Tiere auf der Radtour: Wildschwein, Hund und Zecke

Tierbegegnungen auf der Radtour: Worauf achten?

Tiere auf der Radtour: Wildschwein, Hund und Zecke

Ab ins Grüne mit dem Rad! Aber Achtung, das Grüne ist ja bereits bewohnt: Zahlreiche Tiere sind dort zuhause, wo wir Rad fahren und unsere Rast verbringen wollen. Und auch ohne es zu wollen, stören wir manchmal die heimische Fauna. Doch wie gelingt es uns, Tiere zu schützen und wie verhalten wir uns richtig, wenn wir auf Wildschwein, Bussard und Co. treffen?
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Zahlreiche Videos mit abenteuerlichen Tierbegegnungen kursieren im Netz: Der Rennradfahrer auf der Flucht vor einem wütenden Stier, der Mountainbiker, der von einem Vogel Strauß begleitet wird. Diese Filmchen sind kurios, doch haben natürlich nichts mit den realistischen Tierbegegnungen in Deutschland gemein. Kaum ein wildes Tier wird uns hier ernsthaft gefährlich. Zumindest dann nicht, wenn wir uns richtig verhalten, nämlich Rücksicht nehmen und auf den Wegen bleiben.

Klein, aber gemein

Am wahrscheinlichsten ist es, dass Sie bei einer Radtour auf Insekten wie Zecken und Stechmücken treffen. Die kleinen Tierchen riechen uns sofort – vor allem, wenn wir schon ein wenig verschwitzt sind – und fühlen sich magisch von uns angezogen. Während Mückenstiche mit ihrem Juckreiz vor allem lästig sind, können Zeckenbisse richtig gefährlich werden, insbesondere wenn man sie zu spät entdeckt. Die problematischsten durch Zecken übertragenen Infektionen sind Borreliose, eine Bakterieninfektion, sowie die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME), die besonders in Süddeutschland vorkommt. Am wichtigsten ist Prävention: FSME-Impfungen im Voraus und dann ein Spray, das Stechmücken und Zecken abwehrt – denn die empfohlene lange Kleidung ist bei Sport im Hochsommer oft unrealistisch. Umso wichtiger das konsequente Absuchen des Körpers nach der Tour, denn gerade Zecken sind sehr gut darin, eine Lücke zu finden und sich doch irgendwo niederzulassen. Beliebte Körperstellen der Spinnentiere sind übrigens Brust, Bauch, Lendenbereich und Kniekehlen – aber natürlich können Zeckenstiche überall am Körper auftreten.

Was viele nicht so im Hinterkopf haben, sind Wespennester an Bäumen. Darauf weist Jenifer Calvi von der Deutschen Wildtier Stiftung hin: „Gerät man während einer Tour aus irgendeinem Grund an das Nest, dann kann es passieren, dass die Tiere gereizt werden und das Nest verlassen und auch stechen.“ Sie empfiehlt daher ein kleines Versorgungspaket, bestehend aus einer Pinzette und einer abschwellend wirkenden Salbe, dabei zu haben. Und wer allergisch reagiert, braucht im Gepäck ein antiallergisches Notfallset vom Arzt.

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Die größte Sorge: Wildschweine

Ansonsten ist Jenifer Calvi überzeugt, dass Radfahrer im Wald keine Sorge haben müssen, von einem Wildtier belästigt zu werden. Vor allem, wenn sie sich rücksichtsvoll verhalten. Mit einem Augenzwinkern sagt sie, dass „ein Wildtier Sie schon längst bemerkt hat, bevor Sie überhaupt im Fahrradsattel sitzen.“ So hätten beispielsweise Wildschweine einen ausgezeichneten Geruchssinn. „Ein Wildtier wittert Sie und es hört Sie natürlich auch. Es kommt also selten zu einem Zusammentreffen, eher tritt das Tier die Flucht an, um Ihnen NICHT zu begegnen.“

Mit einer Ausnahme: Weibliche Wildschweine können gefährlich werden, wenn sie ihre Jungtiere in Gefahr sehen. Doch was ist dann zu tun? Torsten Reinwald vom Deutschen Jagdverband e. V. empfiehlt, zunächst auf sich aufmerksam zu machen. Denn Wildschweine haben zwar einen hervorragenden Geruchssinn, sehen aber weniger gut. „Wenn ich zu Fuß oder auf dem Fahrrad einer Wildschweinrotte begegne, halte ich zunächst an und gebe Geräusche von mir, zum Beispiel klatsche ich in die Hände“, so Reinwald. In der Regel ziehen sich die Tiere dann zurück. Ist dies nicht der Fall, sollte man die Wildschweinfamilie großräumig umfahren oder eben den Rückzug antreten. Reinwald warnt: „Auf jeden Fall nie durch eine Rotte durchfahren!“ Eindeutig angriffslustig ist die Bache dann, wenn sie sich aufstellt, um den Radfahrer zu fixieren, ihr Schwänzchen hebt und ein hörbares Blasen von sich gibt. Diese Zeichen der Erregung werden noch von einem Zähneschlagen getoppt – spätestens dann ist Rückzug angesagt. Doch Achtung: Dieser sollte nicht fluchtartig, sondern ganz ruhig erfolgen!

Scheinangriffe durch Greifvögel

Ähnlich steht es um Greifvögel, die durchaus mal Scheinangriffe auf Radfahrer oder Wanderer starten – aber nur, wenn sie sich und ihre Jungtiere bedroht fühlen. Wer also merkt, dass beispielsweise ein Bussard aggressiv wird, muss davon ausgehen, seinem Horst zu nahe gekommen zu sein. „Ein Greifvogel lässt einen sofort wieder in Ruhe, sobald die Gefahr für seinen Nachwuchs gebannt ist. Er möchte den Menschen nur vertreiben“, so Reinwald vom Deutschen Jagdverband. Am besten also weiterfahren.

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Was tun, um Tiere zu schützen?

In unseren Wäldern leben auch verschiedene Hirsche und Rehe, Wölfe und Füchse, dazu Feldhasen, Kaninchen und zahlreiche Vogelarten – aber sie sind alle wie gesagt sehr scheu und ziehen sich zurück, wenn man sie in Ruhe lässt. Doch häufig bedrohen wir Tiere, ohne es auch nur zu ahnen. Wer einen Radweg im Wald verlässt, kann beispielsweise im Mai und Juni Rehmütter bei der Geburt ihrer Kitze stören. Dies bedeutet für die Tiere einen ungeheuren Stress, der unbedingt vermieden werden soll. Auch Felder und Wiesen sowie jedes Gebüsch sind eine potentielle „Kinderstube“ für zahlreiche Tiere. So gibt es beispielsweise Bodenbrüter, deren Nester wir mit bloßem Auge kaum erkennen, sodass wir Nest und Jungtiere einfach übersehen. Wer also mit dem Rad querfeldein fährt, stört die Tiere auf jeden Fall, kann sie aber auch verletzen oder gar töten. Also: Niemals die Wege verlassen und jeglichen Müll wieder mitnehmen. Denn Plastikmüll wie Verpackungen kann gefährlich für Wildtiere werden, genauso wie Einmal-Masken, die aus Jackentaschen fallen.

Tiere kann man auch dadurch schützen, indem man sich an Ruhezeiten hält. Im Idealfall meidet man den Wald von Sonnenunter- bis Sonnenaufgang – so spaßig Nightrides sein können, sie schaden Wildtieren. Ausgewiesene Ruhezonen sollten ebenfalls respektiert werden. Torsten Reinwald weist in dem Zusammenhang auf ein aktuelles Problem hin: Viele Radfahrer lassen sich mit Apps navigieren, in denen manchmal Wege eingetragen sind, die nicht mehr existieren. Sie wurden beispielsweise zu Ruhezonen erklärt und dürfen nicht mehr befahren werden. Man sollte also unbedingt auf Schilder achten und sich Wege gut anschauen, auch wenn sie von der App vorgeschlagen werden. „Wer mit gesundem Menschenverstand vorgeht, erkennt solche Wege sicher und kann sie meiden“, so Reinwald. Außerdem wünscht er sich, dass Radfahrer solche Wege auch den Navi-Anbietern melden. Die können falsche Routen wieder rausnehmen.

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Tollwut ist kein Thema mehr

Deutschland gilt übrigens seit 2008 als tollwutfrei. Das heißt, es gibt kaum Tollwutübertragungen, vor allem dank der Ausrottung der terrestrischen Tollwut. Die seltenen Fälle, die in den letzten Jahren bekannt geworden sind, gingen immer auf Ansteckungen im Ausland oder auf illegale Tierimporte (z. B. Straßenhunde) zurück, in unseren Wäldern muss man sich darum also keine Sorgen machen.

Im Wald zu Gast

Jenifer Calvi von der Deutschen Wildtier Stiftung rät Radfahrern zu einem bewussten Umgang mit der Natur und dazu, sich im Wald auf den Zauber einzulassen. Es sei je nach Jahreszeit möglich, bei einer Rast verspielte Fuchswelpen oder junge Feldhasen zu entdecken: „dann heißt es, innehalten und den Anblick und die Natur genießen. Gerade junge Füchse sind bezaubernd in ihrem Verhalten.“ Auch Störche, Fasane und die sehr seltenen Rebhühner kann ein aufmerksamer und stiller Beobachter zu Gesicht bekommen.

„Natur ist mehr als nur eine Kulisse für meine Freizeitaktivitäten, es ist Lebensraum“, sagt auch Torsten Reinwald vom Deutschen Jagdverband. Überall, wo wir hintreten und -fahren, lebt schon jemand. Und im Gegensatz zu uns Menschen, die ihr Zuhause mit einer Tür verschließen können, wenn sie Ruhe brauchen, haben Wildtiere keine Chance sich zurückzuziehen, wenn wir in ihren Lebensraum eindringen. Sie sind uns schutzlos ausgeliefert. Reinwald wünscht sich, dass sich alle Menschen immer wieder bewusst machen: „Ich bin zu Gast im Wohnzimmer der Wildtiere!“

Begegnungen mit Rindern sind in den Alpen gar nicht so selten.

Hund und Pferd

Begegnungen mit Haustieren sind für die meisten Radfahrer viel alltäglicher als die mit Wildtieren. Doch auch hier kann Stress auf allen Seiten vermieden werden.

Ein Klassiker sind Hunde, die mit ihren Herrchen und Frauchen oftmals die gleichen Wege nehmen wie Radfahrer. Einige Hunde sind verspielt und jagen Läufern und Fahrrädern gern nach, wovon man sich nicht aus der Ruhe bringen lassen sollte. Im Zweifel ist sogar Anhalten sinnvoll, damit der Hund erkennt: Hier handelt es sich um einen Menschen und keine Beute. Doch in der Regel ist das nicht nötig, wenn man ausreichend Abstand zu Hunden hält (mindestens 1,5 Meter) und die Geschwindigkeit reduziert. Auch das Klingeln beim Überholen hilft, einen Schreck und damit eine unangenehme Reaktion zu verhindern.

In manchen Gegenden trifft man auch auf Pferde mit Reiter. Reit- oder Kutschpferde sind an Menschen gewöhnt und haben in der Regel keine besondere Scheu. Sie können allerdings heftig reagieren, wenn man sie erschreckt. Radfahrer sollten also niemals einfach unerwartet unmittelbar hinter dem Pferd auftauchen – denn dies kann zum Austreten und Aufbäumen sowie zur Flucht des Tieres führen, was auch für den Reiter gefährlich werden kann. Am besten also: Nähert man sich Pferden von hinten, möglichst viel Abstand halten und mit Klingeln oder Rufen schon von weitem auf sich aufmerksam machen. Auch in anderen Fällen ist ausreichend Abstand halten unbedingt empfohlen.

Schaf und Rind

Auf Nord- und Ostseedeichen gibt es häufiger Begegnungen mit Schafen, doch diese sind sehr scheu und ziehen sich direkt zurück, selbst wenn sie in großen Herden unterwegs sind. Hier reicht der Hinweis, die Tiere nicht unnötig aufzuschrecken und in Panik zu versetzen.

Bei Rindern, die man durchaus in den Bergen antreffen kann, beispielsweise bei einer Alpenüberquerung, sieht das anders aus. Sie lassen sich teilweise nicht aus der Ruhe bringen und ignorieren den Radfahrer einfach, können aber auch aggressiv werden, vor allem, wenn Jungtiere dabei sind. Wer keinen Zaun zwischen sich und den Tieren hat: Nach Möglichkeit auf den Wegen bleiben. Die Rinder weiträumig und langsam umfahren, auch damit sie merken, dass vom Radfahrer keine Gefahr ausgeht. Hektische Bewegungen können Panik auslösen und müssen unbedingt vermieden werden. Liegen Rinder entspannt da, empfiehlt sich das Absteigen und zu Fuß um die Tiere herumgehen. Denn die Tiere sind mit Menschen vertraut und können dann die Gefahr besser einschätzen. Sie wollen ebenso wie andere Tiere einfach nur in Ruhe gelassen werden. Deshalb gilt: Füttern ist nicht nötig, streicheln nicht sinnvoll, das sorgfältige Schließen der Weidegatter umso wichtiger.

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