E-Gravelbikes, Test, Kaufberatung, E-Bike-Test

E-Gravelbikes 2024 im Test: Leichte Räder für Straße und Schotter

Auf zu neuen (Sport-)Horizonten

E-Gravelbikes 2024 im Test: Leichte Räder für Straße und Schotter

Etwas anders als im unmotorisierten Bereich, fristen Gravelbikes im E-Segment weiterhin ein Nischendasein. Dennoch feilen Hersteller ihre Konzepte mit neuen Motoren weiter aus und perfektionieren die Bikes noch mehr auf ihren Einsatzbereich hin. Den Beweis dafür liefern unsere zehn Spaßmaschinen im Test.
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Die Diskussion unter Branchenvertretern, Fachjournalisten und sportiven Fahrradenthusiasten über die Sinnhaftigkeit einer Motorunterstützung am Gravelbike ist in etwa so alt, wie die Radgattung selbst. So würde doch ohnehin ab der 25-Stundenkilometer-Schwelle abgeriegelt und der E-Graveler die meiste Zeit ohne Unterstützung mit eigener Muskelkraft vom Fleck bewegt werden. Mit dem dann negativ zu Buche schlagenden Fakt eines höheren Radgewichts ob der verbauten Antriebseinheit.

Keine Frage: Wer permanent am Anschlag tritt und durchweg performanceorientiert über ebene Schotterpisten düst, erfreut sich lieber an den Leichtgewichten ohne Motor. Aber: Es gibt noch andere, immer größer werdende, Teile der Gravelzielgruppe, für die der E-Support ganz neue Horizonte eröffnet – oder alte wiederherstellen kann. Beispielsweise die der Menschen, welche sich aus gesundheitlichen Gründen, etwa nach einer Verletzung oder Erkrankung, erst wieder an einst gewohnte Belastungsgrenzen herantasten oder gewöhnen wollen. Mit einem E-Antrieb lässt sich ein schonender und kontrollierter Wiederaufbau der Form unterstützen.

Ein weiterer Vorteil: Leistungsunterschiede zwischen Trainingspartnern oder in Gruppen können mindestens minimiert, wenn nicht gar vollständig ausgeglichen werden. Auch bei der Zusammensetzung einer Gruppe bieten sich neue Möglichkeiten. Außerdem wäre da noch der Faktor Fahrspaß: ähnlich wie beim E-Mountainbike, dessen Erfolg auch dem schlagartig größer werdenden Aktionsradius zuzuschreiben ist, erweitert auch das E-Gravelbike den Tagestour- oder Bikepacking-Horizont, vor allem was das Höhenmetersammeln angeht. Und das eben auch in einer, selbstredend zumeist sportiven, Fahrweise, die massig Glücksgefühle produziert, wie unsere zehnköpfige Testflotte auf individuelle Art und (Fahr-)Weise unter Beweis stellen konnte.

E-Gravelbikes, Test, Kaufberatung, E-Bike-Test

Intensives Outdoor-Erlebnis: mit E-Gravelbikes kommt mächtig Fahrfreude bei (fast) jeder Witterung auf. Noch mehr Spaß macht es, wie bei den meisten anderen Tourenarten auch, gemeinsam in der Gruppe. Nicht zuletzt deshalb, weil die Motoren hier Leistungsunterschiede ausgleichen

E-Gravelbikes: von sportiv bis komfortabel

Da wäre zum einen das Quartett um Storck, Scott, BMC und Simplon, das mit seinem e:Grix, Solace Gravel eRide 20, Roadmachine 01 AMP X One beziehungsweise Inissio Pmax qua ihrer Rahmengeometrie klar auf rennradtypisch geprägtem Fahrstil sowie Tempomachen ausgelegt ist. Während BMC diesen konzeptionellen Ansatz mit schmaler 35-Millimeter-Bereifung weiter zuspitzt, setzen Storck, Simplon und Scott mit 40- bzw. 50- mm-Pneus komfortorientiertere Gravel-Akzente.

Bei Urwahns Waldwiesel.E, das den einzigen Stahlrahmen im Test stellt, ist mit steilerer Sitzposition ebenfalls Sportivität im Fokus. Der Werkstoff selbst sowie die innovative Geometrie flankieren diese aber mit reichlich Komfort. So wie die anderen fünf Testteilnehmer, deren Geometrien nicht zu sportliche Sitzhaltungen zur Folge haben. Mit einer Vorbaulänge von 90 mm bei Rahmengröße L lädt Rose mit seinem Backroad Plus dennoch zu einem mit reichlich Angriffslust gewürzten Schottervergnügen ein, was maßgeblich durch den drehmomentstärksten Motor im Test geprägt ist. Poison und F Moser schlagen zwar geometrietechnisch einen Weg des komfortablen Gravelns ein, schöpfen aber, auch mit schmaler 35-mm-Reifenbreite zum Ausdruck gebracht, bei ihrem E605 sowie Gravel nicht ihr volles Komfortpotential aus. Topwerte erzielen hier Bergamonts E-Grandurance Elite bzw. 3Ts Gravel Electric mit 45 bzw. 52 mm Reifenbreite und durchweg sehr genussorientierten Rahmengeometrien.

Antriebe: Hecknaben- & Mittelmotor

Die Motorenwahl „gewinnt“ das Konzept eines in die Hecknabe integrierten Aggregats mit 6:4 gegen die Mittelmotor-Variante. Mit Urwahn, Simplon, Storck und 3T vertrauen gleich vier Hersteller dem Ebikemotion X20 bzw. X35 von Mahle. Die Drehmomentstärke varriert hier von 40 (Urwahn) bis 55 (Simplon, Storck und 3T) Newtonmeter. Was alle eint: ihr direktes Schubverhalten von der ersten Pedalumdrehung an. Kein Stocken, auch der Motor-Nachlauf ist kaum spürbar. Demnach punkten die Bikes mit sehr harmonischem Fahrgefühl – auch die Entkopplung über 25 km/h verläuft schön sanft. An länger andauernden Bergauffahrten reduziert sich die Kraftentfaltung hingegen recht schnell, was einen entsprechend höheren Einsatz der eigenen Muskelkraft verlangt.

Die Geräuschkulissen sind überraschenderweise unterschiedlich: während der X20 im 3T sehr hörbar werkelt, arbeitet das gleiche Modell im Simplon sowie Storck – ebenso der X35 im Urwahn – auffallend leise. Den Sound vom im Poison verbauten Bafang H600 (30 Nm) sowie im F Moser sitzenden FSA HM1 (42 Nm) hatten unsere Testfahrer während der Ausritte ins Gelände ebenfalls permanent im Ohr. Während der H600 mit angenehm homogener Unterstützung in der Ebene punktet, heimst der HM1 am Berg die Bestnoten bei den Hecknabenmotoren ein. Die Kraftentfaltung und konstant Fahrfreude produzierende Unterstützung machen den Italiener, der Hierzulande noch recht unbekannt ist, zu einem gelungenen Spaßgraveler.

E-Gravelbikes, Test, Kaufberatung, E-Bike-Test

Mit flachem Rennradlenker, steifer Rahmenausrichtung und leichtem E-Motor lässt sich in Hochgeschwindigkeit an Hindernissen vorbei die Waldautobahn entlang fegen

Furore im E-MTB-Bereich

Von den vier im Tretlager platzierten Motoren erfreute sich unser Testteam gleich dreimal am HPR50 von TQ. Sowohl Bergamont, als auch Scott und BMC setzen voll auf den Leichtmotor, der bereits seit geraumer Zeit im E-MTB-Bereich für Furore sorgt. Nur 1,89 kg auf die Waage bringend, erhöht auch der im Unterrohr sitzende Akku das Bikegewicht nur um gerade einmal 1,85 kg. Bei drei Unterstützungsstufen, die per App individualisiert werden können, begeistert der Motor mit mächtig Schubkraft bergauf und einer sehr harmonischen wie direkten Unterstützung in der Ebene. Auch in puncto Effizienz wusste das 50-Nm-Aggregat in unserem alljährlich stattfindenden Reichweitentest (ElektroRad Ausgabe 6/2023) zu überzeugen.

Ganz anders zu Werke geht der andere Mittelmotor im Test: Shimanos Kraftpaket EP8. Die Unterstützung fällt hier deutlich brachialer aus – bemerkenswert auch, mit welcher Schubkraft der Japaner noch so Steile Rampen hinaufjagt. Selbst in der ersten von drei Unterstützungsstufen ist es in der Ebene quasi unmöglich unter 20 km/h zu fahren. Klar, 85 Newtonmeter ist auch eine gewaltige Hausnummer und in unserem Testfeld einsame Drehmomentspitze. Wer der E-Unterstützung also wenigstmöglich eigene Muskelkraft beimischen möchte und der Bergspitze im Eiltempo entgegenflitzen will, wird mit Roses Backroad Plus einen Heidenspaß haben. Und sich außerdem am herausragenden Preis-Leistungs-Verhältnis erfreuen. Nicht unerwähnt soll an dieser Stelle bleiben, dass wir Boschs Leichtmotor Performance Line SX sehr gerne in unser Testfeld integriert hätten – ein E-Gravelbike mit diesem uns aber leider nicht zur Verfügung gestellt werden konnte.

E-Gravelbikes, Test, Kaufberatung, E-Bike-Test

Die meisten E-Graveler im Test lassen sich problemlos auch mal Kurzpassagen schultern. Die Gewichtsspanne erstreckt sich von 11,3 (Storck) bis 17,2 (Poison) Kilogramm

E-Gravelbikes im Test: Akku, Bedienung, Schaltperformance

Ein weiterer zu meisternder Spagat für die Hersteller: Genügend Reichweite für sorglosen E-Gravelspaß bei nicht ausuferndem Gesamtgewicht. So bewegen sich die an Bord mitfahrenden Stromreserven von 236 (Simplon) bis 520 Wattstunden (Scott). Bei Zweitgenannter werden die 360 Wh im Unterrohr von einem 160-Wh-Range-Extender im Flaschenhalter des Sitzrohres ergänzt. Diese Möglichkeit ist den anderen beiden mit TQ-Motor ausgestatteten Bikes ebenfalls vorbehalten. Gewichtsplus: ca. 900 Gramm. Ebenfalls 360 Wh beherbergen das Poison sowie das Rose. Wobei wir den EP8-Mittelmotor als sparsamer ausgemacht haben. Von den vier mit Mahle-Motoren ausgestatteten Rädern liegt das 3T an der Kapazitätsspitze (350 Wh).

Bei der Bedienung der Motoren bzw. dem Auswählen der Unterstützungsstufen stechen drei Testräder heraus. Sowohl am Simplon, Storck als auch Poison kann während der Fahrt, die Hand nicht vom Griff nehmend, per Knopfdruck direkt im Drop-Bar-Lenker gewählt werden. Bei allen anderen sieben Testteilnehmern gestaltet sich die Bedienung auf unterschiedliche Art und Weise komplizierter. Ein lenkermittig platziertes Display findet sich am Rose wieder – ein Bedienpanel am Urwahn, Bergamont sowie F Moser. Ausschließlich über den Start-Button auf dem Oberrohr lassen sich die Unterstützungsstufen am Scott, BMC sowie 3T wechseln. Dies hat sich in unserem, selbstredend, sehr gelände- und schotterlasigen E-Graveltest in einigen Fahrsituationen als unpraktisch herausgestellt.

Fahrspaß

Den Fahrspaß hingegen um ein Vielfaches gesteigert haben die hochwertigen und teilweise elektrisch die Gänge wechselnden Kettenschaltungen. Gleichmäßig in die zwei Lager Shimano und Sram aufgeteilt, stechen hier zum einen die GRX820 (Bergamont) sowie Force XPLR eTap AXS (BMC und Storck) und Rival AXS (Scott und 3T) mit jeweils 1×12 Gängen heraus. Drei Testbikes bieten übersetzungsschmälere 11 Gänge, diesbezüglich die Spitzenposition hält das Simplon mit 2×11 Gängen und folglich zwei Kettenblättern inne.

Unser Eindruck: Alle Hersteller sind sich der Notwendigkeit von knackig, schnell und direkt wechselnden Gängen bewusst. Der Fahrspaß fußt maßgeblich darauf. Vor allem bei stetig wechselnder Topografie und Untergrund. Auch konnten uns sämtliche an den Testrädern verbauten hydraulischen Scheibenbremsen auf technisch anspruchsvolleren Abfahrten sowie im Dauerregen überzeugen. Deutliche Qualitätsunterschiede ausmachen ließen sich allerdings bei der punktgenauen Verzögerung.

E-Gravelbikes, Test, Kaufberatung, E-Bike-Test

Der Natur so nah: ob geplante Bikepacking-Touren über mehrere Tage oder die ganz spontan umgesetzte Alltagsflucht. Mit dem E-Gravelbike können neue Glückshorizonte erschlossen – und bisher bekannte Grenzen ver-
schoben werden

Gewichte und Kaufpreise

Der zu Beginn angesprochene Gewichtsfaktor ob der verbauten Antriebseinheiten spielte auf den Testfahrten eine spürbare Rolle. Als klarer Spitzenreiter geht Storck mit beachtlichen nur 11,3 kg ins Ziel. Die Leichtfüßigkeit des e:Grix beeindruckt – und stellt unter Beweis, wie leicht Gravelbikes mit Motor gebaut werden können. Auch Simplons Inisso Pmax (12,8 kg) und BMCs Roadmachine 01 AMP X One (13 kg) marktieren Topwerte. Scotts Solace Gravel eRide 20 bringt mit Range-Extender 14 kg auf die Waage, das Gravel Electric von 3T 13,5 kg. Bleibt abschließend noch zu klären, wie erschwinglich E-Gravelbikes eigentlich sind.

Und ja, wir geben gerne zu, dass auch wir bei manchen Kaufpreisen erstmal schlucken mussten. Bei genauer Betrachtung erschließen sich Preise von Scott (7599 Euro), 3T (7802 Euro) oder BMC (8499 Euro) teilweise schon, dennoch können wir hier nur empfehlen, sich vorab sehr klar über den Einsatzzweck dieser E-Gravelbikes zu sein. Alle zehn im Test haben ihre Stärken, manche machen sogar auf Schotter und Asphalt gleichermaßen eine exzellente Figur. Bevor wir Ihnen auf den nächsten Seiten unser Testfeld im Detail präsentieren, sei vorab versichert: Horizonte erweitern alle. Ob sportlich ambitioniert oder gemütlich in geselliger Runde.

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Diese E-Gravelbikes haben wir getestet

Marke Modell Preis Prädikat
Poison E605 3499 Euro
Rose Backroad Plus GRX RX600 3999 Euro Preis/Leistung
Urwahn Waldwiesel.E 5499 Euro
Simplon Inissio Pmax 5789 Euro
Bergamont E-Grandurance Elite 5799 Euro Empfehlung
F Moser Gravel 5990 Euro
Storck e:Grix 6999 Euro Empfehlung
Scott Solace Gravel eRIDE 20 7599 Euro
3T BMW Exploro Gravel Electric 7802 Euro
BMC Roadmachine 01 AMP X One 8499 Euro

Die getesteten E-Gravelbikes in der Bildergalerie

Poison E605, Test, Kaufberatung

Poison E605

Rose Backroad Plus GRX RX600, E-Gravelbikes, Test, Kaufberatung

Rose Backroad Plus GRX RX600

Urwahn Waldwiesel.E, E-Gravelbikes, Test

Urwahn Waldwiesel.E

Simplon Inissio Pmax, Test, Gravelbike-Test, Kaufberatung

Simplon Inissio Pmax

Bergamont E-Grandurance Elite, Test, Kaufberatung, E-Gravelbikes

Bergamont E-Grandurance Elite

F Moser Gravel, Test, Kaufberatung

F Moser Gravel

Storck e:Grix, E-Gravelbikes, Test

Storck e:Grix

Scott Solace Gravel eRIDE 20, Test, Kaufberatung

Scott Solace Gravel eRIDE 20

3T BMW Exploro Gravel Electric, Test, Kaufberatung

3T BMW Exploro Gravel Electric

BMC Roadmachine 01 AMP X One, E-Gravelbikes, Test, Kaufberatung

BMC Roadmachine 01 AMP X One

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