Mountainbike-Helme im Test: Passform, Komfort, Gewicht, Preise

Mit Köpfchen sicher unterwegs: MTB-Helme im Test

Mountainbike-Helme im Test: Passform, Komfort, Gewicht, Preise

Ein Helm gehört zur elementaren Schutzausrüstung und darf auf keinem Kopf fehlen! Doch welcher Helm passt zu mir, überzeugt auch in der Praxis? Wir haben sportive Mountainbike-Helme unter die Lupe genommen, die auch im Alltag eine gute Figur machen.
TEILE DIESEN ARTIKEL

Wir fahren auf einem breiten Singletrail bergab. Plötzlich läuft vor uns eine Rotte Wildschweine mit Frischlingen, aber auch kolossal wirkenden Muttertieren über den Weg. Der Schock sitzt tief. Der erste Teil bremst schlagartig ab, im hinteren Teil reagieren nicht alle geistesgegenwärtig, können nicht mehr rechtzeitig bremsen und fahren vom Weg und überschlagen sich. Die Wildschweine lassen sich davon nicht beeindrucken und setzen ihren Weg fort. Wir sammeln uns und holen zwei Mitfahrer aus dem Dickicht. Bis auf ein paar Abschürfungen und einem gebrochenen Helm ist glücklicherweise nichts Schlimmeres passiert. Dabei hätte ein Abflug an einen Baum bei weitem schlimmer ausgehen können. Erlebnisse wie diese machen einem klar, wie schnell ein kapitaler Unfall passieren kann. Wird es dabei grob, können Mountainbike-Helme vor schweren Verletzungen schützen und am Ende sogar Leben retten!

Wie finde ich den passenden Helm?

Ein Helm muss vor allem eines: perfekt zum Kopf des Fahrers passen. Das funktioniert am Ende nur durch eine Anprobe. Dabei ist wichtig, dass Sie das Fixiersystem samt Gurtbändern optimal einstellen. Wir empfehlen, auch eine Helmmütze sowie die Radbrille bei der Anprobe zu tragen. So passt der Helm dann nicht nur im Sommer perfekt.

Wie lange hält ein Helm?

Schweiß, Hitze und UV-Strahlung setzen dem Material zu. Deshalb sollte ein Helm laut Hersteller ab Kaufdatum nach etwa drei Jahren ausgetauscht werden. Ist das Kaufdatum unklar, richtet man sich nach dem Herstellungsdatum (Aufkleber im Helm). Hier gilt: Nach sechs Jahren ist Schichtende. Und nach einem Sturz mit Kopfbeteiligung sollte der Helm, ob augenscheinlich intakt oder nicht, ebenfalls gewechselt werden.

Schmerzen in den Händen? Lenkerhörner und ergonomische Griffe mit Hörnchen im Test

Mountainbike-Helme: Die Qual der Auswahl

Die Zahl der Helmhersteller und deren Produktportfolio ist schlichtweg unüberschaubar. Deshalb haben wir uns in diesem Test für sportive Mountainbike-Helme entschieden, die eine eher runde Form mit einem großen Visier sowie heruntergezogenen Helmschalen für eine größere Schutzwirkung bieten. Die Zielgruppe reicht dabei vom Einsteiger, Tourenfahrer bis hin zum Endurofahrer, der es bergab ordentlich krachen lässt. Diese Helme machen aber auch beim Pendeln, in der Stadt oder sogar auf den Inline-Skatern eine gute Figur. Einzig am Gravelbike oder Rennrad stört Radästheten die Optik.

Damit Sie die Helme vergleichen können, werden diese von unterschiedlichen Testern in verschiedenen Einsatzbereichen ausprobiert. Die Ergebnisse werden gesammelt, sortiert und in folgenden Kategorien bewertet und gewichtet: Details und Gewicht (je 10), Anpassbarkeit und Halt (je 15) sowie Belüftung und Tragekomfort (je 25 Prozent). Die Ergebnisse dazu finden Sie dann in den jeweiligen Testkästen unten.

Beim Praxistest steht als erstes die Anpassbarkeit auf der Tagesordnung. Optimalerweise deckt ein Helm einen möglichst großen Bereich mit vielen Größen ab. Vier Größen bieten dabei nur Bell und Smith. Kleine Kopfumfänge finden vor allem bei 100Percent (50 cm) oder Abus, Bontrager, Endura, Giant, Giro, POC, Scott, Smith oder Specialized (51 cm) ihren Deckel. Große Köpfe hingegen greifen zu Alpina (64 cm) oder vor allem Bell und Smith (65 cm). Stark eingeschränkt sind O’Neal, Rudy Project und vor allem Seven­Twenty. Einen Pferdeschwanz integriert man am besten bei Alpina, Giant, Specialized und Uvex. Bei einigen anderen funktioniert das aber nur schlecht. Deshalb: Ausprobieren! Die Helmfixierung am Kopf übernimmt ausnahmslos ein Drehverschluss am Hinterkopf. Wir achten auf gut erreichbare, sicher zu greifende und deutlich gerasterte Drehräder. Die BOA-Systeme bei Bontrager, Merida und Oakley gefallen uns durch ihre Wertigkeit am besten. Um das Verstellsystem der Kopfform anzupassen, ist es im Nacken höhenverstellbar. Meist ist eine Ausführung über einen komfortablen, auch während der Fahrt justierbaren Klickmechanismus verbaut. Umständlichere Systeme, die per Hand umgesteckt werden, finden sich bei 100Percent, Bluegrass, Giro, IXS, Merida, Oakley, Seven­Twenty oder Smith.

Radfahren 9-10/2022, Banner

Hier können Sie die Radfahren 9-10/2022 als Printmagazin oder E-Paper bestellen!

Tragekomfort: Auch Mountainbike-Helme müssen „bequem“ sein

Hohen Tragekomfort versprechen komplett den Kopf umlaufende Systeme, weil sie den Kopf flexibel umschließen und Druckstellen an der Helmschale effektiv verhindern (Abus, Alpina, Bell, Bollé, Endura, Giant, Merida, Met, Oakley, Scott, Specialized, Uvex). Aber auch das Gurtsystem ist wichtig: So sollten die Gurte mit Abstand am Ohr vorbeilaufen und darunter verstellbar und im besten Fall auch feststellbar sein. Beide Features bieten nur Alpina, Bontrager, Ekoi, Giant, IXS,­ ­O’Neal, Smith, Uvex. Unbedingt checken sollte man fest vernähte Varianten wie bei Kask und Specialized. Passt dies nicht, sollte man sich woanders umsehen. Pluspunkte gibt es zudem für breite Kunststoffverteiler unter dem Ohr und einfache Justagevorgänge. Unterm Kinn sitzt das Verschlusssystem, wo die meisten Hersteller auf das klassische, leichte Klicksystem setzen. Alpina und Uvex setzen auf ein Ratschendesign, welches eine leichte Verstellbarkeit auch während der Fahrt zulässt. Am komfortabelsten sind allerdings die Fidlock-Magnetverschlüsse bei 100Percent, Bluegrass, Bontrager, Ekoi, Giro, IXS, Lazer, Merida, O’Neal und vor allem Seven­Twenty). Sie schließen wie von Geisterhand und lassen sich kinderleicht auch einhändig bedienen.

Der Tragekomfort ist für den Wohlfühlfaktor besonders wichtig. Pluspunkte bringen flächige Polster (wärmer) wie bei BBB, IXS, O’Neal, Rudy Projekt, SevenTwenty und Uvex. Fallen die Polster hingegen klein aus oder sind schlecht platziert, liegt der Kopf auf Kunststoff auf. Vor allem mit Glatze und MIPS-Systemen ist dies unangenehm (Abus, Bluegrass, Ekoi, Lazer, Met, Oakley, Specia­lized). Große Belüftungskanäle sind sinnvoll, können je nach Kopfform und Befestigungssystem an der Stirn zu unangenehmen Druckstellen führen (Ekoi, Kask, O’Neal). Oft unbeachtet, aber nicht minder wichtig sind die Gurtbänder: Pluspunkte gibt es für weiches, flexibles Material wie auch für Polsterungen unterm Kinn (Alpina, Ekoi, IXS, ­O’Neal, Uvex). Tief heruntergezogene Helmschalen im Front-, Seiten- oder Heckbereich schützen zwar besser, können aber mit Brillen, Augenbrauen oder den Ohren kollidieren sowie bei sportlicher Sitzposition im Nacken drücken. Hier hilft nur eine Anprobe mit der eigenen Radbrille und vorgetäuschter Sitzposition.

Belüftung: Verschiedene Konzepte

Bei der Belüftung sagt die reine Anzahl der Belüftungsöffnungen nur wenig aus, denn Platzierung, Form, Größe, Tiefe der Kanäle, Homogenität über den ganzen Helm sind viel wichtiger. Und auch der Haarbewuchs der Träger spielt eine wichtige Rolle. Tiefe Luftkanäle mit vielen Verzweigungen bis in den Hinterkopf lassen die Luft flächig zirkulieren. Hier glänzen vor allem Giro, Merida und POC. Große, flächige Öffnungen lassen aber auch die Sonne direkt an die Kopfhaut, was bei Glatzen und Kurzhaarschnitt zu lustigen Designs führen kann. Das MIPS-System schränkt durch eine flächige Kunststofffolie die Belüftung stärker ein und sorgt teils für ein unangenehmes Tragegefühl bei Testern mit Glatze oder kurzen Haaren. Das ist vor allem bei Abus, Bluegrass, Lazer, Merida, Met, Oakley und Specialized der Fall.

Speziell sind die Wabenkonstruktionen bei Bontrager, Endura, SevenTwenty und Smith: Sie bieten eine großflächige Verdunstungsfläche, verschließen nur ein Minimum der Kopfoberfläche. Auf der anderen Seite fehlen oft die durchgängigen Belüftungskanäle. Das ist bei hohen Intensitäten etwas kontraproduktiv, gefällt aber bei langsamen Geschwindigkeiten, bergauf oder bei kühlen Temperaturen. Und zu guter Letzt zählt auch das Gewicht. Der Helm sitzt exponiert auf dem Kopf und ist damit Beschleunigungen ausgesetzt, die die Muskulatur abfangen muss. Gerade im Mountainbike-Sport sind diese höher als auf der Straße. Mit lediglich 302 Gramm ist der Alpina mit Abstand der leichteste Helm. Mit 532 Gramm ist der SevenTwenty der schwerste im Test. Der direkte Vergleich ist deutlich spürbar und vor allem auf langen Touren ein gewichtiges Argument.

Mehrwert für die Sicherheit

Spannende Details: Manche Mountainbike-Helme bieten die Extra-Sicherheit dank cleverer Features!

Per NFC-Chip können bei POC wichtige Gesundheitsdaten abgespeichert werden. Rettungskräfte können diesen auslesen und schneller agieren.

Auch Abus bietet mit dem Quin einen Sturzsensor samt App. Bei einigen Modellen kann der Chip auch nachgerüstet werden.

 Tocsen ist ein deutsches Start-up, das einen Notfallsensor anbietet. Dieser setzt nach einem Sturz per App ein Signal ab (im Bild: Ekoi Zubehör).

Ekoi integriert Reflektorstreifen in die Gurtbänder. Durch die hohe und seitliche Position am Kopf wird der Radfahrer noch besser gesehen.

Sicherheit geht vor!

Wir haben alle Mountainbike-Helme auf verschiedenen Köpfen auf einen festen, straffen Sitz getestet. Helme rutschen quasi nicht nach vorne oder zur Seite. Der Knackpunkt ist der sogenannte Stirnabstreiftest, also die Rutschneigung nach hinten. Abzüge gibt’s hier für BBB, O’Neal und vor allem SevenTwenty. Zusätzliche Sicherheit im Crashfall bieten die Technologien MIPS und Smartshock. Ein Sturz auf den Boden fällt meist nicht stumpf, sondern mit einer Scherbelastung auf. Diese Technologien reduzieren diese durch eine im Helm angebrachte Kunststofffolie, die etwas Bewegungsspielraum zulässt. Die Wirkung ist umstritten, in verschiedenen Versuchsreihen wurden aber positive Effekte festgestellt.

Einen erhöhten Impaktschutz sollen Wabenkonstruktionen wie Koroyd (Endura, Smith), WaveCel (Bontrager), HexaGo (SevenTwenty) bieten. Da die Waben auch zur Seite kollabieren können, spricht mancher Hersteller diesen Technologien ebenfalls ähnliche Vorteile bei Abbau der Rotationsenergie wie bei MIPS zu. Fest verbaute oder optional erhältliche Sturzsensoren sind über das Smartphone mit einer App verbunden und messen Beschleunigung und Lage. Nach einem Sturz senden sie an eine vorab installierte Nummer eine SMS mit GPS-Koordinaten. So kann schnell und zielgenau Hilfe dirigiert werden (Abus, Alpina, Ekoi, Uvex). Beim Fahren in der Dämmerung und Dunkelheit sorgen Reflektoren an Helmschale und Gurtbändern für Sicherheit (Abus, Bluegrass, Ekoi, Giro, IXS, Rudy Project, Uvex).

Details bieten Mehrwert

Große Visiere schützen vor direkter Sonneneinstrahlung und umherfliegendem Dreck, sind vor allem bei Mountainbikern sehr beliebt. Biker, die mit Goggles (ähnlich Skibrille) unterwegs sind, schwören auf weit verstellbare Modelle, da die Brille so bergauf unter dem Visier Platz findet. Die besten sind hier Abus, Bluegrass, Endura, IXS, Met, Oakley, O’Neal und Scott. Abzüge gibt es für die nur wenig oder nicht verstellbaren Varianten bei Alpina, Ekoi, Merida, POC, SevenTwenty, Smith und Specialized sowie das im Gelände stark wackelnde Modell von SevenTwenty.

Gegen Insekten helfen Fliegennetzgitter. Allerdings sollten diese mit Abstand zum Kopf eingearbeitet sein (Abus, Alpina, Uvex). Und entgegen der weitläufigen Meinung reduziert ein dezentes Gitter die Belüftung nur minimal. Aber auch die engmaschigen Sicherheitssysteme von WaveCel (Bontrager) und vor allem Koroyd (Endura, Smith) halten Insekten fern. Style ist ebenfalls wichtig. Viele Sportler passen den Helm mit Blick auf die Farbe an die Bekleidung und ans Rad an. Bell, POC, SevenTwenty (je 7) sowie Kask und Smith (je 9) setzen Ausrufezeichen. Mau ist die Auswahl vor allem bei Merida mit nur zwei Varianten. Extrapunkte gibt es für den Lieferumfang: Aufbewahrungsbeutel schützen vor Kratzern und direkter Sonneneinstrahlung (Bluegrass, Ekoi, Giro, Kask, Lazer, Oakley, POC, Scott, Smith). Ersatzpolster finden sich bei 100Percent, Bontrager, Ekoi, Lazer, O’Neal und Rudy Project. Wer Zubehör wie eine Helmlampe oder eine ActionCam montieren will, freut sich über einen inkludierten oder optionalen Halter bei Bontrager, Endura, Kask, Lazer, Scott und Smith.

Garantie und Verarbeitung

Auch interessant: Die meisten Hersteller halten sich bei der Garantie lediglich an die gesetzliche Gewährleistung von zwei Jahren. Drei Jahre bieten Bell, Bluegrass, Giro, MET, O’Neal und vor allem Smith. Ein Crash Replacement, also einen neuen Helm zu einem stark reduzierten Preis, findet sich bei 100Percent, Bell, Bluegrass, Endura, Giro, IXS, Lazer, Merida, Met, Rudy Project, Smith und Specialized. Bontrager tauscht den Helm im ersten Jahr sogar kostenlos aus. Eine Wohlfühlgarantie mit Geld-zurück-Service gefällt bei Bontrager, Endura und Lazer.

Bei der Verarbeitung der Mountainbike-Helme ist das In-Mould-Verfahren Standard. Dabei wird die Kunststoffschale weit nach unten und über die Unterkante gezogen. Das sieht gut aus und schützt das dort empfindliche Material. Zudem achten wir auf Kanten durch Fertigung, Spaltmaße und die generelle Haptik.

Fazit: Montainbike-Helme im Test

Der Test mit 26 Helmen war aufwendig, zeitintensiv, hat Spaß gemacht und viele Erkenntnisse gebracht. So liegt der Durchschnitt bei 171 Euro und 376 Gramm. Erfreulich ist auch, dass das Niveau generell hoch ist – egal zu welchem Preis! Am Ende haben unseren Testern aber ein paar Modelle besonders gut gefallen: Alpina, Kask, Met, POC und Specialized begeistern allesamt auf ihre Weise und verdienen sich eine Empfehlung. Die Testsieger heißen am Ende aber Giant und Uvex – auch weil sie sich mit Blick auf den Preis keine Schwachstelle erlauben. Im Hochpreisigen Segment verdient sich Giro den Testsieg, weil Detailvielfalt, Qualität und Funktion seinesgleichen sucht.

Mountainbike-Helme im Überblick

Alle Modelle mit den Bewertungen sind in der Bildergalerie zu finden, sortiert nach Preis.

 

 

 

 

 

 

 

Schlagworte
envelope facebook social link instagram