Bio-Bike, Pushbike und Co.: Wie nennt man jetzt Fahrräder ohne Motor?

Wie nennt man ein Fahrrad?

Bio-Bike, Pushbike und Co.: Wie nennt man jetzt Fahrräder ohne Motor?

Die Abgrenzung von Fahrrad und E-Bike wird offensichtlich immer schwieriger. Wie nennt man denn nun ein Fahrrad ohne Motor - wirklich Bio-Bike? Ein Gastbeitrag des Autors Rolf Bläsing.
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Ich muss das jetzt mal loswerden. Neulich las ich in einer E-Bike-Zeitschrift. Auf der letzten Seite befasste sich ein Autor unter der Überschrift „Ja, wie heißen sie denn?“ in gespielter Ratlosigkeit mit der Frage, wie denn künftig ein Fahrrad ohne E-Antrieb heißen solle. Es ist im Grunde eine Frage, die sich von selbst beantwortet: es gibt Räder mit Motor, für die sich, wie der Autor auch erkannte, die Bezeichnung „E-Bikes“ etabliert hat; und es gibt herkömmliche Räder, die vor einigen hundert Jahren erfunden wurden und seitdem Fahrräder heißen.

Ich rieb mir also verwundert die Augen und dachte mir, was soll die sinnfreie Frage, steht der Autor vielleicht irgendwo im Wald, was ist eigentlich los mit ihm, liegt es an der Hitze, dass er da nicht drauf kommt, oder fehlt ihm sonst irgendwas? Beim Weiterlesen ahnte ich dann, worauf es hinauslief.

„E-Bikes fahren den Fahrrädern ohne Motor so oder so davon“, sagte er ein wenig herablassend, „sie werden eh bald das neue Normal, sie werden zum Standard, zum Inbegriff für Fahrräder“. Ok, jetzt hatte er die Richtung also vorgegeben, und dann fing er an zu faseln von kursierenden und neuen Varianten für die „künftige Bezeichnung der Räder ohne Elektroantrieb.“

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Bio-Bike, Push-Bike, Muskelrad

Da waren dann neben dem unsäglichen Begriff „Bio-Bike“ auch durchaus schwachsinnige Vorschläge wie „akustisches Bike“, „Push-Bike“ oder „analoges Bike“ dabei; am Ende wurde der Begriff „Muskelrad“ oder „Muscle Bike“ favorisiert. Ich hatte ja lange Zeit gehofft, den Artikel unter Satire einordnen zu können, aber die Gönnerhaftigkeit der Abfassung ließ es nicht zu. Die Botschaft der gesammelten Verrenkungen, in einen Satz übersetzt, war folgende: der Begriff „Fahrräder“ soll künftig ausschließlich für E-Bikes Anwendung finden, während die eigentlichen Fahrräder mit einer noch zu findenden idiotischen Bezeichnung versehen werden und damit ihr Nischendasein fristen können.

Soweit die Essenz des Artikels. Da ich selbst seit vielen Jahren in Alltag und Freizeit mit einem, entschuldigt bitte den Ausdruck, Fahrrad unterwegs bin, habe ich eine Position dazu.

Ich finde, ein E-Bike ist ein tolles Fortbewegungsmittel, dass Spaß bringt, der Umwelt nutzt und Straßen und Städte vom Autoverkehr entlastet. Weil es dem Fahrer hilft und ihm die Arbeit erleichtert. In besagtem Heft wird einem Modell attestiert, dass man mit ihm „angesichts des extrem hohen Unterstützungsfaktors fast ohne Eigenleistung den Berg hinaufkommt.“ In der Fachpresse sind oft Formulierungen wie „brachiale Unterstützung des Motors“ oder „begeisternde Schubkraft“ zu finden.
Das ist sehr schön und sehr nützlich, und es ist genau das, was ein E-Bike vom Fahrrad unterscheidet. Es ist ein Motor-Rad, bei dem man, mindestens ein bisschen, mittreten muss.

Wenn E-Biker nun ihr Fahrzeug gelegentlich als Fahrrad bezeichnen, macht mir das nichts aus, es hat sich ja daraus entwickelt. Dass das eigentliche Fahrrad, mit dem ich unterwegs bin, nicht mehr so heißen soll, leuchtet mir allerdings nicht ein. Da fehlt mir fast ein bisschen die Logik. Die Segelboote wurden ja auch nicht umbenannt, nur weil die Dampfschiffe erfunden wurden. Glaube ich zumindest…

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Abgrenzung von Fahrrad zu E-Bike

Keine Ahnung, warum es beim Fahrrad jetzt so kompliziert ist. Vielleicht wegen der Sache mit der Leistung. Mit dem E-Bike fährt sich’s nun mal etwas leichter, wodurch sich den Usern unabhängig von ihrem Fitnesszustand ganz neue Möglichkeiten eröffnen. Ist doch ok. Man erlebt mehr und hat mehr zu erzählen. Oder geht es dem Autor darum, zukünftig Dialoge wie den folgenden zu vermeiden?

  • E-Biker: „Ich war diesen Sommer mal für drei Wochen mit dem Fahrrad in Frankreich. Hab fast tausendfünfhundert Kilometer abgerissen.“
  • Zuhörerin: „Nicht übel, wo warst du überall?“
  • E-Biker: „Mehr so im Süden. Hab mich ein bisschen treiben lassen. Provence, Grenoble und so. Den Col du Tourmalet und L’Alpe d’Huez hab’ ich auch noch mitgenommen…“
  • Zuhörerin: „Das iss aber schon sportlich. Warst du mit ’nem E-Bike oder ’nem richtigen Fahrrad unterwegs?“

Solche Fragen kommen in der Praxis bislang vor, sie dienen der Einordnung des Geschehens und haben nichts mit mangelndem Respekt zu tun. Ich finde es großartig, wenn Menschen mit dem E-Bike anstatt mit dem Auto auf große Reise gehen, zum Einkaufen oder zur Arbeit fahren oder Transporte damit erledigen.

Aber ich brauch halt auch keine dämlichen Vorschläge für die „künftige Bezeichnung für Räder ohne Elektroantrieb“. Wenn man auf dem gleichen Niveau nach alternativen Bezeichnungen fürs E-Bike suchen würde, kämen vermutlich Wortschöpfungen heraus, die so manche aus der Signalweste hauen würden, und das geht ja nun auch nicht.

Warum ich mich jetzt zu dem Thema äußere, hat noch einen Grund. Die Phase der Herumeierns um den Begriff „Fahrrad“ hat längst begonnen. Als der Begriff „Bio-Bike“ zum ersten Mal in irgendeiner Zeitschrift um die Ecke kam, hielt ich ihn für eine einmalige kreative Fehlleistung, über die man sich schlapplachen konnte. Er verschwand dann aber nie völlig. Besorgniserregend fand ich es, als ein Radler in einem Kommentar, vermutlich in einer Art vorauseilendem Gehorsam, den Begriff freiwillig für sein eigenes Rad anwendete.

E-Bike oder Fahrrad: Mir ist es nicht egal!

Ich hab  bisher von der Seite der Fahrradfahrer noch keine Position zu diesem schleichenden Prozess der „Umbenennung des Fahrrades“ gefunden, was ich schade finde, also wollt ich mal einen Standpunkt dazu loswerden. Natürlich gibt es Wichtigeres, und vielleicht ist es auch den meisten egal. Mir ist es nicht egal. Ich werde das Rad, mit dem ich unterwegs bin, niemals Bio-Bike, analoges Bike oder Muscle-Bike nennen. Im Moment komm ich noch ohne Motor über Berg und Tal, und es macht mich zufrieden, manchmal auch glücklich. Wenn ich das nicht mehr schaffe, kauf ich mir ein E-Bike und fahr damit über die Alpen oder auch nur bis zum Friseur oder zum Bäcker. Auch da freu ich mich drauf.

Aber bis es so weit ist, nehm ich weiter das Fahrrad. So einfach ist das. So einfach könnte das sein…

Über den Autor: Rolf Bläsing schreibt ansonsten viel übers Laufen. Hier einige Beispiele.

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