würden; das merkt jeder.
Wir erleben die Geschwindigkeit aber, wenn wir durch den Radius am Schanzenende zum Tisch fahren. Dann spürt man, wie man zusammengedrückt wird. Beim Skifliegen ist das ganz schön ordentlich. Aber wir lernen das und haben das „im Blut“. Wenn man mit über 100 km/h anfährt, erlebt man die Windgeräusche freilich viel extremer.
Nun ist es ja schon lange her, dass Sie Ihre Profikarriere als Skispringer beendet haben. Ist Ihnen der Hunger nach dem Nervenkitzel des Skispringens geblieben?
Ja, Hunger oder Appetit sind natürlich schon ein bisschen da. Als ich aufgehört hab oder aufhören musste, konnte ich mit Skispringen erst mal nichts anfangen, weil es einfach zu weh tat, es sein lassen zu müssen.
Mittlerweile ist es aber so, dass wieder ein gewisser Appetit da ist – früher war es Hunger, aber mit zunehmendem Alter wird ja jeder etwas ruhiger. Nichtsdestotrotz: Wenn ich eine Möglichkeit habe, wieder mal ein bisschen Adrenalin zu spüren, sag ich auf jeden Fall nicht nein. Und klar, beim Radfahren kann man das auch erleben.
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Die Wege, die ich fahre, sind meist neu; so entsteht ein bisschen Adrenalin bei der Frage, ob man eine bestimmte Passage heil herunter kommt. Anders als beim Skispringen hab ich auf dem Rad die Möglichkeit, mich ans Limit heranzutasten. Deswegen führe ich das Thema Radfahren nicht in der Kategorie Adrenalin.
Als ehemaliger Skispringer müsste Sie ein Sprung oder eine wildere Abfahrt auf dem Rad dennoch gelegentlich reizen, oder?
Ja, sobald ich ein Sicherheitsgefühl habe. Meine Sportart hat immer mit Gefühl zu tun gehabt und im Bewusstsein, über dieses Sicherheitsgefühl hinauszugehen, bitzelt es natürlich. Ich muss aber trotzdem wissen, was ich tue. Das war beim Skispringen so.
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Da wusste ich, wo die Grenzen sind, mit denen man dann spielen musste. Wenn ich jetzt mit dem Rad fahr, gucke ich mir auf einer bekannten Runde schon mal Kicks wie einen kleinen Sprung aus; das erinnert mich ein bisschen an die Skisprung-Vergangenheit. Wenn ich einen Trail das erste Mal fahre, mach ich das aber nicht. Je öfter ich in bestimmtem Gelände fahre, desto sicherer werde ich. Dann suche ich nach anspruchsvolleren Passagen, die ich mitnehme.
Das hat mich früher mit dem Motorsport verbunden. Da war klar: Es kann etwas passieren. Damit hat man ein bisschen Adrenalin in der Blutbahn und tastet sich bis an diesen Punkt heran – und an dem wirst du schnell. In erster Linie aber bedeutet Radfahren für mich, dank Motorunterstützung, mit dem E-MTB Sachen zu erleben, für die auch ich als ehemaliger Leistungssportler auf dem klassischen Bike richtig trainieren müsste.
Was fasziniert Sie so am Radfahren und E-Biken?
Ich verbinde es – und E-Mountainbiken im Speziellen – mit tollen Naturerlebnissen. Ein Erleben, für das man auf dem normalen Bike konditionell fit sein muss, um bestimmte, hoch gelegene Punkte auf einer Tour zu erreichen.
Ich erinnere mich gerne an Trails, wo ich an wunderschönen Wasserfällen vorbeigekommen bin, über Wege, auf denen ich bergauf mit dem normalen Bike hätte schieben müssen, mit dem E-MTB aber locker hochfahren konnte. Das sind Dinge, da bekommst du Gänsehaut, weil das so ein schönes Erleben ist.
Und es bleibt nicht nur denjenigen vorbehalten, die sich viermal die Woche aufs Rad schwingen und dafür trainieren. Jetzt lassen sich solche besonderen Erlebnisse von allen genießen, die sich ein E-MTB kaufen können.
Gibt es eine bevorzugte Mountainbike-Destination, wo Sie sich austoben?
Alles, was Berge angeht, ist das, was ich begeistert aufsauge. Aktuell bin ich mit Familie im Münchner Raum ansässig und da liegt etwa Garmisch vor der Tür. Zurzeit suche ich noch nach einem guten Kfz-Heckträger, weil es natürlich nichts bringt – auch, wenn man in Nähe der Berge wohnt – von zuhause aus per Rad bis dahin zu fahren.
Rund um München ist es natürlich durchaus ebenso schön zu fahren, wobei das pure Mountainbike-Erlebnis in den Bergen sicherlich eher möglich ist als nur hier daheim auf einem Waldweg. Und wir wohnen hier an einem Berg – deswegen bin ich froh um die Unterstützung am E-MTB (lacht).
Es vereinfacht außerdem viele Wege und gibt mir die Option, an einem Vormittag mit einem Freund spontan eine Runde zu drehen. Dann fährt man mit dem Auto schon mal den Bergen entgegen und genießt dort im Sattel Anstiege und Ausblicke.
Leistung war für Sie als Profisportler lange essentielles Thema. Als Unternehmensberater coachen Sie Firmen auch zur betrieblichen Gesundheit. Pausiert unsere leistungsgeile Gesellschaft zu wenig und provoziert damit Burnouts?
Aus heutiger Sicht sage ich schon, dass es sich als Skispringer cool angefühlt hat, sich selbst Druck zu machen und sich in etwas reinzusteigern. Man weiß ja, man schafft etwas. Es gibt Menschen, die anders gestrickt sind.
Deswegen ist es natürlich nicht so, dass das Burnout-Thema jeden betrifft, der ab und an seine Leistungsgrenze erreicht. Und nicht jeder muss, wie ich damals, feststellen, dass er es über Jahre übertrieben hat, um dann eine Rechnung zu bezahlen, die ich so nicht auf der Agenda hatte. Das Wichtigste ist, dass die Leute lernen, sich die Pausen zu nehmen. Und Pause heißt nicht, sich – ausgestattet mit Kaffee und Zigarette – mit Social Media auf dem Mobiltelefon zu beschäftigen.
Das ist nur weiterer Dauerstrom fürs Hirn, das macht kaputt. Ich als Sportler hatte früher zumindest den Vorteil – auch wenn ich mir damals keine Pausen gegönnt hab –, dass ich mich noch menschenwürdig bewegen konnte. Und ich bin noch in einer Zeit ohne Smartphone aufgewachsen, das ging ja auch.
Haben wir ein gesundes Gefühl für Bewegung, Ausgleich und Körper verloren?
Ja. Die Spitze des Eisbergs, bei der ich wirklich den Kopf schüttele, ist, wenn Leute auf meine Frage, wie sie denn geschlafen haben, auf ihre Uhr schauen (Smartwatch, die die Qualität der Schlafphasen anzeigt; Anm.d. Red.), um sich ihre Tiefschlafphasen anzeigen zu lassen.
Ja, ihr werdet doch wissen, ob ihr gut oder schlecht geschlafen habt. Da fragt ihr jetzt eure Armbanduhr? Wir entfernen uns so von unserem inneren Instinkt! Dabei ist der gut für uns und den haben wir eigentlich. Tatsächlich haben wir ihn nur verloren, weil uns heute Apps sagen, was gut für uns ist. Was für ein Schwachsinn.
Um aufs E-Mountainbiken zurückzukommen: Hier können wir Bewegung genießen, ohne uns zu überfordern. Wir können uns in die freie Natur begeben, brauchen keine asphaltierten Straßen und fahren stattdessen vielleicht mal über ein Feld. Da genießen wir, was gut für uns ist.
Zurück zur Natur also und: Mehr dem eigenen Instinkt, als nur dem Kopf folgen?
Ja, es geht darum, Dinge zu machen, die gut für uns sind – und für die wir eigentlich auch gemacht sind. Ich beschreibe das auf unseren Veranstaltungen immer als Hobbys. Für den einen ist das der Sport, für jemand anderen Briefmarken sammeln.
Das kann ebenso ein Ausgleich sein. Um mit dem Bild der Waage zu sprechen: Links sind unsere Abhängigkeiten – berufliche Themen, Familie, Verantwortung tragen – und rechts unser Ausgleich dazu. Wichtig ist, Dinge zu tun, die sich toll anfühlen und auf die man sich nicht konzentrieren muss, damit man sich gut fühlt.
Das sollten Sachen sein, die man frei aus dem Bauch heraus macht und sofort ein Lächeln im Gesicht hat. Das gleicht uns als Menschen aus und das haben wir verlernt.
Das sehen Sie ganz klar so?
Ja. Ich rede ja auch mit Jugendlichen und die sagen, wenn ich am Computer spielen kann, fühle ich mich gut. Klar, letztlich fühlt sich das vom Kopf her gut an, aber so hat man sich keine Minute bewegt. Und das ganze Zeug, was Jugendliche bereits erleben und wegstecken müssen – schulisch etwa – geht mit Bewegung weg.
Deswegen ist mir Sport so wichtig und ich hoffe, dass unsere Kleinen eine passende, sportliche Aktivität finden, die ihnen genügend Bewegung gibt. Das muss sich nicht professionell entwickeln. Sport und Bewegung sind das Nonplusultra, um Stress auszugleichen.
Schon beim Spaziergang zum Bäcker wird durch An- und Entspannen der Muskulatur Stress abgebaut. Klar hab ich beim Computerspielen ein Erfolgserlebnis, wenn ich ein Level geschafft hab, aber: Das bedeutet Stress für mich.