IAA Mobility 2023: Automesse oder Mobilitätsmesse?

IAA Mobility 2023: Mobilitäts- statt Automesse?

IAA Mobility 2023: Automesse oder Mobilitätsmesse?

Anfang September fand in München erneut die große Automesse IAA statt. Sie soll weg vom reinen Autofokus verstärkt auch andere Mobilitätskonzepte mit aufnehmen, einige Fahrradhersteller waren auch vor Ort. Aber hat die Messe auch das Zeug zur Mobilitätsmesse? Ein Kommentar von unserem Redakteur Benedikt Winkel.
TEILE DIESEN ARTIKEL

Transformation – ein Begriff, der unsere Zeit prägt. Transformation bedeutet die Umgestaltung eines bestehenden Systems, eine tiefgreifende Veränderung. Mit dem Umzug an einen neuen Standort und der Umbenennung in IAA Mobility will die Internationale-Automobil-Ausstellung bzw. ihr Ausrichter, der Verband der Automobilindustrie, die Messe transformieren und der Transformation im Mobilitätssektor gerecht werden. Gegner der Messe sprechen hingegen nicht von Transformation, sondern von „Greenwashing“. Damit ist gemeint, dass sich eine Organisation durch PR und Marketing ein nachhaltiges Image verschafft, ohne diesem gerecht zu werden.

Die IAA Mobility 2023 in München

Man muss der IAA zugutehalten, dass weder Namensänderung, noch Umzug einmalig in der Geschichte der Messe sind. Je nach wirtschaftlicher Lage, Nachfrage und Entwicklung wurden auch Motorräder oder Nutzfahrzeuge gezeigt, entsprechende Teile ausgegliedert und in der Namensgebung Rücksicht auf die Aussteller genommen. Die IAA Nutzfahrzeuge entwickelte sich in den letzten Jahren zu einer Fachbesuchermesse – und das mit Erfolg, wenn man sich die Besucher- und Ausstellerzahlen anschaut.

Die IAA Mobility 2023 in München war zum Teil auch eine Fachbesuchermesse. Zumindest in den Messehallen war die Ausrichtung auf dieses Publikum klar, durch die ausgestellten Produkte, durch die Fachvorträge auf verschiedenen Bühnen, aber auch durch die unverschämt hohen Ticketpreise – 175 Euro kostete ein Tagesticket. Sichtbar ist auch die internationale Ausrichtung der Messe. Laut Ausrichter kamen 750 Aussteller aus 38 Ländern. Annähernd 30 Prozent der Aussteller reisten aus dem Ausland an.

Doch geht die Messe das Thema Mobilität nun breit an, oder hat sich die IAA nur einen neuen Anstrich gegeben? In jedem Fall fehlt der Glanz oder auch der Protz der Autoausstellung der 2000er-Jahre aus Frankfurt. Während damals große Hersteller wie Mercedes oder BMW ganze Messehallen allein beanspruchten, sind die Stände nun sehr übersichtlich. Und bei genauerer Betrachtung der Stände fällt auf: dort ist nicht ein einziger Verbrenner zu sehen. Wenn überhaupt, lukt ein Hybrid-Fahrezeug hinter einer Trennwand hervor. Insgesamt sind die Autohersteller eher in der Minderheit. Daneben zeigen viele Zulieferer ihre Produkte: Batteriehersteller, Chip-Produzenten, Software-Programmierer und viele mehr. Und das Fahrrad? Das spielt in den Messehallen nur eine kleine Nebenrolle. Deutlich wird das auf den großen Ständen von Bosch, Mahle oder Brose. Diese Unternehmen präsentieren zwar auch ihre Fahrradsparte, aber nur am Rande – schließlich sind alle auch Automobilzulieferer. Lediglich ein einzelner Messestand zeigt Räder bzw. Pedelecs von Stromer und Desiknio und spricht damit entsprechend finanzstarke Kundschaft an.

Radfahren 6/2023, Banner

Hier können Sie die Radfahren 6/2023 als Printmagazin oder E-Paper bestellen

Cargobikes für die gewerbliche Nutzung

Der Pedalantrieb – in Kombination mit elektrischen Antrieben – ist dagegen häufig ausgestellt. Denn ein Schwerpunkt der Messe liegt klar auf urbaner Mobilität. Das wird einerseits an Kleinstfahrzeugen deutlich, die wenig Platz benötigen und dank Elektromotor zwei Personen befördern. Noch mehr Fahrzeuge zeigen aber, wie Güter auf der sogenannten letzten Meile transportiert werden können. Die gezeigten Cargobikes richten sich dabei weniger an Familien mit Platzbedarf für den Alltag und den Wocheneinkauf, sondern mehr an Unternehmen. So gibt es drei- und vierrädrige Fahrzeuge als Muldenkipper, mit festen Aufbauten und 350 kg Zuladung. Dass die Kapazität der Messehallen bei weitem nicht benötigt wird, zeigt sich daran, dass in den Hallen Testparcours für Räder und sogar kleine Autos aufgebaut sind.

Die Stunde des Fahrrads auf der IAA Mobility soll aber auf dem Open Space genannten Außenbereich der Messe in der Innenstadt schlagen. Durch die Zweiteilung der Messe ist der Ortswechsel zwar etwas beschwerlicher – immerhin ist im Eintrittspreis die Benutzung von Pendelbus und den Öffis inkludiert – dafür ist der Außenbereich der Messe kostenlos für alle zugänglich. Neu in diesem Jahr präsentiert die IAA eine Rad-Teststrecke am und im englischen Garten. Dort sind mit Riese + Müller, Specialized, i:SY und einigen anderen zwar namhafte Hersteller vertreten, das Angebot ist dennoch übersichtlich. Die Unterbringung in Zelten erinnert zudem mehr an ein Festival als an eine – wenn nicht Die – große Mobilitätsmesse in Deutschland. Von der Atmosphäre und dem Angebot der Eurobike ist man hier meilenweit entfernt.
Laut Veranstalter nutzten 4000 Besucher die Möglichkeit einer Rad-Testfahrt. Diese Zahl klingt gut, allerdings schrumpft sie enorm, wenn man sich vor Augen hält, dass allein am Samstag 100.000 Besucher auf dem Gelände waren. Insgesamt sollen mehr als 500.000 Menschen die Messe besucht haben, nicht einmal ein Prozent davon hat sich auf ein Testrad geschwungen.Dabei war das Interesse der Besucher am Thema Fahrrad groß, zumindest laut einer Befragung der Gelszus Messe-Marktforschung GmbH. Demnach besuchte ein Viertel der Befragten die Messe wegen der ausgestellten Fahrräder und Mikromobilität.

Spannende Letzte-Meile-Lösungen auf der IAA.

Neben dem Testparcours im englischen Garten bot das Außengelände weitere Fahrradatraktionen. Kinner-Car zeigte ein vierrädriges, pedalbetriebenes Fahrrad mit zwei Sitzen nebeneinander, Veloconcerts ein Lastenräder, die sich zu einer Bühne umbauen lassen, Evoc hatte den Airbaigrucksack für Radfahrer dabei. S’cool baute einen mobilen Pumptrack, auf dem Kinder kostenlos herumfahren konnten. Für Besucher, die mit dem Rad anreisten gab es einen Radlcheck und eine Radwäsche gratis. Für Radfahrer in München wurde wegen der Streckensperrung eine Umleitung ausgeschrieben.

Wird die IAA zur Fahrradmesse?

Wird die IAA Mobility damit zur Fahrradmesse? Nein, sicher nicht. Sie ist aber auch keine reine Automesse mehr. Autofans könnten vom Gebotenen sogar enttäuscht sein, denn viele bekannte Hersteller fehlten. Die IAA 2023 in München bot vielmehr eine bunte Mischung an Fahrzeugen und Zulieferern nahezu aller Branchen. Gleichzeitig fehlt ein klares Konzept und eine stringente Ausrichtung. Die beiden Standorte wirken wenig harmonisch, es gibt eher zwei Messen. Eine standbasierte Messe für Fachbesucher und eine Ausstellung in der Innenstadt mit vielen interaktiven Angeboten. Schafft die IAA Mobility damit die Transformation? Das jetzige Format kann an vielen Stellen kritisiert werden, es spiegelt in seiner Uneindeutigkeit aber gut den Wandel im Verkehrssektor wider.

Schlagworte
envelope facebook social link instagram