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Sportwissenschaft: Darum sind E-Bikes die perfekten Sportgeräte

E-Bikes und Bewegung: Darum sind Pedelecs die perfekten Sportgeräte

Sportwissenschaft: Darum sind E-Bikes die perfekten Sportgeräte

Lange eilte Elektrorädern der Ruf voraus, nur bedingt sportliche Trainingszwecke erfüllen zu können. Schließlich gehe die Leistung mehr vom Motor denn vom Fahrer aus. Heute wissen wir: E-Bikes sind sogar mehr als die Ideallösung für Sporteinsteiger. Ein Gespräch mit Sportwissenschaftlern.
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Die Verkaufszahlen schießen weiter in die Höhe, das Bild im Stadtverkehr hat sich merklich verändert und auch die Bereitschaft, etwas tiefer in den Geldbeutel zu greifen, ist im vergangenen Jahr ebenfalls deutlich gestiegen.

Sportwissenschaft über das E-Bike

Kurzum: Das E-Bike ist vielleicht DER Mobilitätstrend unserer Zeit und überzeugte die 10.500 Teilnehmer einer Umfrage der Stiftung Warentest im zurückliegenden Sommer vor allem durch seinen Fahrspaß und die größere Tour-Reichweite gegenüber einem Zweirad ohne Motor.

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Klare Aussagen aus der Sportwissenschaft: Unter Berücksichtigung aller wichtigen Kriterien ist E-Bike-Fahren der perfekte Sport für Einsteiger und Fortgeschrittene.

Bei genauerer Betrachtung der Online-Umfrage fiel jedoch ein anderer Aspekt noch mehr ins Auge: Der am zweithäufigsten genannte Grund, kein Pedelec nutzen zu wollen, sei der fehlende Trainingseffekt.

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Sportwissenschaft widerlegt Vorurteil

Ein Vorurteil, das Elektroräder seit Anbeginn ihrer Existenz begleitet und Sportmediziner sowie -wissenschaftler immer wieder in ihren Forschungsarbeiten aufgegriffen haben.

Mit dem stets deckungsgleichen Ergebnis, dass E-Bike-Fahren sehr wohl einen Trainingseffekt mit sich bringt – und darüber hinaus sowohl für Einsteiger als auch ambitioniertere Sportler in vielerlei Hinsicht ein perfektes Trainingsgerät darstellt

Optimal für den Sport-Einstieg

Nachgefragt bei der Sportwissenschaft in Person von Professor Dr. Helmut Lötzerich von der Deutschen Sporthochschule Köln (DSHS), verweist dieser zunächst auf einige Untersuchungen, bei denen die Probanden mit gleicher Herzfrequenz oder Wattzahl sowohl mit dem E-Bike als auch Fahrrad unterwegs waren.

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Prof. Dr. Helmut Lötzerich arbeitet am Institut für Outdoor Sport und Umweltforschung der Deutschen Sporthochschule Köln.

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In der gleichen Zeit – und folglich mit identischem Energieaufwand – kamen die E-Bike-Fahrer etwa dreimal so weit, worin ein nicht unwesentlicher Motivationsfaktor für Einsteiger auszumachen wäre.

E-Bike Vorteil: Körpergewicht wird getragen

Ohnehin sei das Elektrorad für Sportnovizen in mehrerer Hinsicht prädestiniert, wie uns der Ergonomie-Experte Dr. Kim Alexander Tofaute erläutert. Ähnlich wie beim Schwimmen werde auch beim Radfahren das eigene Körpergewicht nicht selbst getragen.

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Dr. Kim Alexander Tofaute zählt zu den führenden Fahrrad-Ergonomie-Experten in Europa und hat mit der Ergon Fitting Box ein DIY-System für Endkunden entwickelt.

Schonend für Knie- und Hüftgelenke wären beide Bewegungsformen gleichermaßen. „Allerdings wird eine Technik benötigt, um ausdauernd zu schwimmen, welche die meisten nicht haben. Zudem fühlt sich nicht jeder im Wasser wohl“, schlägt sich der ehemalige Leistungssportler sowie Dozent der Deutschen Sporthochschule und Hochschule Hamm-Lippstadt klar auf die Seite der Elektroräder.

Joggen und Laufen oft keine Option

Das Laufen oder Joggen sei bei Übergewichtigen schlichtweg deshalb häufig keine Option, da das Kraft-Last-Verhältnis sehr ungleich wäre. Beim klassischen Radfahren könne dies ebenfalls zum Problem werden, wenn länger, intensiver oder in hügeliges Terrain ausgefahren werden würde.

E-Bike-Erlebnisse im Markgräflerland

„Wenn man so will, ist E-Bike-Fahren das Walking für Radfahrer“, bedient sich Tofaute eines anschaulichen Vergleichs, bevor Lötzerich konkret die Vorbereitungen auf den Sport-Einstieg erläutert, die vom Grundsatz her denen entsprechen, die es auch bei einem klassischen Fahrrad ohne
Motor zu beachten gelte.

Perfekte E-Bike Einstellungen

Angefangen von der richtigen Rahmenhöhe, sei bei älteren Menschen ein Tiefeinsteiger zu empfehlen, da beim klassischen Diamant-Rahmen während des Aufsteigens die Rotation des Körpers die Lendenwirbelsäule stark strapazieren würde.

Weiter gelte bei der Einstellung der Sattelhöhe das Motto: So hoch wie möglich, so tief wie nötig. „Viele fühlen sich unsicher, wenn sie nicht mehr mit beiden Füßen auf den Boden kommen“, beschreibt er eine weit verbreitete „Fehleinstellung“ und verweist auf seine Beobachtungen, dass die meisten ihren Sattel um bis zu fünf Zentimeter höher stellen könnten.

Schneller und effektiver E-Bike Fahren

Auch Tofaute, der diese Leistungen über sein Unternehmen Fitting-Expert anbietet und mit zahlreichen Radsport-Profis sowie dem Radhersteller Canyon zusammenarbeitet, hebt die essenzielle Wichtigkeit der korrekten Voreinstellungen am E-Bike hervor.

„Wenn man auf dem Sattel sitzt, die Kurbel leicht schräg nach vorne stellt und die Ferse auf das Pedal setzt, dann sollte das Bein gestreckt sein“, so der 50-Jährige. Weiter sollte die Hüfte waagrecht bleiben und nicht abkippen, ebenso der richtige Winkel im Kniegelenk hergestellt werden, um schneller und effektiver fahren zu können.

E-Bike Kontaktpunkte müssen passen

Lötzerich stellt diesbezüglich immer wieder fest, dass oft der komplette Fuß auf dem Pedal aufliegen würde. Richtig sei allerdings, nur den Fußballen aufzusetzen, um Bewegung im Sprunggelenk zu erzeugen und dadurch frühzeitigen Ermüdungen vorzubeugen.

Gerade bei Menschen mit Übergewicht sollten laut Tofaute die Kontaktpunkte Sattel und Lenkergriffe perfekt passen, da dort ein entsprechend hohes Gewicht aufliege und getragen werde.

„Ein Aspekt der auf dem E-Bike noch viel wichtiger ist, da dort die Sitzzeiten im Sattel, auch aufgrund hoher Akkureichweiten, deutlich länger sind, als dies auf einem Fahrrad ohne Motor der Fall wäre“, so der einstige zweifache MTB Vizeweltmeister, der sich nun der Sportwissenschaft verschrieben hat.

Experten vor Ort oder Online

Nach der Anpassung der Sattelhöhe spielt der Abstand zum Lenker eine maßgebliche Rolle bei der ergonomisch-fachgerechten Einstellung. Neben stationären Möglichkeiten im Fachhandel ging mit dem interaktiven Beschwerde- und Ergonomieberater RichtigRadfahren.de von Ergotec Ende März eine weitere virtuelle Beratung online.

Vorangegangen war eine enge Zusammenarbeit mit dem Radsportwissenschaftler Dr. Achim Schmidt, der ebenso wie Lötzerich im Institut für Outdoor Sport und Umweltforschung der DSHS arbeitet.

Erste Trainingsrunden fahren

Hat man sein zukünftiges Sportgerät optimal angepasst, stellt sich die Frage nach dem richtigen Einstieg. Oder besser gesagt: dem gesunden Start in fortan regelmäßig stattfindende Bewegungseinheiten.

Grundsätzlich sei es aus sportwissenschaftlicher Sicht so, dass bei sportlicher Ertüchtigung vor allem Übergewichtige sehr schnell ihre greifbaren Energievorräte aufgebraucht hätten, da stets am Anschlag gefahren werde, erklärt Tofaute.

E-Bike Fahren schont Kohlenhydratspeicher

Da könne schnell nach 30 bis 60 Minuten „der Ofen aus“ sein. „Mit dem E-Bike würde man hingegen in einem anderen Intensitätsbereich fahren, in dem Kohlenhydratspeicher geschont werden.

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„Ernährungswissenschaftlich sieht es so aus, dass ein Übergewichtiger zwar Kalorien ohne Ende hat, aber an diese kurzfristig nicht drankommt“, erläutert Tofaute und schlussfolgert, dass langsameres Fahren daher mehr beim Abnehmen helfen würde, als zügiges In-die-Pedale-Treten.

Wichtiger Aspekt: der Sitzkomfort

Beim Thema Sitzkomfort verweist Lötzerich darauf, dass man sich Eingewöhnungszeit geben solle. Er selbst spreche da aus eigener Erfahrung, wenn er im Frühjahr nach längerer Zeit mal wieder auf
sein Rennrad steigen würde.

„Da kann es schon mal bis zu fünf Einheiten dauern, bis ich ohne Sitzbeschwerden fahre“, berichtet der 63-Jährige und stellt den heutigen Sattelherstellern grundsätzlich ein überzeugendes Zeugnis aus. Nicht zuletzt, da die namhaften Sattelhersteller wie beispielsweise Selle Royal, bei der Entwicklung immer mehr auf sportmedizinische Erkenntnisse zurückgreifen, um ihre Produkte zu perfektionieren.

In unserer Ausgabe 1/2021 sprachen wir hierzu mit Dr. Boris Feodoroff von der DSHS, der bei der Scientia-Linie der Italiener maßgeblich mit seiner wissenschaftlichen Expertise mitgewirkt hatte.

E-Bike als Trittfrequenztrainer

Endlich auf dem E-Bike für die erste Trainingsrunde Platz genommen, empfiehlt Lötzerich sich langsam durch die einzelnen Unterstützungsstufen des Antriebes zu schalten.

Auch bei einer möglichen Anfahrhilfe sollte man sich etwas Eingewöhnungszeit, vor allem wenn Trainingsrunden durch städtische Gefilde mit Ampeln verlaufen, zugestehen.

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Ebenfalls ein wichtiger Aspekt: Autos würden einen anders wahrnehmen, da nicht jedem sofort ersichtlich wäre, dass man mit Motorunterstützung bis 25 Stundenkilometer unterwegs sei.

E-Bike Vorteil: permanentes Pedalieren

Anschließend kommt der Sportwissenschaftler auf den entscheidenden Faktor zu sprechen, der das Elektrorad zum perfekten Trainingsgerät macht: das permanente Pedalieren.

Beim klassischen Fahrrad beobachte er oft, dass vorne im großen Kettenblatt und hinten im kleinsten Ritzel gefahren werde. Dies führe dazu, dass mit „voller Pulle“ angetreten und sich anschließend rollen gelassen werde.

Sportwissenschaft: Trittfrequenz ausgeglichen

„Radfahren bedeutet aber vielmehr, dass man immer im gleichmäßigen Rhythmus in die Pedale tritt“, erläutert Lötzerich und verweist darauf, dass Radprofis etwa eine Trittfrequenz von 100 pro Minute aufweisen.

Laien kämen im Schnitt hingegen gerade einmal auf 15 Umdrehungen. Das E-Bike ließe derartige Ungleichmäßigkeiten quasi nicht zu, da der Motor nur einsetze, wenn getreten werde. Ein großer Pluspunkt gegenüber dem klassischen Fahrrad, wie auch Tofaute zu bestätigen weiß.

Belastungen im Blick behalten

Stellt sich abschließend die Frage nach der Dosierung und möglichen Leistungsparametern, die der Fahrer im Blick behalten sollte.

Laut Lötzerich sei „sich noch unterhalten zu können“ ein guter Messwert, da in einem solchen Fall eine „moderate Belastung“ vorliege. Eine Pulsuhr würde das zusätzlich sichtbar machen – und ein Herzschlag von 120 bis 130 pro Minute vollkommen in Ordnung sein.

Tofaute verweist auf digitale Powermeter, um seinen Puls sowie die eigene Tagesform im Blick zu haben. „Fährt man eine Brücke hoch, reagiert der Puls erst etwas zeitversetzt und oft erst bei der Abfahrt“, benennt er ein Beispiel aus der Praxis.

Sportwissenschaft rät: Langsam starten

Weiter empfiehlt der 50-Jährige, mit einer 60-minütigen Ausfahrt zu starten. Oft können sich auch bereits nach einer halben Stunde erste Müdigkeitserscheinungen bemerkbar machen. Treten Schmerzen in Gelenken auf, läge dies meistens an einer falschen Einstellung des E-Bikes.

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Starker Muskelkater wäre hingegen auf eine Überbelastung zurückzuführen. Ein wichtiges Element eines erfolgversprechenden Trainingsstarts: Ruhetage. „Ich rate, nach dem ersten Tag eine Pause einzulegen.

Anschließend zwei Tage fahren und wieder einen Tag regenerieren“, sagt Lötzerich, der fortführend eine kontinuierliche Steigerung empfiehlt.

Ausdauersport auf dem E-Bike

Dass gezieltes Ausdauertraining mit elektronischer Unterstützung perfekt umzusetzen wäre, erläutert Tofaute zum Abschluss unseres Gespräches einleuchtend.

Der entscheidende Begriff sei Ausdauer, also etwas, das man lange machen könne. „Auf dem E-Bike schont man Energievorräte und hält das Müdigkeitslevel relativ lange gering“, so der 50-Jährige, bevor er ein Beispiel benennt: „Jemand fährt normalerweise zwei bis drei Stunden, mit dem E-Bike sind nun vier bis fünf möglich“.

In der Regel sei man dann auch in besseren Energie- und Stoffwechselbereichen unterwegs. Weiter fährt der Fahrer dynamisch, so die Sportwissenschaft.

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