Joachim Franz: Extremsportler mit Vergangenheit
Es gibt keinen Grund zu sagen: "Ich schaffe das nicht!"
Joachim Franz: Extremsportler mit Vergangenheit
in Story
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Joachim Franz ist vor allem für seine sportlichen Leistungen bekannt: Er fährt mit dem Mountainbike durch die Sahara, nimmt an mehreren Ironmans teil und fährt 2005 mit dem Rad von Alaska nach Feuerland. In seinen „Aids Awareness Expeditionen“ macht er auf die Risiken von HIV aufmerksam. Er hält Vorträge vor Managern, Schülern und Strafgefangenen, trainiert Untrainierte und motiviert Menschen, sich in Bewegung zu setzen. Für sein Engagement wird Joachim Franz 2008 als Europäer des Jahres ausgezeichnet und 2011 mit dem Bundesverdienstorden der Bundesrepublik Deutschland geehrt. Doch bis dahin war es ein weiter Weg und das Fahrrad hat auf seiner Reise eine erhebliche Rolle gespielt.
123 kg und ein ungesunder Lebensstil
Im Alter von 30 Jahren ist Joachim Franz ein unfitter junger Mann. Er bringt 123 kg auf die Waage, ernährt sich ungesund, raucht Kette und trinkt regelmäßig sein Feierabendbier. Weil schon sein Vater bei VW in Wolfsburg gearbeitet hatte, ist auch er dort im Schichtdienst als Feinbohrwerkstechniker tätig. In der Freizeit hat er es gern gemütlich, für Sport nimmt er sich keine Zeit.
Doch immer wieder taucht der Gedanke auf, dass er auch anders leben könnte. „Es gab nicht diese eine Sekunde, die einen Lebenswandel hervorrief. Das ging eher schleichend“, erzählt Franz rückblickend. Dabei wollte er schon davor eigentlich nicht dick werden. Zunächst hatte er das Ziel, niemals über 100 kg zu wiegen. Als das erreicht war, war die Grenze auf 110 kg verschoben … und so ging es weiter.
Joachim Franz ändert sein Leben
Doch wohl fühlt er sich längst nicht mehr. Er erinnert sich an einen Abend vor dem Fernseher mit seiner damaligen Frau. „Da gab es diese Davidoff-Werbung für das Parfüm Cool Water Man mit einem extrem durchtrainierten Mann. Dieser Wahnsinnstyp – der hat mich beeindruckt!“, berichtet er. An diesem einen Abend sagt er zu seiner Frau, so würde er auch gern mal aussehen wollen, das wäre ein echter Traum. Sie reagiert leicht spöttisch mit einem „Du?“ Franz erzählt, wie bitter das war. Er entscheidet sich, sein Leben umzukrempeln und allen zu beweisen, was wirklich machbar ist. Und seinem Leben wieder mehr Sinn zu geben. Das war im Jahr 1990.
Wünsche definieren
Joachim Franz beginnt mit dem Laufen, doch natürlich sind die ersten Meter hart, von seiner ersten Runde kommt er enttäuscht nach Hause zurück. Sein schwerer Körper ist so viel Bewegung gar nicht mehr gewöhnt. Doch Franz gibt nicht auf – er holt sich Unterstützung bei einem Kollegen, der auch als Trainer arbeitet. Er kauft sich ein gebrauchtes Mountainbike, stellt die Ernährung konsequent um und legt so richtig los: Er macht längere Radtouren, geht regelmäßig joggen. Innerhalb von vier Monaten verliert Franz über 50 kg, kurz darauf meldet er sich bereits zu seinem ersten Triathlon an. Von der Couch Potatoe zum Sportler geht’s rasant: Die Pfunde purzeln, das Körpergefühl und die physischen Leistungen verbessern sich stetig. „Es gibt keinen Grund zu sagen: Das schaffe ich nicht!“, ist Joachim Franz überzeugt.
Er weiß aber auch, dass es oft die negativen Kommentare der Mitmenschen und die eigenen Schranken im Kopf sind, die einen Menschen am Erfolg hindern. Die müssten überwunden werden. Dafür muss man laut Franz begreifen, dass man viel bewegen kann und zwar viel mehr als alle anderen glauben und man sich selbst zutraut. Wichtig sei aber auch, sich ein konkretes Ziel zu setzen: „Sei dir klar, was dein Wunsch ist und informiere dich,“ sagt Franz. „Wir haben heute einen so einfachen Zugang zu Wissen – zum Beispiel in Magazinen und Online-Foren, um herauszufinden, wie es andere Menschen geschafft haben und was ihnen dabei geholfen hat.“
Das Fahrrad als Symbol für Freiheit
Ihm hat ganz besonders das Radfahren geholfen. Das Fahrrad ist für Franz das Symbol für Freiheit: „Klar kann ich auf einem Ergometer trainieren. Aber ein Fahrrad ist doch etwas ganz anderes!“ Auch nach einer Radtour bleibt für ihn das Gefühl, etwas Fantastisches erlebt und gesehen zu haben. Diese Freiheit zu begreifen, das ist Joachim Franz wichtig. Heute ist für ihn auch wichtig, mehr Menschen in Bewegung zu bringen. Denn zwar sei jeder für seine eigene Mobilität verantwortlich, doch weiß er auch, dass viele Menschen dafür Unterstützung benötigen.
Extremsport mit Mission
Nicht jeder muss es so machen wie Joachim Franz: Er wird Triathlet, stellt verschiedene Weltrekorde und Weltbestzeiten im Ergometer und Versa-Climbing, in Inlineskaten und auf dem Sidewalker auf. Er hat an über 150 Marathons und Ultraläufen teilgenommen und auch wirklich verrückte Aktionen durchgeführt, wie beispielsweise die Überquerung des Uralgebirges mit dem Tretroller. 2001 meistert er als erster mit dem Mountainbike die legendäre Strecke von Paris nach Dakar, ein Jahr später heizt er quer durch Südafrika. 2005 folgt dann die Rekordtour auf der Panamericana-Route, 23. 000 Kilometer von Alaska nach Feuerland mit fünf weiteren Rennradfahrern.
2007 fährt Joachim Franz mit dem Rennrad eine 4000 Kilometer lange Aids-Schleife über ganz Deutschland, eine seiner „aids awareness Expeditionen“. Ihm ist mittlerweile sehr wichtig, in Sport mehr als nur einen Selbstzweck zu sehen. Im Gegenteil: Franz ist davon überzeugt, dass Sport der beste Weg ist, um Zeichen setzen und auf Missstände aufmerksam machen zu können.
Auszeichnung mit dem Bundesverdienstkreuz
Für seinen Kampf gegen die Immunschwächeerkrankung Aids ist Franz mittlerweile international bekannt, seine Expeditionen sind heute durch die Vereinten Nationen UNAIDS anerkannt. Für sein soziales Engagement wird er 2011 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet, einem der bedeutendsten Preise, die er im Laufe der Zeit erhält. Seine letzte große Aktion ist 2014 die E-Bike-Expedition auf dem Iron Curtain Trail, also entlang des früheren Eisernen Vorhangs von Norwegen bis zum Schwarzen Meer. Der Überflieger lacht stolz, wenn man ihn auf ein Foto aus den 1980er Jahren – vor seinem Sporteinstieg – anspricht: „Dieser Typ ist eine ganz andere Person, oder?“ Er staunt manchmal selbst über seine Verwandlung, nicht nur über die seiner Figur, sondern auch über die damalige Frisur und das Outfit: „Viele sagen, ich sehe heute viel besser und auch jünger aus!“
Wie gelingt der (Wieder-)Einstieg?
Heute hat Joachim Franz viel mit Menschen zu tun, die gern mehr Bewegung und Mobilität erfahren möchten. Oft hört der 57-Jährige die Phrase „Alles beginnt mit dem ersten Schritt“, die er vehement ablehnt. „Alles beginnt doch damit, dass ich die Trainingstasche packe für den ersten Schritt!“, erklärt Franz energisch. Die Vorbereitung sei entscheidend und werde leider häufig unterschätzt. Einen übergewichtigen Körper oder einfach einen Körper, der lange keinen Sport getrieben hat, in Bewegung zu bringen, kann schwierig sein. Viele Menschen stürzen sich dann auf ein Rad und wollen einfach loslegen. „Aber der Beginn findet im Kopf statt!“
Den Extremsportler wundert auch, dass viele Menschen beruflich gewohnt sind, Pläne zu erstellen und Strategien zu entwickeln – aber beim Sport erwarten sie, das alles einfach von selbst und ohne Strategie läuft. Für den Sport-Einstieg empfiehlt Franz deshalb eine ausführliche Sporttauglichkeitsuntersuchung bei einem Internisten sowie den Besuch bei einem Osteopathen oder Chiropraktor.
Mobilität und gesellschaftliche Teilhabe
Wer aufs Rad steigt, ist mobil. Und das bedeutet nicht nur mehr Fitness und Gesundheit, sondern auch: das Erleben von Natur und Gemeinschaft sowie gesellschaftliche Teilhabe. Um den Start zu erleichtern, rät Joachim Franz allen Neu- und Wieder-Einsteigern zu einem E-Bike. Er kennt viele Menschen, die mit einem E-Bike angefangen haben und sich dann nach einiger Zeit auch wieder Touren mit un-motorisierten Rädern zutrauten. Sich die kleinen Hürden zu nehmen – das ist wichtig: Denn, wie Franz so schön sagt: „Wir scheitern nicht an Bergen, sondern an Maulwurfshügeln.“