Slowenien: Ein Abenteuer mit dem Fahrrad

Die Geschichte einer Radreise

Slowenien: Ein Abenteuer mit dem Fahrrad

1. April 2023. Vier Uhr früh. Noch liege ich im Bett und lausche dem trommelnden Regen auf meinem Dachfenster. Ich könnte liegen bleiben. Ausschlafen. Doch ich habe mir vorgenommen, heute meine Radreise zu starten. Bis Österreich? Slowenien? Kroatien? Griechenland? Noch weiter? Mir ist bewusst, der Regen ist nicht mein Problem. Ich habe Angst einzuknicken.
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Vor der Konfrontation mit mir selbst. Vor der Anstrengung. Bliebe ich liegen, hätte die Angst gewonnen, noch bevor ich starte. Ein letzter Blick in die Wohnung. Rad gesattelt und los.

Es regnet. Der Tag erwacht. Gerne würde ich schreiben: Die Sonne geht auf. Doch ich sehe sie nicht. Der Himmel ist wolkenverhangen. Meine Radnavigation streikt. Mein Handy kann ich nicht in der Radhalterung verankert lassen. Dem Dauerregen würde es nicht standhalten. Die Vögel lassen sich vom Wetter den Tag nicht vermiesen und trällern in den schönsten Tönen.

Ich folge dem Sempt-Isen-Radweg. Anstrengend ist zu Beginn lediglich der Slalom um die Regenwürmer und Schnecken bei dem Versuch, keines der Tiere zu überfahren. Es rollt. Mit 25 km/h trete ich dahin. Dann der erste Hügel. 6 km/h. Durch kleinere Ortschaften, auf Asphalt- und Feldwegen, hügelauf und ab, sinkt meine Durchschnittsgeschwindigkeit auf 15 km/h. In Tüßling erlaube ich mir die erste Pause. Mir ist klar, danach wird es noch anstrengender. In Altötting signalisieren meine Beine, dass ich mich auf einen Muskelkater am Folgetag einstellen darf. Meine Füße sind kalt und nass. Ich weiß, viel weiter brauche ich nicht mehr fahren. Ich kann nicht. In 15 km Entfernung finde ich eine Bett&Bike zertifizierte Unterkunft (www.bettundbike.de).

Es liegt Schnee – und das nicht zu knapp

Hier lande ich mit 102 km auf dem Tacho am Leitgeringer See bei freundlichen und hilfsbereiten Gastgebern. Mit Blick aus dem Fenster bestätigt sich die Wettervorhersage für den Tag. Es liegt Schnee – und das nicht zu knapp. Mein Rad schlängelt sich dem Benediktenweg, an der Salzach und dem Tauernradweg entlang. Über holprigen Asphalt und Kieswege, welche reichlich mit Schnee bedeckt sind. Bei Bergheim, kurz vor Salzburg, wechsle ich auf den Mozart- und Salzkammergut-Radweg. Ab jetzt geht es bergauf. Die sanfte, kontinuierliche Steigung trifft mich am wunden Punkt: meiner fehlenden Kondition. Langsam trete ich bergauf. Es schneit heftig. Trotz der Anstrengung, die mich das Bergauf-Strampeln kostet, bin ich durchgefroren. Zehen und Finger schmerzen. Selbst meine dicken Handschuhe können mir nicht helfen.

Mein Ursprungsplan, hinauf zum Mondsee zu radeln, ist bei Wintereinbruch keine gute Idee. Spontan ändere ich meine Route und radle zum niedriger gelegenen Fuschlsee. Bis nach Bad Ischl wollte ich es schaffen. Doch bis zum Fuschlsee liegen noch 8 km – meist bergauf – vor mir. Und ich kämpfe. Entkräftet und vor Kälte zitternd meistere ich den letzten Anstieg und blinzle durch den starken Schneefall auf den unter mir liegenden See. Die meisten Unterkünfte haben geschlossen, doch ich habe Glück und finde nach 75 km eine Bleibe für zwei Nächte. Ein Pausentag scheint mir bei diesem Wintereinbruch die beste Lösung zu sein.

Meine Füße still halten kann ich dennoch nicht. Ich breche zu einer Wanderung auf den Schober-Gipfel (1328 m) auf. Es hat die ganze Nacht geschneit und so stapfe ich schon bald knietief im Schnee. Die Vernunft zwingt mich zur Umkehr. Stattdessen umrunde ich den Fuschlsee. Schneeflocken tanzen um meine Nasenspitze. Vögel singen, der See schimmert tiefblau.

Ein Selfie der Autorin auf dem Salzkammergut-Radweg.

Das Treffen mit zwei Alpakas

Am nächsten Morgen begrüßt mich kalte, klare Luft. Mein Körper ist warm, doch die Fingerspitzen und Zehen schmerzen vor Kälte. Ein Mann kommt mir entgegen. Er schiebt ein altes klappriges Rad vor sich her. Hinter sich an der Leine führt er zwei Alpakas entlang des Wolfgangsees. Ich folge dem Salzkammergut-Radweg bis Bad Ischl stets auf und ab. Der Tag ist jung und doch merke ich die Anstrengung. Um mich herum bestaune ich die imposanten Berge. Ihre Gipfel sind mit Schnee bedeckt. Ich folge dem Fluss Traun bis zum Hallstättersee. Am Ostufer geht es erst entspannt einem schönen Kiesweg folgend dahin. Die Sonne glitzert auf der Wasseroberfläche.

Vor mir türmt sich das imposante Dachsteingebirge mit seinen beschneiten Gipfeln auf. Ein Feuersalamander sitzt am Wegesrand und bleibt von meinen bewundernden Blicken unbeeindruckt. Der Kiesweg wird schmaler und schmaler, bis er schließlich zu einem Steg entlang des Ostufers wird. Er ist mit Schnee bedeckt. Damit mein Rad und ich die Rutschpartie meistern, schiebe ich den Steg entlang. Dann steht er mir bevor, der Anstieg, vor dem ich mich gefürchtet habe. Von Obertraun nach Bad Aussee. Der Dachstein Trail führt steil bergauf, ein umgestürzter Baum versperrt den Radweg. Ebenso steile Passagen und tiefe Schneefelder. Getreu dem Motto: Wer sein Rad liebt, der schiebt, kämpfe ich mich den Weg empor. In Bad Aussee beschließe ich noch weiter zu fahren. Weitere 40 km und 300 hm zusätzlich halten anstrengende Auffahrten, schnelle Abfahrten und unglaublich schöne Bergpanoramen für mich parat. Entlang des Ennsradwegs, stets dem gleichnamigen Fluss folgend, beende ich in Wörschach in der Steiermark nach 110 km und 900 hm den Tag.

Regen und Autos

Weiterhin fahre ich auf dem Ennsradweg. Die Wiesen sind saftig grün. Reif glitzert auf den Grashalmen. Die Berge um mich herum sind mit Schnee bedeckt. Bald wechsle ich auf den Rastlandradweg. Viel Asphalt habe ich heute unter meinen Reifen. Oft wechsle ich auf Straßenschleifen über die hier verlaufende Autobahn. So rolle ich einige Kilometer linker Hand der Autobahn, dann über eine Straßenführung über die Autobahn und weiter auf dessen rechter Seite. Der Himmel ist wolkenverhangen und schaut bedrohlich dunkel aus. Ich halte an, um meine Regenkleidung überzuziehen. Ein Tropfen fällt. 15 Minuten später folgt Tropfen Nummer zwei. Ob es noch anfängt zu regnen? Der Himmel ist unberechenbar. Auch der Wind ist von Tag eins an nicht auf meiner Seite. Der Gegenwind stellt mein Durchhaltevermögen täglich auf die Probe. Ich strample durchs Paltental hinauf zum Schoberpass (849 m ü. M.) und rolle hinunter ins Liesingtal nach St. Michael in der Obersteiermark. Von dort folge ich dem Murradweg bis Bruck an der Mur.

Hier übernachte ich im Baderhaus. Es ist das älteste Haus in Bruck an der Mur, datiert auf ca. 600 n. Chr. Individuell, fein und urgemütlich. Ein entspannter Radtag bis Graz steht mir bevor – dachte ich. Doch der Murradweg hält mehr Höhenmeter für mich parat, als erwartet. Meine Beine sind müde. Im Schnitt lege ich dennoch 20 km die Stunde zurück. 60 km liegen heute vor mir, ich habe also Zeit. Die Sonne scheint. Je näher Graz rückt, umso langsamer fahre ich. Nach sechs Tagen durch Berge und kleinere Orte scheue ich die Ankunft in der Stadt. Die Häuser ragen bereits mehr und mehr in die Höhe und weitaus mehr Menschen kreuzen meinen Weg.

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Ein schöner Tag in Graz

Graz ist eine schöne Stadt. Hier gönne ich mir typisch steirische Köstlichkeiten und einen Pausentag. Vom Schlossberg blicke ich hinab auf Graz. Das Leben pulsiert. Jung und Alt tummeln sich in den vielen Cafés, Restaurants und Bars. In der wohltuenden Frühlingssonne genießen sie ein Glas Wein, lachen und plaudern. Es dauert eine Weile, bis ich die Stadt entlang des Murradwegs hinter mir lasse. Ich passiere die Grenze zu Slowenien. Hier merke ich sofort, dass der Landeswechsel vollzogen wurde. Die Wegbeschilderung – sofern vorhanden – schaut anders aus. Entlang des Drauradwegs (R1) kämpfe ich mit starken Windböen und Gegenwind in gewaltiger Stärke. Deswegen folge ich anstelle des Radwegs der gut asphaltierten Bundesstraße. Ich radle durch die hügelige Landschaft, vorbei an kleinen Dörfchen, saftig grünen Wiesen und blühenden Kirschbäumen. 105 km und 400 hm später habe ich mein Ziel für heute erreicht.

Tags drauf führt mich der Weg weiter durch das wunderschöne, hügelige Slowenien. Es liegen 100 km und 800 hm vor mir. Der Tag begrüßt mich mit Sonne. Vögel pfeifen. Alles ist grün. Dazwischen Farbtupfer der weiß und rosa blühende Obstbäume. Nach Celje biege ich von der Bundesstraße auf einen Radweg nach Laško ab. Der Wetterbericht prophezeit ab Mittag Regen. Schon am Vormittag fallen die ersten dicken Regentropfen. Der Wind wird immer stärker und wie immer ist er gegen mich. Es folgen Starkregen, Blitz und Donner. Das Gewitter ist direkt über mir. Starkregen wandelt sich in erbsengroße Hagelkörner. Ein Bushäuschen kommt wie gerufen. Vor Kälte zitternd warte ich, bis das Unwetter vorübergezogen ist. Ich fahre weiter, durchs Savatal entlang des gleichnamigen Flusses. Komplett durchnässt erreiche ich meine Unterkunft in Litija.

Ankunft in Slowenien

Am zehnten Tag meiner Radtour erreiche ich nach 33 km und nur 80 hm Ljubljana, das Ziel meiner Radreise. Kroatien, Griechenland oder ein weiter entferntes Ziel habe ich diesmal nicht erreicht. Doch darum geht es auch nicht. Es geht um die Erlebnisse und Begegnungen, die zwischen jedem Aufbruch und jeder Ankunft liegen. Auch im Alltag. Und um das, was wir täglich daraus machen. Und auch wenn ich mich während der Reise oft fragte, warum ich mich der Anstrengung aussetze, weiß ich sicher: Ich werde wieder aufbrechen. Denn erst wenn man seine Komfortzone verlässt, wächst man über sich hinaus und lernt, Denk- und Verhaltensmuster zu hinterfragen und entwickelt sich weiter. Und das ist es, was uns zu stärkeren Menschen macht.

Unterkünfte

Tag 1: Pension Rapp in Furth am Leitgeringer See

Tag 2 + 3 (Pausentag): Frühstücks­pension Haslgut am Fuschlsee

Tag 4: Haus Moser in Wörschach

Tag 5: Baderhaus in Bruck an der Mur

Tag 6 + 7 (Pausentag): Ibis Budget Graz City in Graz

Tag 9: Gostilna Kovac – Kovac Marko s. p. in Litija/Slowenien

Tag 10: Viva Rooms (Apartment) in Ljubljana

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