Radreise, Südafrika, Mountainbike

Radreise-Bericht: Südafrika mit dem Mountainbike entdecken

Radreisen: Mit dem Mountainbike in Südafrika

Radreise-Bericht: Südafrika mit dem Mountainbike entdecken

Eine Radreise durch Südafrika. Am Kap der guten Hoffnung die Westküste mit dem Mountainbike entlang. Ein Abenteuer-Bericht entlang der Wild Coast.
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Eine Radreise in Nelson Mandelas Heimat-Provinz Eastern Cape: Eine Tour entlang der Wild Coast des Indischen Ozeans führt durch eine der schönsten, einsamsten und wildesten Gegenden Südafrikas. Wer die Traumstrände mit dem Mountainbike entdecken will, darf jedoch nicht wasserscheu sein, denn zwischen Port Edward und Morgan Bay sind mehr als 20 Flüsse zu queren.

Radreisen als Abenteuer

Wenn man einen großen Hügel erklommen hat, sieht man erst, dass noch viele Hügel mehr zu erklimmen sind“, hat Nelson Mandela einmal gesagt. Südafrikas Freiheitsheld, der nur wenige Dutzend Kilometer von der Wild Coast entfernt in Qunu aufwuchs, hatte ja so Recht: Blickt man nach links, sieht man den in diesen Breiten besonders stürmischen, vom Wind aufgepeitschten Indischen Ozean: weiße Gischt, meterhohe Wellen, gefährliche Unterströmungen.

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Die „wilde“ Küste heißt so, weil die ersten Europäer hier unfreiwillig an Land gingen – als Schiffbrüchige. Auch heute noch kommt es immer wieder zu Havarien. Blickt man jedoch geradeaus und nach rechts, dann sind da Hügel, die bis zum Horizont rollen. Die Kuppen sehen aus, als hätte jemand einen bunten Teppich über ihnen ausgebreitet: Sie sind überzogen mit Rundhütten, die Außenwände in Bonbonpapier-Farben getüncht. Mintgrün überwiegt – es war lange Zeit die einzige erhältliche Farbe.

Fahrradtour Paradies

Durch das karge, stoppelige Grasland zwischen den zerstreut liegenden Siedlungen ziehen sich schmale Weglein durch unsere Radreise. Sie wirken wie Adern aus gebackenem Lehm. Ungezählte Rinder, Schafe, Pferde, Ziegen und auch Menschen haben diese Linien in den trockenen Boden gestempelt – archaische Handelswege und Kommunikationsnetze. Ohne Schilder, ohne Plan, aber für uns ein Segen: natürliche Single-Trails, wie gemacht für Mountainbikes mit extradicken Reifen.

Die Lehmpfade haben nur einen klitzekleinen Nachteil: Oft führen sie so steil und über hohe Stufen nach oben, dass wir die schweren Fat-Bikes schultern müssen. An Schieben oder gar Fahren ist dann überhaupt nicht mehr zu denken.

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Waterfall Bluff heißt der 60 Meter hohe Wasserfall, der über eine Stufe direkt ins Meer stürzt.

Umso spannender sind dafür die Abfahrten. Meist spucken uns diese an Küstenabschnitten aus, für die das Prädikat „Traumstrand“ eine freche Untertreibung ist: kilometerlange Einsamkeit, weit und breit kein Fußabdruck im Sand, Dünenlandschaften und felsige Kaps im Wechsel, hinter der Brandung die Rückenflossen von Delfinen und Glattwalen im smaragdgrünen Meer.

Diese Strände sind nicht nur wegen ihrer optischen Reize unsere Freunde: Sie erleichtern uns das Fortkommen, ohne ständig Höhenmeter fressen zu müssen. Allerdings nur dann, wenn der Sand nicht zu tief ist, der Wind von hinten kommt, und nicht Flüsse den Weg versperren.

Südafrika mit dem Mountainbike

Rohan Surridge, unser Guide, hat vorgesorgt, so gut es ging: Er hat den Zeitplan an den Tidentabellen ausgerichtet, damit wir möglichst oft bei Ebbe auf hartem Sand cruisen können und die Flüsse nicht zu tief sind. Er hat gegen das Einsinken im Sand Bikes mit extra-fetten Reifen empfohlen. Und er hat die schönsten Pfade auf sein GPS-Gerät gespielt.

Rund 350 Kilometer an acht Tagen wollen wir auf diese Weise überwinden, jeden einzelnen Meter der Wild Coast mit Beinkraft bezwingen. Trotz der Tourdaten klingt das machbar. Stutzig macht uns nur, dass Rohan das Ganze eine „Expedition“ nennt.

Der Start bei Port Edward, noch in der Provinz KwaZulu-Natal, verläuft gemütlich: Lockeres Cruisen am Meer, Foto-Stopp am verrosteten Heizkessel eines Wracks, Wind von hinten, Sonne von vorn, Lunch-Pause in der Bretterbude von Surf-Hippies. Dann dreht der Wind, Regen kommt auf, die erste Trage-Passage auf glitschigen Felsen durch einen Gürtel aus dichtem Dünenurwald. Fluchen, Stolpern, Schwitzen. Und: der erste Fluss, zu tief zum Waten.

Radtour mit Kajaks und Booten

Zum Glück sind da Einheimische mit Kajaks. Das ist schon deshalb eine gute Nachricht, weil große Bullenhaie gerne in die Flussmündungen ziehen. Zum Laichen und, ja genau: auch zum Fressen. Doch zu früh gefreut: Josef, der als Versuchskaninchen dient, säuft im schnell vollgelaufenen Plastikboot in der Flussmitte ab. Mitsamt Bike und Rucksack versinkt er einige Sekunden lang komplett in den Fluten, taucht dann Gott sei Dank prustend wieder auf.

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Ungläubig verfolgen wir den Untergang der Titanic vom Ufer aus. Carina stößt ein „Das glaubt mir zuhause niemand!“ aus. Selbst unsere Cape-Epic-erfahrenen südafrikanischen Mit-Biker schauen etwas angespannt, finden aber schnell ihren Humor wieder. Rohan hatte uns ja auf ein aquatisches Abenteuer eingestimmt. Wir lernen: Bikes schwimmen. Fat-Bikes mit ihren voluminösen Reifen sogar ziemlich gut. Und meistens auch ihre Besitzer, sofern sie nicht von Bullenhaien angeknabbert werden.

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Ab und an verlangte die Route den Reisenden auch eine Schwimm-Einlage ab.

Alles halb so schlimm, findet Rohan, der Mann mit dem Heimvorteil dieser Radreise. Er wuchs nur 30 Kilometer hinter der Küste in einem Xhosa Dorf namens Willowvale als Sohn von Händlern auf. Lernte das lokale Idiom, noch bevor er richtig Englisch sprach. Spielte und prügelte sich fast ausschließlich mit schwarzen Gleichaltrigen. Bekam Backpfeifen von seiner schwarzen Nanny. Das prägt.

Südafrikas Freiluft-Gefängnis

Unruhig und wild war die Region schon immer. Im 18. Jahrhundert wehrten sich die Xhosa in blutigen Grenzkriegen gegen die vorrückenden weißen Siedler. Das Apartheid-Regime machte aus dem Ost-Kap das Homeland Transkei, ein Freiluft-Gefängnis mit Grenzkontrollen, ohne Rechte für seine Bewohner. Hier lebten Schwarze, die zu jung oder zu alt waren, um sich in den Minen und auf den Farmen in anderen Provinzen zu verdingen.

Auch nach den ersten freien Wahlen 1994 blieb das Hinterland der Wild Coast das Armenhaus der Republik. Noch heute empfehlen viele weiße Südafrikaner Touristen ein weiträumiges Umfahren der Region, obwohl die wenigsten je dort gewesen sind: zu gefährlich, zu schwarz sei die Heimat Mandelas und anderer ANC-Größen wie Oliver Tambo oder Walter Sisulu. Sie meinen damit die Übergriffe auf Weiße, zu denen es nach der Ermordung des Mandela-Weggefährten Chris Hani durch einen weißen Rechtsextremisten gekommen war.

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Die meisten Trails sind gutmütig und auch für technisch weniger Versierte gut zu fahren.

Tatsächlich habe die Unterentwicklung andere Gründe, erklärt Rohan. Neben der schlechten Straßenanbindung – an die Küste führen von der N2 meist nur abenteuerliche Holper-Pisten – schreckten unklare Landrechte potenzielle Investoren ab. Die wenigen weißen Südafrikaner, die an der Wild Coast Ferienhäuser besitzen, hätten diese oftmals „Brandy-Deals“ zu verdanken.

Mit diesen sehr wörtlich zu verstehenden Geschäften ergaunerten sie sich im Tausch für Hochprozentiges von den lokalen Chiefs das Land für ihre bestenfalls halblegalen Cottages. Früher Vogel fängt zwar nicht den Wurm, wird aber weniger nass, findet Rohan. Die Gezeiten geben den Takt der Radreise vor, er drängt am folgenden Morgen zu einem noch früheren Aufbruch.

Kommunikation mit Einheimischen

Vom Rad aus beobachten wir einheimische Männer, die nach Langusten tauchen, während ihre Frauen Muscheln und andere Meeresfrüchte sammeln. So richtig unterhalten können wir uns nicht mit ihnen, wenn wir anhalten. Trotzdem wird gekichert, gegluckst – und geklickt. Ja, geklickt, denn isiXhosa, die Stammessprache im Eastern Cape, kennt 21 Schnalz- oder Klicklaute, die sich für europäische Ohren sehr lustig ausnehmen.

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Dann fordert die felsige Steilküste, die oft fast senkrecht ins Meer abfällt, unsere ganze Aufmerksamkeit. Wir queren kleinere Flüsse, die sich als Wasserfälle direkt in den Ozean ergießen. Waterfall Bluff ist der höchste und berühmteste.
Der Tag wird zu einem Rennen gegen die Zeit. Zwei Flüsse schaffen wir gerade noch so mit Waten, beim dritten schwimmen wir regelrecht, während die Flut an uns zerrt.

Traumhafte Abfahrten

Wir ertragen die regelmäßigen Vollbäder und die sandigen, klatschnassen Schuhe und Klamotten, die uns wie panierte Schnitzel aussehen lassen, inzwischen mit einer gewissen Gleichmütigkeit. Das Tief ist abgezogen, Sonne und Wind trocknen uns schnell wieder. Außerdem entschädigen Traumabfahrten durch hüfthohes, goldgelb im Wind wehendes Gras für die Mühen.

Wir blicken dabei auf Lagunen, die sich tief ins Landesinnere erstrecken und ein Paradies für brütende Vögel sind. Dass wir für 37 Kilometer satte acht Stunden brauchen – geschenkt. Ebenso, dass wir mit den Rädern an senkrechten Abgründen über dem Meer entlang balancieren – gehört dazu. Dass uns der Gegenwind im Treibsand auf weniger als vier Stundenkilometer abbremst – ist halt so.

Starkes Mountainbike Team

Wir sind inzwischen ein gut eingespieltes Team, Aufgeben kommt nicht in Frage. Die folgenden Etappen der Radreise bescheren uns noch mehrere solcher „Big Mother“-Days, wie die Südafrikaner sagen. Doch an jedem Abend wartet eine gemütliche Unterkunft direkt am Meer. Kühles Bier rinnt dann unsere Kehlen hinab, auf dem Braaistand liegen Langusten und Steaks.

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Abends gibt es als Belohnung frische Krustentiere aus dem Indischen Ozean.

In Gedanken lassen wir die Traum-Trails Revue passieren, die Millionen von Rinder- und Schafhufen geformt haben. Und Rohan erzählt Geschichten, zum Beispiel die von der „Oceanos“. Das Kreuzfahrtschiff sank 1991 nahe Coffee Bay in einem schweren Sturm, doch anderen Kähnen und der südafrikanischen Luftwaffe gelang es, alle 571 Passagiere und Besatzungsmitglieder zu retten.

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Sie wurden auf die wenigen Hotels an der Küste verteilt, in denen wir jetzt Quartier beziehen. Sie heißen Kob Inn, Bull’s Inn oder The Haven und verströmen jede Menge Alte-Welt-Charme.

Sehenswürdigkeiten der West Coast

Erst am sechsten Tag werden die Hügel hinter der Küste allmählich flacher. Doch es bleibt einsam. Keine Marina, keine Segelboote. Lediglich an bekannten Sehenswürdigkeiten wie dem „Hole in the Wall“ treffen wir auf andere Touristen. Fünf Kilometer weiter südlich gehört der Strand wieder den Möwen, Kühen und Einheimischen. Xhosa-Frauen, die Gesichter weiß bemalt, trommeln, tanzen und singen in den Dünen, begleitet vom Sound der Wellen.

Wild klingt das, wie aus einer fernen Welt. Die Kultur der Xhosa bleibt für uns und auch die meisten weißen Südafrikaner ein Mysterium. Heiler und Medizinmänner spielen noch immer eine große Rolle, Jungen werden mit Speeren beschnitten und wochenlang in den Busch geschickt, um als Männer zurückzukehren. Ist das gut? Ist es schlecht? Es ist anders.

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An den Sandstränden sind „Fatties“ hoch willkommen.

Überhaupt ist vieles anders hier. Nie hätten wir gedacht, dass wir beim Biken mal aufpassen müssen, um nicht in Seeigel zu fahren. Nie hätten wir geglaubt, dass wir mal mit den Rädern schwimmen würden.

Die Tour geht zu Ende

Die letzten beiden Tage sind die einfachsten. Das ist gut so. Denn Mensch und Material haben genug gelitten. Schuhe werden notdürftig mit Tape geflickt. Waden sind zerschunden von den Schiebepasssagen. An Rohans Rad bricht die Sattelstütze, Salzwasser lässt Ketten erst rosten und dann reißen. Aber egal: Wir lassen uns nicht mehr aufhalten.

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Vor zwei Jahren musste Rohan die Expedition abbrechen, die Teilnehmer konnten einfach nicht mehr. Wir halten es dagegen mit Mandela: „Jeder kann über sich hinauswachsen und etwas erreichen, wenn er es mit Hingabe und Leidenschaft tut.“ Beim Finale der Radreise am Trennery Hotel fragen wir Rohan, wie viele Mountainbiker sich wohl pro Jahr auf diese Tour begeben. „50, maximal 100“, schätzt er.

Auf den Mount Everest steigen inzwischen zehnmal so viele.

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