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my Boo: Zu Besuch beim Bambus Fahrradhersteller in Kiel

Rahmen aus Bambus: Zu Besuch bei my Boo in Kiel

my Boo: Zu Besuch beim Bambus Fahrradhersteller in Kiel

Im Jahr 2012 setzen zwei Studenten ihre Idee in die Tat um: Eine Firma gründen, deren Philosophie auf nachhaltigen Werten basiert und eine faire Wertschöpfungskette in Gang setzt. Seit dem wurden in Ghana eine Menge Bambusräder produziert – und die Kieler von Jahr zu Jahr ein bisschen größer. Ein Blick auf die Erfolgsgeschichte von my Boo.
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Wie intensiv die Verbindung von Norddeutschland ins knapp 5500 Kilometer Luftlinie entfernte Ghana gelebt wird, fällt
bereits kurz hinter der Eingangstür des Firmengebäudes von my Boo auf.

Hinter den Kulissen von my Boo

Angefangen vom Showroom für die Kunden, über die Büroräumlichkeiten von Vertrieb und Marketing bis hin zu den Hallen der Manufaktur, dem Lager und Versand. Der Firmensitz im Kieler Wirtschaftspark ist durchweg bildlich mit dem Ort dekoriert, an dem jeder Bambusrahmen seine Geburtsstunde erlebt.

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Rohstoff aus Ghana: Bambus erfüllt die Anforderungen für den Rahmenbau optimal.

Die Produktionsstätte in der Ashanti Region, Nahe der ghanaischen Millionenstadt Kumasi. Es ist der Ort, an den Maximilian Schay und Jonas Stolzke im April 2013 reisten, um die Zusammenarbeit mit dem Yonso Project endgültig zu besiegeln und zu Papier zu bringen.

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Soziales Projekt in Ghana

Eine soziale Initiative, die bereits seit dem Jahr 2008 die Bildung von Kindern, Jugendlichen und Frauen förderte
– finanziert auf Spendenbasis. Deren Gründer Kwadwo Danso hatte unlängst realisiert, dass es eines professionellen
Partners bedurfte, um der Idee eine langfristige Entwicklungschance zu geben. Und vor allem: Unabhängigkeit zu externen Geldgebern zu schaffen.

Außerdem hatte er erkannt, dass die großen Mengen an Bambus vor Ort in Ghana überwiegend ungenutzt blieben, was ihn endgültig zu einem Geschäftspartner skizzierte, nach dem Schay und Stolzke für ihre Firmengründungsidee schon eine Weile gesucht hatten.

Dass die damals 20 und 21 Jahre alten BWL-Studenten ein Geschäftsmodell mit Fahrrädern aus Bambus aus der Taufe hoben, fand seinen Ursprung weniger in jahrelanger Begeisterung für das Fortbewegungsmittel, als vielmehr in der Nachricht eines Schulfreundes.

Foto eines Bambus Fahrrades

„Während seinem sozialen Jahr in Ghana hatte er ein Bambusrad gesehen und mir ein Foto davon geschickt“, erinnert sich Schay zurück, der das eher „abenteuerlich“ zusammengebaute Gefährt Stolzke präsentierte und mit ihm gemeinsam die Geschäftsidee daraus entspringen ließ.

Beide hatten in Fahrrädern ein Trendthema erkannt – und wollten eine Firma gründen, die etwas „Solides“ und „Anfassbares“ produziert. Außerdem weist Bambus gleich mehrere Eigenschaften auf, die ihn für einen Fahrradrahmen geeignet machen.

Zum einen: durch seine hohe Belastbarkeit ähnlich stabil wie Stahl. Zum anderen: aufgrund seines inneren Hohlraumes
etwa so leicht wie Aluminium.

Hinzu kam die soziale Komponente von fair bezahlten Arbeitsplätzen unmittelbar vor Ort sowie der ökologische Ansatz eines extrem schnell nachwachsenden Rohstoffes, der zudem noch CO2 bindet.

Der Weg in den Fahrrad-Markt

Bis alle Prüfkriterien gewährleistet waren, vergingen knapp 15 Monate. Der Kooperationsvertrag wurde unterschrieben,
als die Abnahmemengen der Bambusrahmen definiert waren.

Von Beginn an hielt my Boo die Exklusivrechte für den Vertrieb in Europa. Weltweit könne das Yonso Project „auf eigene Faust“ verkaufen. Was zwar kaum stattfinde, dennoch ein Teil der Selbstständigkeit des Projektes darstellt.

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Abschließende Arbeitsschritte in der Kieler Manufaktur: my Boo PR- und Marketingleiter Felix Habke erklärt ElektroRad-Redakteur Tobias Jochims finale Montageschritte im Detail.

„95 Prozent der produzierten Rahmen werden schlussendlich zu uns nach Kiel geschifft“, erläutert Schay, bevor PR- und Marketingleiter Felix Habke beim Rundgang durch die Manufaktur in Kiel weitere Eckpfeiler der Firmengeschichte
erläutert.

Erste Besuche von Fahrrad Messen

Im Herbst 2013 seien beispielsweise die ersten Bambusrahmen auf Messen ausgestellt worden. Die Resonanz darauf:
extrem groß. Die ersten Verkäufe in Deutschland datieren von April im Folgejahr.

Von Beginn an habe man den Weg gewählt, als Marke stark zu werden. Die Devise: Viel Präsenz auf Veranstaltungen
und in den Medien, da der Wert der Fahrräder „im Laden nicht auf Anhieb erkennbar“ gewesen sei. Die erwirtschafteten
Erlöse flossen von der ersten Stunde an in soziale Aktivitäten vor Ort in Ghana.

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Ein Rad finanziere ein Stipendium, so das anfängliche Ziel. Im Jahr 2016 reifte die Idee, eine eigene Schule zu bauen.
Seit Herbst 2019 ist diese in Betrieb und ein Ort, an dem täglich über 200 Kindern durch knapp 15 Lehrkräfte Zugang zu Bildung verschafft wird.

Soziale Nachhaltigkeit auf vielen Ebenen, die das Kieler Fahrradunternehmen von Beginn stets ins Zentrum seines Handels rückte.

Der Weg von Ghana nach Kiel

Anschließend erläutert Habke, wie ökologische Nachhaltigkeit bei der Produktion in Ghana aussieht. Angefangen mit dem Abholzen der Bambusstangen für den Rahmen, etwa 20 bis 30 Kilometer von der Produktionsstätte in Yonso entfernt.

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Es folgt die Trocknung, das Einspannen sowie das Verbinden mit den fünf notwendigen Aluminiumteilen an Übergängen, die genormte Maße erfordern. Später in Kiel werden dort beispielsweise das Hinterrad oder die Vordergabel verschraubt.

80 Stunden Handarbeit in Ghana

Dann wird der Rahmen mit in Harz getauchten Sisalseilen, eine Agaven-Naturfaser, fixiert. Zum Schutz gegen die
Witterung steht abschließend eine Klarlackierung auf dem Programm. Etwa 80 Stunden Handarbeit später wird ein fertiger Bambusrahmen, mit bis zu 700 anderen in einem Container, am Hafen von Accra, als Seefracht deklariert. Und zwei bis drei Wochen später in Hamburg nach Deutschland importiert.

Angekommen in der Kieler Manufaktur, erfolgt die Endmontage der Bambusrahmen. Zum Großteil mit klassischen Aluminiumteilen. Teilweise auch aus nachwachsenden Rohstoffen wie Holz (Pedale) oder Rinde (Griffe) bestehend.

In Summe liegen bis zu 1500 Einzelteile auf Lager, jeder Mechaniker baut immer gleichzeitig an zwei Rädern, anschließend werden diese plastikfrei in Pappe und Papier an den Kunden verschickt.

Der Nachhaltigkeitskompromiss

Man wisse, dass die verkaufsfertigen Bambusräder durchaus ein „ökologischer Kompromiss“ seien. „100 Prozent nachhaltig sei natürlich keines“, zieht Habke ein realistisches Fazit unter die Erläuterung der Produktionsprozesse und bringt ein weiteres Thema zur Sprache: die Zusammenarbeit mit der Kreuzfahrtmarke AIDA.

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Auch hier würde man im ersten Moment wenig Nachhaltigkeit erkennen, genießen die Ozeandampfer ja gemeinhin
den Ruf, eine der größtmöglichen Umweltsünden zu sein.

Neue Arbeitsplätze in Ghana im Fokus

60 bis 70 Räder an Bord der Schiffe würden immerhin für umweltfreundlicheren Landgang sorgen – und, ein paar Ecken weiter gedacht, neue Arbeitsplätze in Ghana schaffen.

„Natürlich schauen wir uns das im Einzelfall genau an“, sagt Habke und berichtet abschließend von einer früheren Kooperation mit Mercedes-Benz, bei der man nach detaillierter Abwägung auch mehr Vor- als Nachteile erkannte.

Erfolgsgeschichte mit Zukunft

Blickt man auf das wirtschaftliche Zahlenwerk, dass my Boo seit seiner Gründung 2012 zu Papier gebracht hat, liest
sich vor allem eines heraus: eine Erfolgsgeschichte auf allen Ebenen.

In Ghana ist aus anfänglich drei Mitarbeitern mittlerweile eine Werkstatt mit mehr als 40 Angestellten geworden. In Kiel selbst ein ähnliches Bild: Nachdem das Gründergespann um Schay und Stolzke zunächst durch Habke sowie Vertriebsleiter Christian Penke ergänzt wurde, zählt my Boo mittlerweile ebenfalls über 40 Mitarbeiter.

Maximale Identifikation mit dem Ghana-Projekt

Wichtig dabei sei vor allem der „soziale Aspekt“ und die „Begeisterung“ für die gemeinsame Sache, das gleiche Ziel. Jeder identifiziere sich voll und ganz mit dem Projekt in Ghana. Ein essenzieller Aspekt.

In den zurückliegenden Jahren habe man Wachstumsraten von 50 bis 100 Prozent verzeichnen können. Einhergehend mit der Zufriedenheit über die Entwicklung gehe laut Schay aber auch die „super große“ Herausforderung.

my Boo wächst und wächst

Erfolg bedeute schlussendlich auch Verantwortung – sowohl für die Angestellten des Yonso Projects in Ghana, als auch bei my Boo an der Kieler Förde. Weiterhin profitabel sein, Kredite bedienen oder sich selbst nicht überfordern und den Mitarbeitern zuviel abverlangen, zählt Schay die Großaufgaben als Geschäftsführer auf.

Der Umsatz im Jahr 2020 wird bei etwa vier Millionen liegen, zwei Jahre zuvor sind es knapp 1,6 gewesen. Die Anzahl der verkauften Fahrräder hat sich im gleichen Zeitraum auf etwa 1000 Stück verdoppelt. Ihre Räumlichkeiten in Kiel hat my Boo seit der Gründung bereits dreimal gewechselt.

Fachhändler Netzwerk wird ausgebaut

Aus dem anfänglichen 300-Quadratmeter-Geschäft ist inzwischen eine mehr als dreimal so große Fabrikhalle geworden. Gesundes Wachstum, wo man hinschaut. Auch das Portfolio umfasst mittlerweile den Service eines Fachhändlers: von der Online-Konfiguration für eine Probefahrt über ein Leasing-Finanzierungsmodell bis hin zu speziellen Fahrradversicherungen.

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Zwei Gründer und ihre Geschäftsidee. Ende September gewannen Maximilian Schay (links) und Jonas Stolzke (rechts) den mit 12.000 Euro dotierten Nachhaltigkeitspreis 2020.

Das Netz der Fachhändler hat my Boo in Deutschland und dem benachbarten Ausland auf knapp 150 Partner
gespannt. Der Bekanntheitsgrad des Unternehmens steige immer weiter an, auch bedingt durch zahlreiche Kooperationen mit Hotels und Ferienanlagen, welche die Bambusräder ihren Gästen zum Verleih anbieten.

Ausgezeichnete Nachhaltigkeit

Jüngst gesellte sich zu den bereits zahlreichen gewonnenen Auszeichnungen der Lammsbräu Nachhaltigkeitspreis
2020 hinzu. Die Kieler überzeugten die Jury in der Kategorie für nachhaltige Geschäftsmodellinnovation.

Durch die Entwicklung eines Bambus-Bikes mit E-Antrieb würde my Boo eine nachhaltige Mobilitätsalternative für verschiedene Bedürfnisse anbieten. Womit außerdem zum Ausdruck gebracht wurde, dass auch die strategische Zukunftsausrichtung zu passen scheint.

Auf Augenhöhe: my Boo und das Yonso Project

Impulse, die stets von Kiel ausgehen und knapp 5500 Kilometer entfernt in der Ashanti Region in professionellen
Produktionsabläufen umgesetzt werden.

Denn genau hier setzten die beiden Geschäftsführer Schay und Stolzke bei ihrer Dankesrede an. Ein weiteres Mal wäre unter Beweis gestellt worden, wie gut die Zusammenarbeit zwischen dem Yonso Project und der my Boo GmbH funktioniere würde – und alle noch mehr darin bestärkt worden, an der Mission eines fairen Miteinanders auf Augenhöhe weiter festzuhalten und gemeinsam zu wachsen.

 

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