Engagement für besseren Radverkehr: Was kann ich tun?

Fahrradfreundlich? 10 Tipps fürs Engagement pro Fahrrad

Engagement für besseren Radverkehr: Was kann ich tun?

Fahrradfreundliche Städte verfügen über sichere Radwege, über ausreichend Stellplätze, über spezielle Fahrradstraßen und in vielen Gebieten Tempo 30. Doch wo sieht es schon so aus? Und was kann jeder Einzelne dazu beitragen, dass es besser wird?
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Viele Radfahrer sind unzufrieden mit der Infrastru­ktur in ihrer Stadt. Und natürlich sind strenggenommen die gewählten Politiker dafür zuständig, diese zu verbessern. Doch was, wenn einem das viel zu langsam erscheint? Wenn man den Eindruck hat, die Interessen der Radfahrer werden nicht gesehen oder sogar ignoriert? Dann hilft nur eins: Selbst anpacken!

Tipp 1: Aufklärung im Gespräch mit anderen

Viele, die meistens mit dem Auto fahren, kennen die Not von Radfahrern überhaupt nicht und auch viele Radfahrer haben sich an den Ist-Zustand einfach gewöhnt. Doch Veränderung braucht zunächst eine Sensibilisierung für das Thema. Also: Im Gespräch bleiben. Andere Menschen in der Stadt fragen, wie gerne sie mit dem Fahrrad unterwegs sind. Sie überzeugen, dass das Rad oft die bessere Alternative zum Auto ist. Oder dass es sich lohnt, sich pro Fahrrad zu engagieren. Und mit Beispielen aus anderen Städten oder Ländern zeigen, dass es bereits gute Lösungen für fahrradfreundliche Infrastruktur gibt.

Tipp 1: Leserbriefe an die Lokalzeitung schreiben

Wer mehr Menschen auf einmal erreichen will, kann einen Leserbrief an die Lokalzeitung schreiben. Diesen lesen potentiell mehr Menschen aus der Region. Am Besten ist es, sich auf einen zuvor erschienen Artikel zum Thema zu beziehen. Vielleicht eine Gegenposition zum Autoren einzunehmen oder weitere Beispiele zu bringen, um seine Position im Artikel zu unterstützen. Sachliche, gründlich recherchierte Leserbriefe werden wahrscheinlicher abgedruckt und ernst genommen. In Zeiten von Social Media sind natürlich auch Diskussionen auf den Facebook-Seiten der jeweiligen Regionalblätter möglich.

Tipp 3: Falschparker melden

Der Klassiker: Mitten auf dem Radstreifen steht ein Auto. Der Fahrer ist „nur kurz Brötchen“ holen oder liefert Waren aus. Für den Radfahrer ist aber irrelevant, wie kurz der Stopp auf seiner Spur ist, denn um weiterzukommen, muss er sich in den Pkw-Verkehr einfädeln. Daher ist selbst das kurze Halten auf Fahrradstreifen seit der letzten StVO-Reform verboten. Eine Möglichkeit ist es, mit dem Autofahrer ins Gespräch zu kommen oder ihm eine „Gelbe Karte für Falschparker“ an die Windschutzscheibe zu klemmen, die es beispielsweise vom Verkehrsclub VCD gibt.

Die andere ist es, den Falschparker direkt der Polizei (110 wählen) zu melden. Am besten nicht von einer Anzeige sprechen, sondern auf eine Verkehrsbehinderung hinweisen. Oft wird dann jedoch das Ordnungsamt geschickt oder einfach ein Knöllchen dagelassen. Die Gefahr des falsch geparkten Autos besteht ja aber immer noch. Deshalb: Nicht abwimmeln lassen, auf die Gefahrensituation erneut hinweisen. Im besten Fall reagiert die Polizei sowieso direkt und lässt den Pkw abschleppen. Wer sicherstellen will, dass das passiert und noch Zeit hat, bleibt vor Ort und lässt sich auch als Zeuge eintragen. Falschparker anzeigen geht natürlich auch – und zwar über das Ordnungsamt der jeweiligen Stadt: Dazu den genauen Sachverhalt schildern, am besten noch Fotos hinzufügen, und das Ganze per E-Mail oder postalisch abschicken. Eine weitere, einfache Möglichkeit das Ordnungsamt zu erreichen ist mit dem Smartphone über die Website www.weg.li. Sie ist speziell dazu gemacht, Falschparker anzuzeigen.

Tipp 4: Radentscheide unterstützen oder gleich selbst organisieren

In vielen deutschen Städten gab es in den letzten Jahren sogenannte Radentscheide. Das große Vorbild dieser Initiativen ist der Volksentscheid Fahrrad in Berlin, der 2018 zu einem Mobilitätsgesetz führte. Die Idee: Unterschriften bei den Stadtbewohnern sammeln und diese dann dem Gemeinderat bzw. Senat zu überreichen. Das Ziel des Entscheides kann vielseitig sein: die Umsetzung von 10 Verbesserungen für den Radverkehr oder ein komplettes Radgesetz. Wer in seiner Stadt bereits eine Radentscheid-Initiative hat, kann neben seiner Unterschrift oft auch anderes beitragen: Öffentlichkeitsarbeit betreiben, die Website pflegen, samstags auf dem Wochenmarkt stehen und Unterschriften sammeln.

Und in wessen Stadt eine solche Gruppe noch nicht aktiv ist, kann sich Mitstreiter suchen und einen Radentscheid selbst auf die Beine stellen. Unterstützung gibt’s beim Bündnis der Radentscheide in Deutschland, BundesRad, der im April 2022 seinen zweiten Kongress (KonRad) abhalten wird. Viele nützliche Informationen und Links findet man auch auf der Website des Vereins Changing Cities, der aus dem Volksentscheid Fahrrad hervorgegangen ist.

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Tipp 5: Sich Verbänden anschließen

Man muss nicht bei null anfangen: Verschiedene Verbände und Vereine in Deutschland engagieren sich bereits für den Radverkehr. Wer sich diesen anschließen möchte, macht dieses ganz einfach über eine Mitgliedschaft, die bei der Finanzierung der Projekte hilft, oder wird in einer lokalen Gruppe aktiv. Wichtigster Vertreter ist hier der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC), der sich seit 1979 für die Interessen von Radfahrern einsetzt und durch die lange Historie einen Namen gemacht hat. Er hat viele regionale Gruppen und ist Mitglied in der European Cyclists‘ Federation (ECF). Aber auch der ökologische Verkehrsclub Deutschland e. V. (VCD) engagiert sich für die Verkehrswende zugunsten einer umweltfreundlichen Mobilität.

Tipp 6: Am Stadtradeln teilnehmen

In vielen Orten in ganz Deutschland kann man beim Stadtradeln mitmachen, im vergangenen Jahr waren es 2172 teilnehmende Kommunen. Diese Kampagne geht auf das Netzwerk Klima-Bündnis zurück, das damit die C02-Emissionen reduzieren möchte. Die Aktion läuft als eine Art Wettbewerb: Innerhalb von 21 Tagen sollen Gruppen oder Einzelpersonen möglichst viele Fahrradkilometer zurücklegen. Auch werden extra Stadtradel-Stars ernannt, die in den drei Wochen komplett auf ihr Auto verzichten. Wer mitmachen will, trägt seine Fahrradfahrten via Website oder App ein und hat damit außerdem die Chance auf verschiedene Gewinne. Den genauen Wettbewerbszeitraum können die Kommunen selbst bestimmen, er liegt aber immer zwischen dem 1. Mai und dem 30. September.

Viele Städte verbinden diese Aktion mit der Europäischen Mobilitätswoche im September. 2022 findet das Stadtradeln zum 15. Mal in Deutschland statt – welche Städte dabei sind, kann man unter www.stadtradeln.de herausfinden. Viele Teilnehmer an einer solchen Aktion senden immer ein starkes Signal – und bei Rekordteilnahmen wird eher berichtet als in einem durchschnittlichen Jahr. Jeder Einzelne zählt also. Wer in einer Stadt wohnt, die an der Aktion noch nicht teilnimmt, kann sich an den Bürgermeister oder andere verantwortliche Politiker seiner Kommune wenden.

Tipp 7: Bei der Critical Mass mitmachen

Unter Critical-Mass-Rides versteht man eine gemeinsame Fahrt von Radfahrern durch die Innenstadt. Das Motto lautet: „Wir blockieren nicht den Verkehr – Wir sind der Verkehr!“ Die Fahrten verlaufen scheinbar zufällig und unorganisiert und sollen Bewusstsein für den Radverkehr schaffen. Oft geht es dabei sehr fröhlich zu: Mit bunten Wimpeln, ungewöhnlichen Rädern und passender Musik drehen Alltagsradfahrer, Kuriere und Familien gemeinsam ihre Runde. Für die Autofahrer sind diese Critical-Mass-Events oft lästig, denn sie werden ausgebremst. Trotzdem bieten die Rides auch die Chance, für mehr Sympathie für Radfahrer zu sorgen.

In Städten wie Berlin fahren mittlerweile sogar die Touristen mit geliehenen Rädern mit, weil die Rides als spaßige Events bekannt geworden sind. Und es gibt mittlerweile spezielle Kidical-Mass-Rides, bei denen vor allem Familien für eine sichere Infrastruktur demonstrieren. Hier gibt es eine Übersicht, welche Städte dabei sind sowie die passenden Termine.

Tipp 8: Mit dem Radverkehrsbeauftragten der Gemeinde sprechen

Natürlich gibt es bundesweite Reformen wie die bei der StVO vor zwei Jahren, auch gibt es Möglichkeiten der Bundesländer, etwas für den Radverkehr zu tun. Die wichtigste Rolle bei der konkreten Gestaltung des Radverkehrs vor Ort spielen jedoch die Kommunen. Sie sind zum Großteil für die Planung, Umsetzung und Erhaltung der Infrastruktur inkl. Stellplätzen zuständig, können Tempo-30-Zonen ausweisen und legen außerdem Budgets fest.

Deshalb sind auch die lokalen Ansprechpartner für die Bürger so wichtig. Einige Städte haben bereits einen Radverkehrsbeauftragten (auch: Fahrradbeauftragten) eingestellt, der sich um die Belange der Radfahrer kümmern soll. Wer einen solchen in seiner Kommune hat, sollte dies nutzen, auf ihn zugehen und notwendige Themen ansprechen – er ist nämlich genau der Richtige, wenn es um die Umsetzung von Projekten oder um die Verbesserung der Radinfrastruktur geht. Manchmal heißen diese Mitarbeiter allgemeiner auch Mobilitätsbeauftragte. In den Städten, die keine extra Stelle für das Thema haben, gilt es zunächst herauszufinden, wer verantwortlich ist.

Tipp 9: Wählen gehen

Wählen gehen hilft. Insbesondere bei Kommunalwahlen, die für manch einen Bürger langweilig wirken, gibt es viel Spielraum. Am besten beschäftigt man sich intensiv mit den Wahlprogrammen der Kandidaten und Parteien – und überprüft, ob diese sich für die Interessen der Radfahrer einsetzen wollen. Wo dies unklar ist, trägt konsequentes Nachhaken dazu bei, dass das Thema wieder mehr Aufmerksamkeit bekommt.

Tipp 10: Ganz viel Rad fahren

Den Kindern ein Vorbild und nicht nur denen: Wer jeden Tag ganz selbstverständlich das Fahrrad nutzt, zeigt Unentschlossenen, das es geht. Wenn Radwege auch wirklich genutzt werden und Stellplätze ständig überfüllt sind, zeigt es außerdem der Kommune den Bedarf auf. Insbesondere gilt das fürs Ganzjahresfahren. Denn mit der Ausrede „Das ist nur im Sommer relevant“ wird das Thema gern zur Seite gewischt. Es hilft übrigens auch, wenn man sich nicht als „Rüpelradler“ aufführt. Damit ist nicht gemeint, nicht für seine Belange einzustehen und nie zu schimpfen, aber es empfiehlt sich ein rücksichtsvoller Umgang mit anderen Verkehrsteilnehmern. So macht man sich nicht unnötig unbeliebt und wird eher gehört. Und auch unserer eigenen Psyche tut das gut: Ein umsichtiges Verhalten sorgt für mehr glück­liche Momente.

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