Walter Röhrl, Ex-Rallyeweltmeister und Radfahrer im Interview

Ex-Rallyeweltmeister und Radfahrer: Walter Röhrl

Walter Röhrl, Ex-Rallyeweltmeister und Radfahrer im Interview

Als außergewöhnlicher Autorennfahrer und zweifacher Rallyeweltmeister ist Walter Röhrl längst Motorsportlegende. Radfahren ist für den 75-Jährigen heute noch essentiell für Fitness und Spaß. Im Interview erinnert er sich an schöne Raderlebnisse und erklärt, warum er noch ohne E-Motor pedaliert.
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Wenn in den 1970er und 80er Jahren erwachsene Rallyefans in totaler Verzückung ein im Drift vorbeirasendes Rallyeauto stürmisch feierten, dann war häufig ein Mann der Grund dafür: Walter Röhrl. Der 75-jährige, in Regensburg geborene Oberpfälzer fuhr, bei vielen seiner Erfolgen von Beifahrer Christian Geistdörfer unterstützt, 1980 und 1982 zu zwei Rallye-Weltmeistertiteln, wurde bereits 1973 Rallye-Europameister und brachte das fahrerische Kunststück fertig, die legendäre Rallye Monte-Carlo viermal als Sieger zu beschließen – auf Autos vier verschiedener Hersteller.

Röhrl wirkte dabei wie in sein Rennauto hineingeboren, bildete dessen logische Ergänzung. Sein Fahrstil: überaus präzise, das Risiko wohl kalkulierend. Damit war Röhrl auf diversen Untergründen erfolgreich; siegte nicht allein auf Schotter, sondern auch auf Schnee, Eis oder Asphalt. Fast „nebenbei“ gewann der Bayer, der nicht die übliche Motorsportschule mit Kart-Rennen und verschiedenen Motorsportklassen genoss, sondern Ende der 1960er über einen guten Bekannten im Skiclub zum Rallyesport kam, auch bei Rundstreckenrennen.

So kennt man ihn: Walter Röhrl quer in einem Porsche Rallye-Auto

Ein zeitlos beeindruckendes, fahrerisches Glanzstück bleibt sein Sieg beim legendären US-Bergrennen auf den über 4300 Meter hohen Gipfel des Pikes Peak in Colorado. Ausgestattet mit einem 650-PS-Rallyemonster, bewältigt Röhrl die 20-km-Rennstrecke als Erster in unter 11 Minuten, zirkelt zentimetergenau durch enge Kehren am drohenden Abgrund vorbei nach oben. Schützende Leitplanken? Fehlanzeige.

Einen wesentlichen Begleiter auf dem Weg zu derlei Rennerfolgen bildete für Walter Röhrl das Fahrrad – Mountainbike wie Rennrad. Reiste er zu Testfahrten nach Südfrankreich, nutzte der akribische Perfektionist die Pausen zwischen den Tests, um mit dem Rennrad Runden auf der Teststrecke zu absolvieren.

Ganz er selbst („wenn ich etwas mache, dann meistens ziemlich extrem“), mündeten seine üppigen Trainingskilometer früher in der Teilnahme an bekannten Radmarathons. Ötztaler oder Dolomiten-Marathon – gefahren ist er sie alle. Zum puren Vergnügen bewegt Ex-Rallyeprofi Röhrl Rennrad und MTB rund um sein Zuhause in Sankt Englmar, das – im Bayerischen Wald gelegen – über viel Fahrradqualität verfügt.

Nicht nur das Radfahren sorgt dafür, dass dem 75-Jährigen auch ohne Wettbewerbsdruck nicht langweilig geworden ist: Für Porsche fungiert er immer noch als Markenrepräsentant, unterrichtet Autofahrer in Winter-Fahrsicherheitstrainings oder fährt ausgiebig Ski. Und dann wäre da noch die Fanpost, die Röhrl Jahre nach seiner Rennkarriere kiloweise erreicht – und die er diszipliniert beantwortet.

Walter Röhrl, Rallye, Weltmeister, Rennrad

Walter Röhrl radelte bereits mit einigen Tour-de-France-Fahrern.

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Herr Röhrl, sieht man, wie Sie mit Ihrem Rallyeboliden mit tänzerischer Leichtigkeit auf einen 4300 Meter hohen Berg rasen, fragt man sich: Wie hielten Sie es eigentlich mit der Angst?

Walter Röhrl : Sicherlich, man war sich bewusst, dass die Autos gefährlich sind. Diese 550-PS-Rallyeautos, das war unglaublich! Ich war aber immer realistisch und mir der Gefahr bewusst. Ich hatte keine Angst; dem Zufall oder dem Glück wollte ich nichts überlassen, sondern alles im Griff haben.

Ich hab nach jeder Rallye analysiert: Gab’s eine Situation, in der du Glück hattest? Das darf nicht sein, ich will alles perfekt im Griff haben. So gesehen, ist alles gut gegangen in meinen 50 Motorsport-Jahren: Ich war nie verletzt im Krankenhaus. Auch, weil ich immer versucht hab zu wissen: Wo ist deine Grenze? Übertreibs nicht!

Du musst deine Grenzen kennen, anstatt zu glauben, du bist unsterblich und kannst dir alles erlauben. Sobald ich am Start stand, hatte ich keine Angst, sondern das Gefühl, alles im Griff zu haben, so dass mir nichts passieren kann.

Denken Sie, den Rallyesport in den 1970/80ern auch dank Ihrer Fitness dominiert zu haben?

Walter Röhrl : Es war ja so: Ich war der erste Mitteleuropäer, der die Skandinavier geschlagen hat. Der Rallyesport war damals absolut in skandinavischer Hand; Finnen und Norweger haben den Sport dominiert. Ich war der erste Mitteleuropäer, der ihnen bei der Olympia-Rallye 1972 plötzlich um die Ohren gefahren ist.

Und da war sicherlich einer der entscheidenden Punkte meine Kondition, weil Rallyes damals ja noch bis zu 4000 Kilometer liefen und du teilweise 40 Stunden ohne Pause am Steuer gesessen bist. Da hat sich in der zweiten Nacht natürlich meine Kondition bemerkbar gemacht, so dass ich relativ früh wusste: Auch für Motorsport muss man fit sein.

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Wie sind Sie bei soviel Autofaszination Radfahrer geworden?

Walter Röhrl : Das Radfahren hab ich damals durchs Autofahren kennengelernt. Als ich mit dem Rallyefahren begonnen hab, waren meine Sportarten Skifahren und Rudern. Ich war zu der Zeit im Ruderverein, dachte mir aber auch „okay, für die Rennen muss ich Konditionstraining machen“. So bin durch Zufall zum Mountainbiken gekommen.

Das war in den 80er Jahren, als Hercules sein erstes Mountainbike herausgebracht hat. Über Adidas hatte ich einen Kontakt dorthin und hab mir also ein MTB gekauft. In Garmisch gab’s damals ein Rennen zur Esterbergalm rauf, das bin ich mitgefahren.

Und wie wurden Sie Rennradfahrer?

Walter Röhrl: Damals sollte ich für Audi mal bei einer Werbe-Radtour mit 30 Kilometern mitmachen. Also bin ich da mitgefahren. Dann haben die mir aber gesagt: Die Etappe ist 115 Kilometer lang. Um Gottes willen, 115 km! Da dacht ich, „da musst ganz hinten im Feld im Windschatten fahren, damit du durchkommst“.

Und dann gab’s da natürlich ein paar Berge auf der Tour, der erste irgendwo im Taunus. Da hab ich mich dann gewundert, „ja, warum fahren die denn alle nicht? Ich muss jetzt da schon an ein paar vorbei, sonst fall ich vom Rad runter“. Kurzum: Nach Didi Thurau, Klaus-Peter Thaler (die deutschen Radprofis trugen das gelbe Trikot bei der Tour de France, die Redaktion) und einem Radrennfahrer aus dem Osten war ich als Vierter oben auf dem Berg.

Dann sagen die zu mir: „Ah, wieder ein Motorsportler, der das Radfahren zum Konditionstraining nutzt“. Daraufhin ich: „Ich sitz das erste Mal auf einem Rennradl!“. Da ist meine große Rad-Leidenschaft erwacht, das dürfte 1984 gewesen sein, als ich bei Audi war. Von da an bin ich jedes Jahr zwischen 7000 und 12.000 Kilometern gefahren.

Walter Röhrl, Weltmeister, Rally, Porsche

Röhrl fährt gerne Rennrad und Mountainbike.

Ein heftiges Pensum für einen hauptberuflichen Rallyerennfahrer …

Walter Röhrl : Ja, wobei meine Motivation einerseits das Konditionstraining war, andererseits der Umweltschutz, weil ich mir gesagt hab, „ich fahr eh schon so viel Auto, ich mach sonst alles mit dem Rad“. So bin ich per Rad die 290 Kilometer von Regensburg zu meinem Haus nach Saalbach-Hinterglemm gefahren. Deswegen bin ich heut so allergisch gegen das Wort nachhaltig, ein Unwort für mich.

Warum?

Walter Röhrl : Weil ich vor 35 Jahren darüber nachgedacht hab, dass ich möglichst nicht mit dem Auto fahr, wenn ich privat unterwegs bin. Ich hab Umweltbewusstsein versucht zu leben; hab zum Beispiel das Wasser beim Zähneputzen abgedreht. Und heut fängt man an, andauernd von Nachhaltigkeit zu reden, da hätte man doch schon vor 35 Jahren mit beginnen müssen, anstatt jetzt plötzlich mit allerlei Blödsinn zu dem Thema zu kommen.

Ich hab auch das Gefühl, dass ich durch den Motorsport sehr viel für die Umwelt getan habe, weil der Motorsport ein Zeitraffer in der Entwicklung ist. Im VW Käfer meiner Frau bin ich 1965 mit 30 PS gefahren; heute fahr ich ein Auto mit 650 PS, das 10 Liter braucht. Was da zum Guten passiert ist!

Ich hab nicht nur die Umwelt belastet, sondern auch was dafür getan, dass etwas besser wird. Ich war bemüht, in meinem Privatleben was zu tun und bin deshalb soviel Rad gefahren. Und ich komm mit dem Rad überall hin …

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Man sagt, auch mit Radsport-Ikone Eddy Merckx seien Sie geradelt?

Walter Röhrl : Ich hatte das Glück, über Wolfgang Renner (Gründer der Radfirma Centurion, die Red.) Tour-de-France-Sieger Eddy Merckx kennenzulernen. Da durfte ich jahrelang mit ihm und zehn seiner besten Freunde aus der Szene – da war keiner dabei, der unter fünfmal die Tour de France gefahren ist – bei der einwöchigen Eddy-Merckx-Tour mitfahren.

Jeder Pass war ein Etappenziel, das zählte! Die hab ich alle gewonnen, es hat mich nie einer geschlagen. Beim nächsten Berg wusste der Eddy schon, dass ich gleich weg bin (lacht).

Offenkundig hatten Sie für den Radsport viel Können und Talent – wäre das eine Karrierealternative gewesen?

Walter Röhrl : Hab ich nie dran gedacht. Aber ich erinnere mich an ein Trainingslager mit Klaus-Peter Thaler im Schwarzwald, in dem Jahr, als er zum vierten Mal Querfeldeinweltmeister wurde. An einem Tag sagte der, er muss heut an der Oppenauer Steige – 12 Kilometer, 12 % Steigung – einen Leistungstest machen, ans Limit gehen. Ich soll mich nicht stressen, er würd sich dann oben ausfahren, bis ich komm.

Jetzt war ich aber drei Zentimeter hinter ihm, da hat er gesagt „du Arsch, du wärst auch Weltmeister beim Radfahren geworden!“. Wäre ich wahrscheinlich nicht, weil ich zu groß bin zum Radfahren, aber am Berg hatte ich schon gewisse Voraussetzungen.

Man liest, Sie „unterhalten“ auch eine kleine Fahrradsammlung?

Walter Röhrl : Jaja … doch, so um die zehn hab ich bestimmt.

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Gibts ein Lieblingsrad?

Walter Röhrl : Ja. Im Rennrad-Sektor bin ich fast immer ein Merckx-Rennrad gefahren, weil das Lustige war, dass mir der Rahmen von Axel, Eddy Merckx‘ Sohn, genau gepasst hat. Also hab ich ab und an ein Rad von Axel bekommen – meine ideale Sitzposition hat Eddy in mühsamster, zweitägiger Kleinarbeit ermittelt. Und mit der fahr ich heut noch Rad (lacht).

Ist das E-Mountainbike ein Thema für Sie?

Walter Röhrl : Nein, bis jetzt wehre ich mich dagegen, wobei ich dessen Sinn absolut sehe. Ein E-MTB ist eine tolle Erfindung. Damit kann man auch mal in der Stadt gut fahren, das ist auf jeden Fall eine gute Sache. Ich hätte nur immer noch ein schlechtes Gewissen, dass ich damit meine Leistung nicht mehr bewerten könnte.

Irgendwann werd ich natürlich auch alt und dann ist’s besser, ich fahr mit dem E-Bike als gar nicht mehr. Außer für ein schnelles Foto und einen Kurztest bin ich noch nie E-MTB gefahren.

Sie sind ja mit Mountainbike und Rennrad vertraut. Womit sind Sie meistens unterwegs?

Walter Röhrl : Da ich ja im Bayerischen Wald leb, bin ich zuletzt hauptsächlich Mountainbike gefahren, weil ich auf dem Rennrad mittlerweile ein bisschen Angst hab bei dem Verkehr. Wenn ich losfahre, muss ich erst zehn Kilometer auf der Hauptstraße fahren, da erlebst du Dinge … Bis letztes Jahr eine Autozeitschrift auf mich zukam, um mit einem neuen Rennrad eine Radstory mit mir zu machen. So hab ich wieder Lust am Rennradfahren bekommen und mir gesagt, ich muss dieses Jahr wieder verstärkt damit fahren.

Das ist so elegant, da geht was vorwärts. Mich da wieder mehr mit zu beschäftigen, da freu ich mich drauf. Auch, weil dieses neue Rad aerodynamisch toll und bergab sehr steif ist, was bei meiner Größe von 1,95 Metern nicht selbstverständlich ist.

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Sie haben einiges von der Welt gesehen, auch vom Radsattel aus. Gibts einen aktuellen Radfahrtraum für Sie?

Walter Röhrl : Nein, … was ich versäumt hab: Ich wollt den Mont Ventoux gern mal mit dem Radl fahren, bin aber nie dazu gekommen. Den Großglockner bin ich früher regelmäßig gefahren; bei so was muss man aber auch realistisch sein, da muss man sich auch nicht mehr unbedingt rauf quälen.

Ich genieße es, die 75 km von Sankt Englmar nach Regensburg mit dem Rennrad zu fahren. Da muss ich eben die ersten zehn Kilometer überstehen, dann kommt der Donauradweg, das geht ganz gut. Ansonsten könnte ich mal wieder nach Saalbach fahren, das müsst ja nicht an einem Tag sein, man könnte zwischendrin ja eine Pause machen. Man muss sich ja doch auch Ziele setzen, damit man motiviert ist, etwas zu tun.

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