Pro und Contra E-MTB Motoren: Mehr Kraft, mehr Spaß?

E-MTB-Motoren: Pro und Contra zur Schubkraft im Gelände

Pro und Contra E-MTB Motoren: Mehr Kraft, mehr Spaß?

Mehr Drehmoment, mehr Akku, mehr Spaß! In diese Richtung entwickelt sich die E-MTB-Szene zurzeit – jedenfalls in Teilen. Denn es gibt auch die Gegenbewegung. Kleinere Akkus, weniger Leistung, mehr klassisches Fahrgefühl wie in der „guten alten Zeit“ vor dem E-Bike-Boom. Aber welches ist denn jetzt das bessere E-Mountainbike?
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Viel hilft viel. Dieses alte Sprichwort prägt die Entwicklung von E-Mountainbikes. Die Richtung ist seit jeher klar: mehr Power, mehr Akku, fettere Reifen, mehr Federweg. Einhergehend aber mit höherem Gewicht und einer immer mehr dem Enduro-Motorrad nahekommenden Fahrperformance. So entfernt sich das E-MTB von seinem Urahn, dem klassischen Mountainbike.

Der aktuelle E-MTB-Sport ist somit eine gänzlich eigenständige Kategorie, die kaum noch etwas mit dem ursprünglichen Mountainbiken zu tun hat. Das aber hat natürlich immer noch seinen Reiz, auch wenn viele „Traditionalisten“ die komfortable Unterstützung eines E-Antriebs ebenfalls nicht missen wollen.

Und so entwickelt sich seit einiger Zeit ein zweiter Megatrend bei den Geländerädern; mit leichteren, kleineren Akkus und weniger kräftigen Motoren. Diese Komponenten drücken das Gewicht solcher Bikes weit unter die 20-Kilogramm-Grenze. Manche können es gar mit gänzlich unmotorisierten Offroadern aufnehmen.

Doch welche Kategorie ist denn nun das bessere E-Mountainbike? Das wollen wir genau wissen. Es treten an zum Duell: Ralf Glaser, Redaktionsleiter des Schweizer MTB-Magazins BORN und Macher des Tourenportals trails.de, und Martin Munker, verantwortlicher Redakteur für die ElektroRad-E-MTBSeiten und Gründer von Bike.TV.

Boschs neuer CX-Race kombiniert 85 Nm Drehmoment unter anderem mit einem 750-Wh-Akku.

Pro: Gib Gas, ich will Spaß!

Ein Kommentar von Ralf Glaser

Dass die Fahrradindustrie alle paar Jahre eine neue Sau durchs Dorf treibt, kennt man ja. Ob jede Neuerung auch eine Innovation ist? Egal. Der passende Usecase wird sich dann schon finden. Der Usecase für Mid- oder gar Light-Assist-Bikes will sich mir jedoch – zumindest auf der emotionalen Ebene – bisher noch nicht so richtig erschließen.

Light-Vorteile? Kenne ich.

Klar, als Bike-Journalist kann ich die Vorteile dieser noch relativ jungen Fahrrad-Kategorien im Schlaf daher beten. Weniger Motorpower benötigt weniger Akkukapazität, bedeutet kleinere Akkus und Motoren. Ergo: weniger Gewicht, daher kaum weniger Watt pro Kilo als bei herkömmlichen E-MTBs, dafür deutlich weniger Einschränkungen bei der Konstruktion von Rahmen.

Damit werden progressivere Geometrien zunehmend auch bei E-Mountainbikes möglich – die Teile fahren sich langsam fast schon wie ein unmotorisiertes Bike. Und außerdem: Muss man denn immer im Turbo-Modus fahren?

Auf den ersten Blick leuchtet mir diese Argumentation ein. Aber die Antwort auf die Frage nach dem Turbo-Modus ist für mich eindeutig: Ja! Wenn ich ein Bike fahren will, das sich wie ein unmotorisiertes Bike anfühlt, dann schnappe ich mir ein Bike ohne Motor. Nur, dass das inzwischen immer seltener vorkommt.

Seit sich die Fahrwerke von E-Mountainbikes auch ernsthaft wie ein „Fahrwerk“ anfühlen, und die Motorsteuerungen für Fahrten im Gelände optimiert wurden, bin ich, wenn ich es mir aussuchen kann, eigentlich nur noch mit E-MTBs unterwegs. Und da kenne ich praktisch nur noch einen Modus: volle Kanne voraus!

Mal im Ernst. Der Witz bei einem E-MTB ist doch nicht, dass man dank Motor bergauf ein bisschen weniger schwitzt. Als Argument für den Kauf eines sündhaft teuren Velos wäre mir das jedenfalls zu profan. Der Witz bei einem E-MTB ist, dass ein solches Bike die Tourenplanung revolutionieren kann, und völlig neue, vor ein paar Jahren noch ungeahnte Challenges erlaubt.

Kein Sport? Denkste!

Mit akribischer Planung, und in geeignetem Gelände, lässt sich der Singletrail-Anteil einer Tour dank E-MTB in ungeahnte Höhen schrauben. Als kleiner Tipp: in Terlago, 30 Kilometer nördlich des Gardasees, gelingen mit einem modernen E-Enduro Runden mit einem Trailanteil von 80 bis 90 Prozent. Die Voraussetzung dafür ist natürlich, dass man die passende Fahrtechnik dafür mitbringt, und sich auf einen Motor verlassen kann, der ein ordentliches Drehmoment liefert.

Und da sind für mich Bikes mit einem Light- oder Mid-Assist-Motor aus dem Spiel. Die Praxis zeigt: Da wo es anfängt Spaß zu machen, ziehen solche Bikes die Wurst eben nicht vom Teller. An eine solche Tour muss man natürlich mit dem passenden Mindset herangehen. Das ist ein bisschen wie beim Bergsteigen.

Light-E-MTBs im Test: Leichte E-Mountainbikes im Vergleich

Früher war ich beim Mountainbiken meist wie ein „Alpinist“ unterwegs. Heute gehe ich Bike-Touren dank CX & Co. immer öfter wie ein „Sportkletterer“ an. Will heißen: Einen Gipfel oder Pass nimmt man gerne mit. Aber einen markanten Geländepunkt zu erreichen, ist nicht mehr das eigentliche Ziel. Die Motivation besteht jetzt darin, nicht nur die Trailabfahrten, sondern auch die Uphill-Trails so sauber wie möglich zu fahren.

Wenn ich an einer Schlüsselstelle scheitere, kommt es inzwischen schon mal vor, dass ich die Passage analysiere, und dann zwei oder gar drei Versuche investiere. Wenn es dann gelingt, ist die Befriedigung immens. „Aber das hat ja nichts mehr mit Sport zu tun!“, heult da der abgeneigte Kritiker. Wer das behauptet, hat offensichtlich noch nie eine Powerstage bei einem E-Enduro-Rennen gesehen.

Ich schon, zuletzt die Uphill-Stage bei der E-EWS in Finale Ligure. Da flogen die besten E-Mountainbiker der Welt über einen Trail bergauf, bei dem ein Drittel aller Mountainbiker bergab schieben würde. Kein Sport? Wenn einer der Protagonisten mit weniger als Puls 180 dort oben angekommen ist, fresse ich einen Fazua.

Das Trek Fuel EXe wiegt nur gut 18 Kilogramm, der kompakte TQ-Motor leistet 50 Nm, gespeist vom 360-Wh-Akku.

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Contra: Gefühlvoll, nicht brachial.

Ein Kommentar von Martin Munker

Vorab: Ich habe als Fahrrad-Journalist oft und regelmäßig ein E-Mountainbike unter dem Hintern. Es macht mir Spaß, damit Testrunden zu drehen. Aber mit mindestens genauso großem Vergnügen bin ich mit einem Bike ohne Motor unterwegs. Am „Biobike“ stört mich eigentlich nur dieser doofe Begriff.

Wenn schon E-MTB, dann Vollgas, ob das nun Turbo-Modus heißt, Power oder Ludicrous – die Philosophie hab ich lange vertreten, auch wenn der Fahrspaß dann oft nicht lange angedauert hat. Klar, mit den immer größeren Batterien stellt sich die Frage nach der Reichweite nicht mehr zwingend. Aber eine größere Batterie bedeutet nun mal wieder ein schwereres Bike.

Jeder Mountainbiker wird es zugeben: zumindest die untersten Stufen am E-MTB gleichen mit Mühe gerade mal dessen höheres Gewicht aus. Die zusätzlichen Kilos sind für mich nach wie vor ein Argument – auf der Minus-Seite. Auf dem Trail, wenn es darum geht, das Bike durch kniffelige Passagen zu manövrieren. Aber auch, wenn ich es in den Keller tragen oder ins Auto wuchten muss. 24, 25, 26 Kilo oder mehr: Da macht das einfach keinen Spaß.

Das natürliche Gefühl gibt den Ausschlag!

Ich bestreite nicht, dass man sich auch mit einem stark motorisierten E-Bike durchaus verausgaben kann. Allerdings – das ist natürlich eine persönliche Sache – nehme ich gerne auch mal ein bisschen Druck vom Pedal, damit der Motor bei 25 km/h wieder mithilft und ich nicht mit großer Anstrengung 26,5 km/h fahre.

Natürlich schaffe ich mit dem E-MTB steile, teilweise technische Anstiege, die ohne Motor nicht zu bewältigen wären, die konditionell wie auch fahrtechnisch sehr anspruchsvoll sind. Und oben bin ich ein bisschen stolz, dass ich sie gemeistert habe. Andererseits gibt es auf meinen Hausrunden Kletterpassagen, die ich ohne Motor nur an guten Tagen überhaupt in Angriff nehme. Die ich an solchen mit großer Anstrengung und auch viel Konzentration schaffe und mich oben über den guten Tag freue.

Die fahre ich mit dem E-MTB relativ mühelos hoch, mehr oder weniger angestrengt, aber die ganz große Herausforderung fehlt dann doch – wie
auch die große Freude. Auch würde ich jederzeit unterschreiben, dass man mehr Höhenmeter in der gleichen Zeit erklimmt und umso mehr spannende Abfahrten in Angriff nehmen kann.

E-MTB Typen: Welches Mountainbike für wen?

Aber ich bin auch einfach gerne mit dem Rad in der Natur unterwegs und wenn es an einem Tag mal nicht so läuft, dann läuft es halt nicht. Dann ist meine Runde eben kürzer und ich lass die eine oder andere Auffahrt samt folgendem Downhill einfach weg. Kein Weltuntergang, blöde nur, wenn gefühlt gar nichts geht, weil der menschliche Akku leer ist. Da freut man sich dann doch über etwas Zusatzpower, und hier kommen für mich als ideale Option die Leicht-E-MTBs ins Spiel.

Das Vergnügen fängt schon an, wenn ich das Rad die wenigen Stufen aus dem Büro in den Hof trage. Um die 20 Kilo, eher deutlich weniger. Kein Unterschied zu einem schwer geratenen Endurobike – aber doch mit deutlich mehr Power. Der Motor schiebt sanft mit, lässt mir dabei das Gefühl, selbst ordentlich etwas zum Vortrieb beizutragen.

Bei 25 km/h schaltet der Antrieb ab – egal, denn das ist kaum spürbar. Ich trete gerne aktiv weiter, das leichte E-MTB mit entkoppeltem Antrieb läuft leicht dahin, wie ein gewöhnliches Fahrrad. Bergauf spüre die leichte, angenehme Unterstützung, nur an schlechten Tagen schalte ich in die höchste Stufe. Dabei ist mir bewusst, dass hier kräftig am kleinen Akku gesaugt wird.

Im verwinkelten Singletrail freue ich mich, wie leicht sich das Bike in die Kurve legen lässt, wie spielerisch es um jede Kehre zirkelt. Fühlt sich an wie ein „Biobike“ – das gefällt mir einfach. Bremsmanöver sind kein Gewaltakt und wenn es darum geht, millimetergenau um enge Kehren bergauf zu fahren, ist die Handhabung einfach klasse. Kurzum: das Leicht-E-MTB ist das perfekte Rad für mich, wenn ich mit Unterstützung fahren will.

Übrigens ist es auch das Bike der Wahl, wenn es darum geht, mangelnde Form bei der gemeinsamen Tour mit gut trainierten Bikern auszugleichen. Ein Full-Power-Bike ist dafür übermotorisiert.

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