Ciclovia del Sole: Genusstour auf der Sonnenroute in Italien

Radfahren in der Emilia Romagna: Genusstour von Mirandola nach Bologna

Ciclovia del Sole: Genusstour auf der Sonnenroute in Italien

Die norditalienische Region Emilia-Romagna ist eine attraktive Fahrrad Destination. Wir waren auf dem neu ausgebauten Teilstück der Ciclovia del Sole unterwegs.
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Mittelalterliche Städte, reichhaltige Kulinarik und gemütliches Pedalieren durch das Tiefland der Po-Ebene. Die norditalienische Region Emilia-Romagna ist für Radfahrer schon immer eine attraktive Destination. Jüngst ist der Radweg von Mirandola nach Bologna ausgebaut worden – und wir sind auf dem Teilstück der Ciclovia del Sole in den Genuss einer vorbildlichen Radinfrastruktur gekommen.

Ciclovia del Sole: Genussroute von Mirandola nach Bologna

Die vereinzelt aus der milden Septembernacht verbliebenen Wolken haben sich pünktlich zu unserer Ankunft an der Bahnstation Mirandola verzogen. Kaum schieben wir unsere Bikes aus dem von Bologna kommenden Regionalzug auf den Bahnsteig, ist der Himmel blau. Es ist neun Uhr morgens – und die Sonne scheint.

„Ihr habt doch hoffentlich nichts anderes erwartet?“, scherzt Andrea Accorsi zur Begrüßung in Anspielung darauf, dass er für die kommenden zwei Tage unser Guide auf der Ciclovia del Sole, zu Deutsch: Sonnenroute, sein wird.

Der 55-Jährige könnte uns weitaus mehr über die EuroVelo 7 berichten als ausschließlich über das uns bevorstehende 50 Kilometer lange Teilstück von der knapp 25.000-Einwohner-Kleinstadt Richtung Südosten nach Bologna.

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Blick auf Streckenverlauf der Ciclovia del Sole zwischen Mirandola und Bologna.

Ist der ehemalige Ultramarathonläufer und heutige Ultracycler doch vor Jahren die kompletten rund 7400 Kilometer von Malta hoch zum Nordkap in nur 19 Tagen mit dem Fahrrad gefahren.

Genussfahrt in der Emilia Romagna

Jetzt stehe aber der Genuss im Vordergrund, räumt Accorsi aufkommende Zweifel ob der vielleicht zu überambitioniert angepeilten Tour-Geschwindigkeit glaubwürdig aus, bevor wir in die Pedale treten und auf einem bestens geteerten Radweg parallel zur Bahnstrecke losrollen.

Dass die Strecke bis Bologna quasi schnurgerade verläuft, hat einen guten Grund, der sich spätestens nach 15 Kilometern erschließt, als die ehemalige Bahnstation Bolognina in der Ferne erkennbar ist.

„Hier, wo wir gerade radeln, sind bis vor 20 Jahren noch Züge gefahren“, klärt Accorsi auf und erläutert, wie nach dem Neubau der Bahntrasse ein paar Meter versetzt, auf der alten, der Radschnellweg Stück für Stück Formen annahm.

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Die Sonnenroute verläuft auf dem Damm einer ehemaligen Eisenbahnstrecke.

Ciclovia del Sole: Service-Stationen im Zehn-Kilometer-Takt

Als zusammenhängender Teilabschnitt sei die Strecke Anfang April 2021 eingeweiht worden und hätte außerdem eine perfekt auf Radfahrer zugeschnittene Infrastruktur zu bieten.

Denn: Alle zehn Kilometer ist eine überdachte Service-Station errichtet, die neben einer Standpumpe, üblichen Werkzeugen auch Steckdosen zum Smartphone-Laden und einen Trinkwasser-Spender zu bieten hat.

Außerdem einen Defibrillator für medizinische Notfälle und zu guter Letzt Tische und Bänke zum ausgiebigen Pause machen, Innehalten und an einem immer sonniger werdenden Septembervormittag, wie wir ihn in diesen Sekunden erleben, im Hier und Jetzt die Ruhe zu genießen.

Auch mit diesem durchdachten Konzept hätte Accorsis Wohnort Crevalcore einen spürbaren Anstieg an Radtouristen zu verzeichnen.

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Im Abstand von zehn Kilometern sind Service-Stationen mit Werkzeug, Luftpumpe, Steckdosen sowie einem Defibrillator errichtet.

Erster Stopp in Crevalcore

Die Gemeinde ist mit ihrem historischen Zentrum nach knapp 20 Kilometern die erste urbane Sehenswürdigkeit auf unserer Strecke. Vorher ändert sich das Landschaftsbild jedoch nochmals eindrucksvoll von flachem Ackerland und grüner Baumlandschaft am Wegesrand in das vollständig der Natur überlassene Naturschutzgebiet Vasche Ex-Zuccherificio Crevalcore auf dem Gelände einer ehemaligen Zuckerraffinerie.

Von diesen Arealen gebe es einige in der Emilia-Romagna, erläutert Accorsi und fügt an, dass diese dem ökologischen Gleichgewicht in der Region zuträglich sind. Nachdem die Zuckerfabrik im Jahr 1985 geschlossen wurde, lag die Fläche lange brach.

Aber: Die Natur hätte sich den Raum Stück für Stück zurückgeholt. Irgendwann wäre zudem ein Storchenpaar ansässig geworden, das bis heute eine große Attraktion für Naturliebhaber sei. Außerdem hätten sich zahlreiche seltene Wildarten angesiedelt, die allesamt nur durch wenige Aussichtsplattformen um das Naturschutzgebiet verteilt beobachtet werden können.

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Auf dem Gelände einer alten Zuckerfabrik ist heute das Naturschutzgebiet Vasche Crevalcore Heimat zahlreicher Vogelarten.

„Ein Fernglas habt ihr sicher nicht dabei, vielleicht erkennt ihr aber trotzdem ein paar Tiere durch die Sichtschlitze“, überlässt uns Accorsi ein paar Minuten den beeindruckenden Naturbeobachtungen, bevor wir pünktlich zur Mittagszeit zur Azienda Agricola Valle Torretta, einem vegetarischen Agriturismo, weiterradeln.

Vegetarische Küche im Künstlerhaus

Dort lassen wir uns von einer hausgemachten Pasta und Soße aus lokal angebautem Gemüse verköstigen und erfahren dabei Interessantes über das ebenfalls auf dem Gelände beheimateten Sementerie Artistiche, eine Vereinigung, die Theateraufführungen, Workshops und künstlerische Residenzen organisiert.

Gut gesättigt und mit einem standesgemäß nach dem Essen servierten Espresso wieder auf Touren gebracht, radeln wir ausnahmsweise zügig die wenigen bis zum Stadtzentrum Crevalcores verbleibenden Kilometer.

Ciclovia del Sole: Zähler für Radfahrer

„Den Bürgermeister sollten wir nicht warten lassen“, ist von unserem Guide an der Spitze der Reisegruppe die Geschwindigkeit vorgebend zu hören. Der herzlichen Begrüßung von Marco Martelli folgen Ausführungen darüber, was der Ausbau der Sonnenroute für seine Gemeinde für Veränderungen mit sich gebracht habe.

„Nur gute“, fasst er eingangs mit einem Grinsen im Gesicht zusammen, bevor er ins Detail geht. Seit April 2021 hätte ein großer, für jeden Fahrer beim Vorbeiradeln sichtbaren, Zähler auf der Strecke knapp 8000 Radler beziffert.

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Entlang der Route ist bei Crevalcore ein Zähler aufgebaut, der die bislang auf der Sonnenroute unterwegs gewesenen Anzahl Radfahrer dokumentiert.

Sonntags sei er mit seinem Bike selbst regelmäßig einer davon. In Hotels und Restaurants wäre ein sehr starker Anstieg an Gästen zu verzeichnen, hier profitiere man davon, dass die Route direkt durch die Gemeinde gehe. Ob Crevalcore vorbereitet sei, wenn die Zahl der Radfahrer in den kommenden Jahren weiter steigen würde?

„Natürlich werden wir die Infrastruktur innerhalb der Stadt anpassen“, antwortet der 62-Jährige. Im knapp zehn Kilometer südlich liegenden San Giovanni in Persiceto werde beispielsweise ein weiteres B&B gebaut.

In Crevalcore stünden für eines bereits private Investoren bereit. Ebenso plane man neue Info-Points für Radwege, beispielsweise an einem ehemaligen Paper Shop.

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Crevalcores Bürgermeister Marco Martelli (r.) im Gespräch mit unserem Redakteur.

Warum Crevalcore alles andere als eine Durchfahrtsstation auf einer Radtour sein sollte, bekommen wir anschließend bei einer Stadtführung eindrucksvoll präsentiert. Zum Beispiel, als wir an der Statue von dem berühmten Sohn der Stadt Marcello Malpighi stehen. Einem Arzt, der im 17. Jahrhundert als erster den Unterschied zwischen
Arterien und Venen entdeckte.

Besuch im kleinsten Museum Italiens

Nur wenige Schritte weiter stehen wir vor dem kleinsten Museum Italiens – dem Puppenmuseum Leo Preti. Hier ist in nur einem einzigen Raum neben knapp 80 Figuren auch eine große Sammlung an Kulissen des einstigen örtlichen Puppenbauers, der von 1903 bis 1969 lebte, ausgestellt.

All dies ist Zeugnis einer Tradition, die in der Emilia-Romagna rund um Bologna verwurzelt und mit der Komödie der Kunst verbunden ist.

Preti beobachtete vor Aufführungen regelmäßig Tage vorher das Treiben auf belebten Plätzen, um diese Szenen vor seinem Publikum nachzuspielen – das sich nicht selten in kabarettartigen Zuspitzungen wiedererkannte.

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Besuch im Puppenmuseum Leo Preti in Crevalcore – dem kleinsten Museum Italiens.

Nachdem wir ausgiebig in die der Unterhaltung dienende Kultur Crevalcores eingetaucht sind, rollen wir mit unseren Bikes knapp fünf Kilometer nach Ronchi, wo auf dem 26.000 Quadratmeter großen Gelände der gleichnamigen Villa ein Herrenhaus aus dem 15. und 18. Jahrhundert sowie Kirche mit elliptischem Grundriss stehen.

Dass dies eigentlich an ein Wunder grenze, erfahren wir vor Ort von Mauro Caselli, der hier regelmäßig kostenlose Besichtigungen des Geländes gewährt und eine Menge über die Villa zu erzählen hat.

Wie an vielen Bauwerken im nördlichen Teil der Emilia-Romagna, sind auch an der Villa Ronchi die Spuren jenen frühen Morgens im Mai 2012 noch heute unübersehbar.

Spuren des schweren Erdbebens von 2012

Damals erschütterte ein Erdbeben der Stärke 5,9 kurz nach vier Uhr morgens die Provinzen Bologna, Reggio Emilia, Modena und Ferrara. Die Region um Crevalcore habe es am heftigsten getroffen, berichtet Caselli. Neun Tage später zitterte gegen neun Uhr in der Früh die Erde erneut – mit einer nahezu ähnlichen Stärke auf der Richterskala.

Im Anschluss wären knapp 1000 Wohnungen unbewohnbar und auch die Villa Ronchi zunächst aufgrund akuter Einsturzgefahr unbegehbar gewesen. Und ist dies für Besucher heute noch – obgleich uns Caselli einen vorsichtigen Blick durch die hölzerne Eingangstür auf die Wandgemälde von Agostino Carracci gewährt.

Der damals 18-Jährige habe im 15. Jahrhundert Stadtbilder von Rom, Paris, London oder München farbig an die Wand gemalt.

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Gezeichnet vom schweren Erdbeben aus dem Jahr 2012: Die Villa Ronchi ist ein Gebäude aus dem 15. Jahrhundert und kann nur noch von außen besichtigt werden.

Ausschließlich auf Grundlagen von Erzählungen oder Büchern, ohne selbst jemals vor Ort gewesen zu sein. Während wir eifrig raten und überlegen, welches Gemälde diese oder jene bedeutende Stadt der damaligen Zeit darstellen könnte, weist uns Guide Andrea Accorsi auf den schon bald bevorstehenden Sonnenuntergang hin.

Füße hochlegen im Country Hotel

Die Zeit ist schnell vergangen – und noch knapp 20 Kilometer zu unserer Unterkunft im Il Bucchio Country Hotel am idyllischen in den Feldern gelegenen Ortsrand von San Giovanni in Persiceto und dortigem Abendessen zu radeln.

„Keine Sorge, einen kraftraubenden Anstieg braucht ihr nicht zu befürchten“, scherzt Accorsi und verweist nochmals darauf, dass auf der Ciclovia del Sole bis Bologna konstant die Höhe von zehn Metern über dem Meeresspiegel gehalten werde.

Bei Einbruch der Dämmerung unser Tagesziel erreicht, stellen wir die Räder nach 60 Kilometern in einen Fahrrad-Schuppen, bevor wir nach einem reichhaltigen Abendessen mit hausgemachten Tortellini – gefüllt mit Fleisch vom lokalen Bauernhof – geschafft, aber glücklich ob der zahlreichen interessanten Eindrücke des ersten Tages in die Federn fallen.

Romanische Kirche in Sala Bolognese

Den Startschuss für unseren zweiten Tag, als wäre es anders zu erwarten gewesen, erteilen uns die wärmenden Sonnenstrahlen dieses Septembertages zum Ende unseres Frühstücks mit einem Cappuccino in der Hand haltend auf der gemütlichen Terrasse des Hotels.

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Die romanische Basilica di Santa Maria Annunziata e San Biagio in Sala Bolognese.

Los geht es heute zunächst mit einem ganz entspannten Einrollen knappe zehn Kilometer südlich in die 8500-Einwohner-Gemeinde Sala Bolognese. Der Grund hierfür: die im Jahr 1096 in seiner heutigen Größe erbaute Basilica di Santa Maria Annunziata e San Biagio in typisch romanischem Stil.

Der Bau der kleinen Ursprungskirche, so erfahren wir vor Ort von Pfarrer Marco Cippone, datiert aus etwa 300 nach Christus.

Kirchenrundgang in Sala Bolognese

Der große Unterschied zum gotischen Stil sei vor allem in den Doppelbogen-Fenstern, die dem Joch eines Ochsen ähneln, zu erkennen. Das Kircheninnere sei bewusst sehr dunkel gehalten, die Fenster eher schmal. „Typisch für romanischen, aber auch gotischen Stil“, erläutert Cippone bei unserem Rundgang, während wir den Kirchenboden entlang über in Fischschuppen angeordnete Steine laufen.

Ein christliches Symbol sei das, genau wie der wichtigste Gegenstand jeder Kirche – der Altar. Die drei Glocken würden, so führt Cippone zum Abschluss aus, nur dreimal pro Jahr im Juni, November und Februar läuten. Um diese überhaupt erst in Bewegung zu setzen, würden jedes Mal zwölf Personen benötigt.

Ciclovia del Sole: Agriturismo & Historie von San Giovanni

Nach einem Espresso-Stopp, italienisch stilecht im Stehen an der Bar, begleiten uns angenehme 17 Grad und Sonnenschein weitere 14 Kilometer weiter zum Landwirtschaftsbetrieb Azienda Agricola Caretti, wieder in die Nähe von San Giovanni in Persiceto.

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Die auch als EuroVelo 7 bekannte Ciclovia del Sole erstreckt sich vom Land der Mitternachtssonne auf insgesamt 7400 Kilometern bis zu den zahlreichen Inseln des Mittelmeers.

Mittagessen steht auf dem Programm: Salami, Schinken, Parmesan – alles vom eigenen Hof. Dazu ebenfalls selbst gemachter Balsamico sowie Olivenöl. Essen und Genießen – das können die Italiener eben. Und, wie wir hier zwei interessante Tage lang erleben, neue Radwege auf alten Bahntrassen bauen und an attraktive Sehenswürdigkeiten und Naturschutzgebiete gut und durchdacht anbinden.

Historisches Stadtzentrum in San Giovanni

Im Anschluss sind wir mit Miriam Forni zu einer Stadtführung durch San Giovanni verabredet. Selbst in der knapp 30.000-Einwohner-Gemeinde aufgewachsen, kann sie uns fast alles über die Geschichte, die Bauwerke und das historische Stadtzentrum an sich erzählen.

Die Wandmalereien von Gino Pellegrini beispielsweise, der nach einem Architekturkurs in Los Angeles später als Bühnenmaler arbeitete, seien in den 1980er und 1990er Jahren auf dem Piazzetta degli Inganni in beeindruckendem Trompe-l’oeil-Stil realisiert worden.

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Guide Andrea Accorsi (r.) will Radfahren-Redakteur Tobias Jochims die italienische Lebensart nicht vorenthalten und lädt regelmäßig zum Espresso-Stopp an einer Bar ein.

Dabei handelt es sich um optische Täuschungen, die auf die Häuser rund um die Piazza Betlemme gemalt wurden. Zu sehen sind dort beispielsweise typische Produkte aus der regionalen Landwirtschaft wie Honig- und Wassermelonen. Ähnlich wie in Bologna, prägen auch zahlreiche Arkaden das Stadtbild. Vor dem 19. Jahrhundert seien es laut Forni noch viel mehr gewesen. Nach der industriellen Revolution wurde hier allerdings viel Stahl produziert und die engen Gassen für Transportfahrzeuge entsprechend verbreitert.

Themen-Routen für Radfahrer in San Giovanni

Klein-Manchester habe man San Giovanni genannt – und eben zahlreiche Arkaden in der Innenstadt zum Abriss freigegeben. Dass das Stadtbild im 21. Jahrhundert vor allem durch das Fahrrad geprägt sei, habe eine Menge mit der Infrastruktur und verschiedenen Themen-Routen zu tun.

„Wir haben, ähnlich einem Busfahrplan, insgesamt acht Routen entwickelt, die thematisch durch San Giovanni führen“, erläutert Forni und führt weiter aus, dass sich Touristen per QR-Code Audiodateien auf ihr Smartphone herunterladen könnten. Die sie dann während der Radtour durch die Stadt begleitend zum jeweiligen Thema hören.

Linie 1 sei beispielsweise die kulturelle Route, Linie 2 befasse sich mit Landwirtschaft, den Bauern und der Gastronomie von San Giovanni.

La Bora: Ökologisches Ausgleichsgebiet

Dann ruft Accorsi unsere letzte Station des Tages aus und wir radeln an den Stadtrand, wo wir ein weiteres Mal Einblicke in ein Naturschutzgebiet auf dem Gelände einer alten Ziegelfabrik bekommen.

Hier erklärt uns Andrea Morisi, dass die Landschaft in den 80er Jahren maßgeblich von Häusern, Industrie und Landwirtschaft geprägt gewesen sei. 1990 beschloss man daher mit La Bora ein Naturschutzgebiet einzurichten und neue Bäume zu pflanzen. Rund um den See, aus dem früher der Lehm für die Fabrik abgebaut wurde, siedelten sich in den Folgejahren fünf Reiherarten in über 200 Nestern an.

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In einer Aufzuchtstation für Schildkröten werden geschlüpfte Babys bis zum dritten Lebensjahr gehalten. Diese ist drei Tage alt und hat die Größe einer Euromünze.

„Die größte Ansammlung in der Provinz Bologna“, erläutert Morisi und berichtet, dass heute neben Hasen sogar ein Wolf hin und wieder in La Bora gesichtet wird. Oft empfange er Studenten, um zu veranschaulichen, wie sich Bäume in Ökosysteme einbetten. Aus dem Apennin werde immer wieder altes Holz geholt, das sich zu fruchtbarer Erde zersetzt. Das helfe Insekten oder Igeln, die ihren Winterschlaf in den Holzstapeln halten.

Neben einem speziellen Wasserbecken, in dem Frösche ihre Eier ablegen, zählt La Bora im Herbst 2022 zudem 34 Schildkröten in einer Aufzuchtstation. Nach etwa drei Jahren werden diese, etwa zehn Zentimeter groß, in Freiheit gelassen. Groß genug, dass Vögel sie nicht mehr fressen können.

Ciclovia del Sole: Italienisches Abendessen zum Abschluss

Dann neigt sich der zweite Tag dem Ende zu. Und damit die gemeinsame Zeit mit unserem Guide Andrea – nach knapp 100 Kilometern. Eine letzte Einkehr steht an. Ein Abendessen in der Osteria del Mirasole in San Giovanni. „Etwas rustikaleres Essen in zwei kleinen Speisesälen mit Steinkamin in Wohnzimmeratmosphäre“, macht uns Accorsi hungrig und verweist darauf, dass dort die besten Tortellini Italiens auf uns warten.

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Typisch italienisch: Bricht die Nacht über San Giovanni herein, erwacht das Leben in den zahlreichen Bars und Restaurants der Gemeinde.

Alla Panna Di Affioramento, mehrfach preisgekrönt. Bei gutem regionalem Rotwein stoßen wir wenig später an. Auf eine interessante Tour, das exzellente Essen. Und die vielen Sonnenstunden auf der Ciclovia del Sole. Morgen stehen die verbleibenden knapp 25 Kilometer nach Bologna ohne Accorsi auf dem Programm.

„Das schafft ihr schon. Ich weiß das“, gibt sich der 55-Jährige scherzhaft optimistisch. Wohlwissend, dass wir auf dem neuen Radwegbelag der alten Bahntrasse einfach nur geradeaus entlang der neuen radeln müssen. Und ein letztes Mal die flache Landschaft der Emilia-Romagna genießen können.

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