Irland mit dem E-Bike: Den irischen Südwesten erkunden

Irlands Südwesten mit dem Fahrrad erkunden

Irland mit dem E-Bike: Den irischen Südwesten erkunden

Im Spätsommer begaben wir uns auf Entdeckungstour im irischen Südwesten. Mit zurück brachten wir Eindrücke einer Reise, die nicht in einen einzigen Bericht passen. Teil 1 unserer Radreise über die Grüne Insel.
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Was für ein Ausblick! Wir stehen auf dem Seefin, der höchsten Erhebung der Ballyhoura Mountains. Wir sind zu Fuß auf den Berg gestiegen, denn seine Flanken sind zu steil für unsere Trekkingräder. Die haben wir am Fuß des kurzen Pfads zum Gipfel angekettet, denn den Ausblick hier oben wollen wir uns nicht entgehen lassen. Unter uns erstreckt sich eine irische Bilderbuchlandschaft. Das gesamte County Limerick liegt uns zu Füßen. Wir sind kurz vor der Dämmerung, an unserem ersten Abend in Irland, hier hochgewandert. Der beeindruckende Ausblick weckt große Vorfreude. Wir können es kaum erwarten, die in unzähligen Grüntönen gesprenkelte Landschaft auf unseren Fahrrädern zu erkunden.

Begonnen hat unsere Tour durch den Südwesten Irlands bei Derick Davoren in Tullamore. Der Fahrradmechaniker ist der Canyon-Außenposten in Irland und damit erster Ansprechpartner für die dortigen Kunden der Koblenzer. Er hat die alte Scheune hinter seinem Wohnhaus zu einer hochmodernen Fahrradwerkstatt ausgebaut. Hier übergibt er uns zwei Canyon Pathlite:ON-Bikes, mit denen wir Irland erkunden werden. Außerdem hat er einige gute Tipps zum Radfahren in Irland parat. Zuvorderst natürlich: „Fahrt links! Das gilt nicht nur für Autos, sondern auch für Fahrradfahrer“, sagt er augenzwinkernd. Und dass dieser Tipp kein schlechter ist, erfahren wir schon an unserer nächsten Station, Kilmallock. Denn als Kontinentaleuropäer fahre ich direkt nach dem Aufsatteln in den erstbesten Kreisverkehr nach rechts hinein – und setze mich damit dem Spott meiner Mitfahrerin Ulrike aus. Die fahrradbegeisterte Archivarin, die auf der Tour auch fotografieren wird, ist genau wie ich zum ersten Mal in Irland. Anders als ich hat sie Dericks Rat sofort verinnerlicht. Zum Glück kommt kein Auto, etwas erschrocken sind wir aber schon. Lektion gelernt, das passiert mir in den nächsten Tagen nicht mehr.

Doneraile auf halber Strecke des Cycle Loop 1 bietet zahlreiche Einkehrmöglichkeiten.

Kilmallock: Irisches Bilderbuchstädtchen

Das mittelalterliche Städtchen Kilmallock ist ein irisches Bilderbuch: Gotische Klosterruine, Stadttore aus Bruchsteinen, eine Hauptstraße gesäumt von einladenden Pubs mit bunten Fassaden. Die Tresen aus schwerem, dunklem Holz müssen aber noch warten. Zuerst steht „Cycle Loop 1“, die südliche der vier Hauptrouten, auf dem Programm. Zusammen mit zahlreichen Nebenrouten ergeben sie den Ballyhoura Cycle Hub mit mehr als 400 Kilometern ausgewiesenen Radwanderwegen. Unsere Tour führt uns hinein in die Ballyhoura Mountains, die dem Cycle Hub seinen Namen geben.

Recht untypisch sind die Hänge dieses kleinen Mittelgebirges bewaldet. Das sanft geschwungene Vorland hingegen ist Irland-Klischee pur: Wiesen und Weiden, umgeben von Trockensteinmauern, versprenkelte Weiler, Rinder und Schafe. Wir können uns kaum satt sehen, denn hinter jeder Biegung der schmalen, kaum von Autos befahrenen Sträßchen eröffnen sich neue Eindrücke. Hier ein uraltes, verwittertes Wegkreuz, dort eine eingefasste, kleine Quelle oder ein altes Brückchen über einen mäandernden Bach. Die Luft Ende August ist frisch und klar, leicht über 20 Grad warm. Eine wahre Wohltat nach den Hitzewochen in Deutschland. Unser Weg führt uns zuerst immer gen Süden durch diese liebliche Landschaft. Die Wälder der Ballyhoura-Berge lassen wir vorerst links liegen. Nach knapp der Hälfte der 71 Kilometer langen Rundtour erreichen wir Doneraile; Zeit für eine ausgiebige Mittagsrast. Und wie offensichtlich fast überall in Irland haben wir auch hier die Qual der Wahl: Eine stattliche Zahl Pubs und Cafés gibt es an der Main Road, die sich schnurgerade durch den Ort zieht. Wir entscheiden uns für das Café Arch Stores. Denn vor der Tür steht ein Bänkchen mit einem Tisch. So haben wir die Räder immer im Blick und können das Mittagstreiben auf der Hauptstraße beobachten. Uns fällt ein kleiner Torbogen neben dem Café auf. Junge Mütter mit ihren Kinderwägen, ältere Spaziergänger und einige Fahrradfahrer schlüpfen hinein. Uns packt die Neugierde. Nach Kaffee und hausgemachten Pies schieben auch wir unsere Räder in den Durchgang. Er führt zum Doneraile­Park, einem beliebten Naherholungsgebiet mit Wildpark.

Durch den Wald hinauf in die Berge

Nach dem Abstecher in den weitläufigen Landschaftspark mit einem über der Anlage ruhenden, stattlichen Herrenhaus wenden wir uns nach Norden. Vor uns ragen nun direkt die Ballyhoura Mountains auf. Nach etwa sechs Kilometern erreichen wir den Waldrand und damit den einzigen nennenswerten Anstieg der Tour. Mit den Canyon-Bikes und ihren 750-Wattstunden-Akkus ist die Tour gar kein Problem. Im Tour+-Modus des Bosch-Antriebs fahren wir mit entspanntem Schub die Straße hinauf bis zur Durchfahrt zwischen dem Coolfree Mountain und dem Seefin, mit 528 Metern die höchste Erhebung der Ballyhouras. Dort öffnet sich auch der Wald wieder und gibt den Blick von oben frei auf die typisch irische Kulturlandschaft.

Am Horizont fällt unser Blick auf das in der Nachmittagssonne rötlich schimmernde Castle Oliver. Das viktorianische Anwesen ist in Privatbesitz, daher lässt es sich nur von der Ferne betrachten. Trotzdem ist das opulente Schloss wert, ins Auge gefasst zu werden. Denn der exponierte Standort mit weitem Blick übers Land zeugt von der Kolonialgeschichte Irlands: Das Haus geht auf den Offizier Robert Oliver aus Cromwells Armee zurück. Die englischen Soldaten eroberten Irland ab 1649 zurück, Cromwell zog dabei eine Schneise aus Blut und Schrecken quer über Irland. Wer einen kleinen Abstecher einlegen will: Von der Hauptroute des Loop 4 aus ist Oliver’s Folly, ein ebenso markanter Ruinenbogen oberhalb von Castle Oliver, erreichbar. Von dort sind die Ländereien des Schlosses gut zu überblicken.

Dieses Irland Gefühl!

Vor dem Abzweig aber steht eine durchaus rasante Abfahrt an. An deren Fuß führt uns der Weg sanft geschwungen durch Felder und kleine Wäldchen in einem großen Bogen nach Ardpatrick. Fast 60 Kilometer haben wir inzwischen zurückgelegt, die Tour neigt sich dem Ende, wir aber wollen noch einmal einkehren. Denn Ardpatrick sollte kein Radfahrer links liegen lassen. Das beweist schon das Fahrraddenkmal in der Ortsmitte. Ein kleines Stück die Straße rauf freuen wir uns auf die große Terrasse des Spruce & Willow. Das Geschwisterpaar, das dieses urige Café mit Kneipe führt, hat nicht nur selbstgebackene Kuchen und wirklich guten Kaffee im Angebot, sondern natürlich auch alle nur denkbaren deftigen Spezialitäten und frisch gezapftes Guinness, ohne die ein Pub-Besuch nur halb so schön ist. Zum Abschluss der Tour gönnen wir uns je ein Pint des tiefschwarzen Stouts mit der cremigen Schaumkrone. Beim Blick von der Terrasse hinüber zu den Ballyhoura Mountains, in der Hand das kühle Guinness, spüren wir dieses vielbesungene Irland-Gefühl. Wir können die kommenden Tage kaum erwarten. Nach einer erholsamen Nacht und einem üppigen Frühstück im Deebert House holen wir unsere Räder aus dem Fahrradkeller. Dort standen die Bikes sicher, die Akkus luden über Nacht auf. Das inhabergeführte Hotel am Stadtrand von Kilmallock ist bestens auf radfahrende Gäste eingestellt. „Wollt ihr ein kleines Lunchpaket?“, ruft uns Margaret vom Rezeptionstresen noch zu. Doch heute haben wir eine etwas kleinere Runde geplant, daher lehnen wir dankend ab.

Fast 5000 Jahre alt ist der Grange Stone Circle am Lough Gur. Es ist der größte Steinkreis Irlands.

Auf Loop 3 zum Lough Gur

Unser Ziel erreichen wir über sanfte Hügel und auf selten befahrenen Nebenstraßen auf einem Teilstück des Loops 3: der berühmte Lough Gur. Wir haben die eigentlich 61 Kilometer lange Rundtour etwas verkürzt, denn wir wollen viel Zeit an dem hufeisenförmigen See verbringen. Er ist eine der wichtigsten archäologischen Stätten Irlands. Überreste aus mehr als 10.000 Jahren Besiedlungsgeschichte finden sich an seinen Ufern, darunter der größte Steinkreis von ganz Irland, der knapp 5000 Jahre alte Grange Stone Circle mit 113 teils tonnenschweren Steinen und 46 Metern inneren Durchmessers. Im Besucherzentrum von Lough Gur wird das geschichtsträchtige Gebiet für Erwachsene, aber besonders auch für Kinder, greifbar.

Wir nehmen uns viel Zeit, um die vielen Sehenswürdigkeiten zu besuchen und deren einmalige Atmosphäre auf uns wirken zu lassen. Schade, dass es keinen Rundweg um den See gibt. Das liegt am komplizierten irischen Wegerecht (Irland ist zu 95 Prozent in Privatbesitz), teils sumpfigem, für den Naturschutz wichtigem Gelände und einigen noch nicht abschließend ergründeten archäologischen Fundstellen am Seeufer. Weil das unbefugte Befahren fremden Grundes nicht gerne gesehen ist, finden im Umkehrschluss gerade E-Biker in Irland ein wahres Paradies vor. Das offizielle Wegenetz ist engmaschig, die kleinsten Seitensträßchen sind in gutem Zustand. Auf dem Sattel sitzt man gerade hoch genug, um bequem über die Steinmauern am Wegesrand blicken zu können. Hier herrscht durchweg sehr wenig Verkehr, jeder Radfahrer kann also guten Gewissens seinen Blick schweifen lassen.

Wir verlassen den Ballyhoura Cycle Hub nicht ohne Wehmut. Denn die Landschaft hier im Herzen der Insel ist vielfältig, einige der Höhepunkte, etwa Loop 2 mit dem Ziel Glen of Aherlow, verpassen wir leider. Und doch sind wir voller Vorfreude, denn auf uns wartet das Meer. Ziel ist die wilde Westküste, The Burren und die Cliffs of Moher. Darüber lesen Sie im zweiten Teil unseres Reiseberichts.

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