Langfinger-Handschuhe für Radfahrer im Test

Langfinger-Handschuhe im Test: Handschmeichler

Langfinger-Handschuhe für Radfahrer im Test

Handschuhe beeinflussen unmittelbar die Radkontrolle. Doch welche Details sind wirklich wichtig und wo liegen die Unterschiede? Wir haben 25 aktuelle Modelle auf Funktion wie Komfort getestet und überprüft, ob man damit alles im Griff hat.
TEILE DIESEN ARTIKEL

Bremsen, Schalten, Lenken und Halten: Nur wenn alle Tätigkeiten am Lenker ohne Probleme reibungslos ineinandergreifen, haben wir das Rad unter voller Kontrolle. Fein ausgeklügelte Kontaktflächen an Schalt-, Bremshebel und Griff spielen dabei eine elementare Rolle. Handschuhe verbessern den Kontakt, weil ein Rutschen durch feuchte oder nasse Handinnenflächen stark unterbunden wird. Zusätzlich ermüdet die Handmuskulatur langsamer, weil durch die erhöhte Reibung zum Griff die Haltearbeit verringert wird.

Langfinger-Handschuhe haben aber auch noch zwei andere, praktische Vorteile: Sie zählen neben Helm und Brille auch zur Schutzausrüstung, weil sie im Falle eines Sturzes Abschürfungen an Fingern und Handflächen verringern oder gar ganz unterbinden. Und sollte ein technischer Defekt die Tour stören, bleiben die Finger bei einer Reparatur deutlich sauberer. Unterm Strich ist es unverständlich, warum trotzdem einige Radfahrer auf Handschuhe verzichten, obwohl auch Profis in Rad-, Motor-, Ball-, Schieß- und anderen Sportarten zeigen, dass nur mit Handschuhen absolute Präzision und Sicherheit gewährleistet ist.

Als Nachteil nennt mancher Sonnenanbeter Bräunungsstreifen am Handgelenk oder eine schlechte Belüftung. Aber mal ganz ehrlich: Kontrolle und Sicherheit sollten deutlich höher gewichtet werden! Und beim Thema Belüftung gibt es erheblich größere und wichtigere Körperflächen als die Hände.

Langfinger-Handschuhe: Der Test im Überblick

Um den bestmöglichen Vergleich aktueller Handschuhe zu ermöglichen, haben wir bei den Herstellern leichte, dünne Langfingermodelle für den Sommer angefragt. Wenn möglich, sollten die Muster ohne Handpolster für einen möglichst direkten Kontakt zum Griff geliefert werden. Am Ende sind es nun 25 Hersteller, die einen Preisbereich von 29,99 Euro (Endura, Lizard Skins) bis hin zu 59,95 Euro (SQlab) und somit einen Durchschnittspreis von 39,78 Euro bieten.

Damit alle Handschuhe direkt miteinander vergleichbar sind, haben wir Überpunkte bewertet und gewichtet. So bekommen die Passform 35, Kontrolle 25, Belüftung 20, das An- und Ausziehen 10 sowie Details und Verarbeitung je 5 Prozent zugesprochen. Um den Handschuhen alles abzuverlangen, werden sie von mehreren Personen auf etlichen Ausfahrten gefahren und in verschiedenen Einsatzbereichen getestet. Einsatzbereich und Streckenprofil orientieren sich schwerpunktmäßig an Tourenfahrern und Enduristen.

Gute Handschuhe schränken die Beweglichkeit von Daumen, Zeige- und Mittelfinger nicht ein. Dazu sollten sie luftig und bequem ausfallen.

Ein Handschuh muss passen!

Großvolumige Hände, lange oder schlanke Finger: Jede Hand ist so individuell wie der Mensch dazu. Deshalb sollten Handschuhe vor dem Kauf anprobiert werden. Sinnvollerweise greift man dabei auch um einen Griff und überprüft, ob beim Greifen zu Schalt- und Bremshebeln störende Details wie drückende Nähte oder sich spannender Stoff auftreten. Langfinger-Handschuhe sollten auf keinen Fall zu groß angeschafft werden, da sich die Stoffe im Einsatz oft noch etwas weiten und die Hand dann umherrutschen kann. Das erhöht die Haltearbeit der Unterarmmuskulatur oder kann auch zu Blasen führen. Andererseits sollten sie auch nicht zu klein ausfallen, um die Bewegung der Finger nicht einzuschränken. Im besten Fall schmiegt sich der Handschuh sanft um Finger und Hand, drückt nicht und lässt die volle Bewegungsfreiheit zu.

Die Hersteller im Test bieten im Schnitt fünf bis sechs Größen an, decken damit einen großen Bereich ab. Kinetixx (10) und Roeckl (11) bieten deutlich mehr und sind dadurch perfekt auf die jeweiligen Hände anpassbar. Abzüge gibt’s für Oakley: Hier sind nur vier Größen vorhanden. Ein besonderes Lob geht an den Ergonomie-Spezialisten SQlab: Die Münchner bieten jeden Handschuh in zwei Volumina an. Damit ist neben der Größe auch das Handvolumen wählbar, was in der Praxis absolut Sinn macht und auch spürbar ist.

Vorgeformte Handschuhe erkennt man leicht: Sie hängen nicht so lasch wie ein Waschlappen gerade nach unten, sondern weisen im Bereich der Finger und Handfläche eine leichte Krümmung auf. Dabei ist die Innenfläche etwas kürzer als der Handrücken gestaltet, wodurch der Handschuh später weniger Falten wirft. Vor allem bei Ergon und Vaude ist dieser Effekt recht deutlich ausgeprägt. Leichte Abzüge gibt’s hier bei 100%, Endura, Ion, Kinetixx, Prologo, Shimano und Smartwool. Starres Material, Verstärkungen oder Polster fördern hier sogar die Faltenbildung im Bereich der Innenhand.

Bei der Gestaltung des Bundes ist es egal, ob Klett oder Stretch eingesetzt wird. Am Ende muss der Abschluss bequem sein und darf nicht drücken. In Summe haben Stretch-Abschlüsse durch die flexiblere, anpassungsfähigere Auslegung aber oft einen Vorteil.

Langfinger-Handschuhe: Details an den Fingern

Im Detail wird dann die Passform an den Fingern überprüft. So sollte das Volumen, gerade im Bereich der Fingerkuppen passen und dort auch keine Nähte unangenehm stören. Das Problem: Oft laufen hier drei Materialen von unten, der Seite und oben zusammen. Eine umlaufende Konstruktion, bei der das Material der Handinnenfläche nach oben gezogen wird, reduziert Nähte und Material. Das ist beim Greifen deutlich spürbar. GripGrab und Vaude setzen dies bei zwei Fingern, Ergon, Kinetixx und Pearl Izumi bei mindestens vier Fingern um.

Ein weiterer Problempunkt ist die Daumenbeuge. Hier entsteht beim Umgreifen des Griffs eine starke Krümmung, laufen verschiedene Materialien zusammen und sind teils Verstärkungen angebracht. Hier gilt es intelligent und sauber zu arbeiten, damit in der Praxis bester Komfort vorhanden ist. Im Test gibt es hierzu keine besondere Auffälligkeit, vielmehr kommt das individuelle Empfinden und der eingesetzte Griff zum Tragen.

Ein wichtiger Punkt sind Nähte: Hier spielen Art, Positionierung und Ausführung eine erhebliche Rolle. Im Greifbereich sollten Flachnähte eingesetzt werden, damit das Material nicht stark aufträgt und stören kann. Nach außen verlegte Nähte wie bei SQlab sehen ungewohnt aus, bringen aber spürbar mehr Komfort. Im besten Fall werden aber möglichst wenige Nähte eingesetzt. Wo nichts ist, kann eben auch nichts stören! Gerade in der Handfläche ist das für den Tragekomfort zuträglich. Verstärkungen, Polster oder unnötige Nähte geben Abzug (100%, Endura, Ergon, GripGrab, Kinetixx, Pearl Izumi, Poc, Shimano, Smartwool, Vaude).

Mit Köpfchen: Mountainbike-Helme im Test

An- und Ausziehen: Teils hakelig

Beim Anziehen eines Handschuhs ergibt sich oft schon die erste Kritik: Die Öffnung ist äußerst knapp geschnitten und trotz offenem Klettverschluss oder vermeintlich dehnbarem Saum will die Hand nur zögerlich in den Handschuh rutschen. Vor allem bei 100 % und Leatt, aber auch bei Bluegrass, GripGrab, Mavic, O’Neal und Specialized ist durchaus Vorsicht geboten, will man nicht schon beim Anziehen manche Naht überdehnen oder sprengen. Dabei ist es am Ende unerheblich, ob der Hersteller dann auf Klett (9) oder einen flexiblen Bund setzt (16). Anziehhilfen durch Verstärkungen oder griffige Bereiche sind bei 14 Herstellern zu finden, können aber nur bei Dynafit, Ergon, GripGrab, Prologo, Smartwool, Troy Lee Designs und vor allem O’Neal überzeugen.

Beim Ausziehen dann ein ähnliches Bild: Oft zieht man den Handschuh von hinten her auf links, um ihn dann abstreifen zu können. Danach muss er allerdings wieder auf rechts gedreht werden, was teils eine echte Fummelei ist. Einfacher geht es, wenn man den Handschuh über die Finger abzieht. Dazu ist es aber wichtig, dass man die Fingerkuppen ordentlich greifen kann. Ein cleveres Design mit verstärkten Enden erleichtert den Vorgang, ist vor allem bei Ion, IXS, Kinetixx, Oakley, O’Neal, Pearl Izumi, Smartwool und Vaude zu finden. Vorsicht geboten ist indessen bei den Modellen mit engem Bund: Wer hier mit zu viel Zug arbeitet, kann Nähte und Material wie beim Anziehen überstrapazieren, den Handschuh schädigen!

ElektroRad 6/2023, Banner

Hier können Sie die ElektroRad 6/2023 als Printmagazin oder E-Paper bestellen

Gute Belüftung? Angenehm!

Möglichst dünnes, offenporiges Material lässt Wärme und Schweiß schnell entweichen. Das kühlt und ist vor allem in den warmen Sommermonaten enorm wichtig! Im Detail splitten wir die Wertung und betrachten Finger, Innen- und Oberhand separat. Generell gilt: Dichte Materialien, Verstärkungen, Kunststoff- oder Gummiapplikationen schränken die Luftzirkulation ein (100%, Oakley). Bei Fingern wird oft im seitlichen Bereich Mesh eingesetzt. Das bringt vor allem bei 100%, Gore, Mavic, Oakley, O’Neal, Specialized und Vaude Vorteile. Eine dünne, flexible und stark perforierte Innenfläche bieten etwa Dynafit, Lizard Skins, O’Neal, Poc und Roeckl. Die luftigsten Materialien an der Oberhand sind indessen bei Bluegrass, Endura, Ergon, GripGrab, Lizard Skins, Poc, Prologo und Troy Lee Designs zu finden. In Summe waren am Ende dann Bluegrass, Gore, Lizard Skins, Poc und Troy Lee Designs am luftigsten. Die wärmsten Modelle stammen von 100%, Kinetixx, Oakley und Pearl Izumi.

Gesucht: volle Kontrolle

Beim Betätigen von Brems- und Schalthebel sollte die Bewegungsfreiheit an Zeige-, Mittelfinger und Daumen nicht limitiert werden. Dünne und flexible Materialien verhelfen zu einem positiven Griffgefühl und direktem, ungefilterten Feedback. Wer viel schwitzt oder auch bei Nässe unterwegs ist, sollte auf gummierte Handinnenflächen und Fingerenden setzen (Dynafit, Endura, Ion, Kinetixx, Prologo, Shimano, Troy Lee Designs, Vaude). Dickere Polster (Kinetixx, Shimano, Smartwool) entlasten teils zwar die Nerven, stören aber gerade beim Mountainbiken, weil direkter Kontakt und Feedback sehr hoch gewichtet werden. Die Besten kommen in diesem Punkt von Dynafit, Endura, GirpGrab, Ion, Prologo, Troy Lee Designs und Vaude.

Details mit Mehrwert

Wenn der Schweiß wie ein Wasserfall von der Stirn fließt, freut man sich über großflächige wie saugstarke Abstreifer (Endura, O’Neal, Poc, Prologo, Shimano). Werden Smartphone oder GPS-Geräte genutzt, sollte vor allem der Zeigefinger touch-sensitiv ausfallen. Wir empfehlen, das jeweilig genutzte Modell zum Kauf mitzubringen und auszuprobieren, da es im Test starke Unterschiede im Zusammenspiel gab. Wer viel fährt, freut sich über verstärkte Stellen im Bereich der Handballen oder der Daumenbeuge. Hier überzeugen vor allem 100%, GripGrab, Oakley und Smartwool. Wer dann auf Farbe setzen will, findet im Schnitt pro Modell vier bis fünf Farben. Während Ergon, Prologo und Smartwool nur je ein Modell anbieten, glänzen IXS (12) und Troy Lee Designs mit 17 Varianten!

Bei der Verarbeitung achten wir auf Materialwahl, Details und Nähte in Ausführung und Platzierung. Das Niveau erfreut, weil es sehr hoch ausfällt und die Unterschiede am Ende nur gering sind. Größere Unterschiede gibt es beim Gewicht. So liegt die Range zwischen federleichten 31 Gramm (Gore) und knapp doppelt so schweren 63 Gramm (100%). Der Schnitt liegt bei 44,4 Gramm.

Häufig unterschätzt: die Pflege

Wie beim Rad auch, wird die Pflege bei Handschuhen häufig unterschätzt. Vor der ersten Nutzung empfehlen wir die Oberflächen mit einem Imprägniermittel zu behandeln. So nimmt das Material weniger Feuchtigkeit auf und lässt auch Dreck weniger Angriffsfläche. Bei leichten Verschmutzungen reicht es, wenn die Oberfläche mit einem feuchten Tuch abgewischt wird. Ist der Handschuh aber stark verschmutzt oder müffelt, hilft nur noch eine gründliche Hand- oder Maschinenwäsche. Dabei sollte man unbedingt die Herstellervorgaben im Etikett beachten! So dürfen die meisten Handschuhe nur bei geringer Temperatur und niedrigem Schleudergang in die Maschine. Zusätzlich sollte spezielles, flüssiges Waschmittel für Funktionsbekleidung eingesetzt werden. Wichtiger Tipp: Nasse Handschuhe sollten nur ausgedrückt werden, weil beim kräftigen Auswringen Nähte und Material Schaden nehmen können! Zum Trocknen legt man sie auf eine flache, luftige Oberfläche oder hängt sie an die Wäschespinne. Das alles bei Zimmertemperatur ohne direkte Sonneneinstrahlung.

Testergebnisse im Überblick

Alle getesteten Langfinger-Handschuhe mit vollständiger Bewertung, sortiert nach Preis. Bitte durch die Galerie klicken!

 

 

 

 

 

 

Langfinger-Handschuhe: Fazit

Der Test war spannend und aufschlussreich. So erfreuten das hohe Fertigungsniveau und zahlreiche feine Gimmicks. Im Detail gibt es aber trotzdem große Unterschiede: Wer etwa eher robuste Modelle sucht, wird vor allem bei 100%, Endura, Ion, Kinetixx, Oakley oder Prologo fündig. Die luftigsten Langfinger-Handschuhe kommen indessen von Bluegrass, Gore, Lizard Skins, Poc und Troy Lee Designs. Wer auf das beste Preis-Leistungs-Verhältnis aus ist, wählt Bluegrass, Lizard Skins oder Vaude. Eine Empfehlung für den besten Tragekomfort heimsen Ergon und SQlab ein. Den Testsieg verdienen sich am Ende dann GripGrap und Troy Lee Designs mit exzellenten Bewertungen ohne echte Schwächen.

Schlagworte
envelope facebook social link instagram