Nicht alle Regenjacken überzeugen in unserem Test.

Regenjacken im Test

Noch ganz dicht?

Regenjacken im Test

Eine Radtour, die sonnig beginnt, kann schon mal sprichwörtlich ins Wasser fallen. Ähnlich ergeht es uns bei diesem Test. Euphorisch begonnen, ist unser Regenjackentest am Ende eine wahre Wasserschlacht. Aber es lohnt sich. Denn wir entdecken neben klugen Details auch überraschende Schwächen.
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So langsam habe ich echt keine Lust mehr! Der Regen lässt einfach nicht nach, kommt von vorne, von oben – eigentlich von überall. Gnadenlos prasselt er auf mich nieder. Ich kann ihm einfach nicht ausweichen. Das Wasser läuft mir über Gesicht und Hände. Und es ist kalt. Mir ist kalt. Ich bin froh, wenn es vorbei ist. Gnadenlos bin ich ihm schon seit gut zwei Stunden ausgesetzt.

Dabei war ich am Anfang noch ganz enthusiastisch, habe mich regelrecht auf diese Wasserschlacht gefreut. Schließlich habe ich es ja nicht anders gewollt, mein Schicksal selbstgewählt. Denn während andere die Sonne genießen, habe ich mich leider entschlossen, mich nass zu machen. Allerdings, so schreibe ich es mir auf die moralische Fahne, zu einem guten Zweck, der da heißt, finde die beste Regenjacke.

Aus diesem Grund habe ich mir unsere Testjacken unter den Arm geklemmt und mich bei Vaude am Bodensee einquartiert. Der Sporthersteller hat uns nämlich freundlicherweise seine Regenkammer zur Verfügung gestellt.

Das Testprozedere

Diese Regenkammer ist so etwas wie eine überdimensionierte Dusche. Groß genug, dass ein Trekkingrad auf der Rolle genügend Platz darin hat. Zwei Brausen lassen sich nach Belieben einstellen. Ebenso können wir das Wasser regulieren. Wir stellen die Köpfe so ein, dass das Wasser richtig schön von vorne kommt und, dass es auf den Rücken trifft. Am Wasserhahn entscheiden wir uns für die Variante „volles Rohr“. Schließlich wollen wir die Regenjacken ja auf Herz und Nieren testen. Zehn Minuten muss sich jede einzelne in der Kabine beweisen. Zugegeben, da fließt eine Menge Wasser. Übertragen auf den Alltag entsprechen unsere Testparameter aber etwa einer Regenfahrt von 2 Stunden. Das sollte ein gutes Produkt schon aushalten. Mit langärmeligen T-Shirts wollen wir die potentiellen Schwachstellen offenbaren. Mittlere Farben eignen sich besonders gut, da auf ihnen nasse Stellen perfekt zu sehen sind.

Also ist der Ablauf so: neues, trockenes T-Shirt anziehen, Jacke an und alle Reißverschlüsse dicht ziehen ebenso wie Bündchen und Kragen oder Kapuze. Dann rein in die Kammer, rauf aufs Rad und Wasser marsch. Im Sitzen und Stehen radeln und sich aus vollen Rohren nass regnen lassen. Alle zwei Minuten den Kopf nach links und rechts wenden. Nach zehn Minuten Wasser halt. Raus aus der Kabine und raus aus der Jacke. T-Shirt inspizieren und zum Beweis von vorne und hinten abfotografieren lassen.

11 mal mache ich das Ganze. Immer wieder rein in die nasse Zelle, wie ich die Regenkammer nach einer Weile nenne. 11 Mal 10 Minuten Regen. So kommen also die zwei gnadenlosen Stunden zusammen. Wenn auch mit Unterbrechung und immer wieder trockenen T-Shirts – ich habe also eingangs etwas übertrieben – bleiben zwei sehr zähe, nasse Stunden.

Denn leider bleibt das Wasser viel zu oft nicht außen. Viel zu oft läuft es mir kalt den Rücken runter. Meistens kommt es vorne sogar zu erst rein. Irgendwann sind auch die Schuhe und Socken nass, obwohl ich mit Gamaschen vorgebeugt habe.

Warum nun diese Qual? Warum bin ich so oft nass? Die Ursache kann ich schnell ausmachen. Es sind die Jacken ohne Kapuze, immerhin acht Probanden, die mich regelmäßig erschaudern lassen. Obwohl das Wasser mehr von vorne kommt oder tiefer auf den Rücken prasselt, zieht es über den Kragen rein. Entweder steht der sowieso weit auf wie leider bei der Specialized und der Regen kann ungehindert ins Innere. Oder die oft eingesetze Kordel hilft auch nicht wirklich Denn entweder wölbt sich dann das Futter – ein eigentlich angenehmer Fleecekragen – nach außen wie bei Shimano und Northwave oder der Fleece reicht ohnehin um die Kante. Ziener fasst den Saum mit einem Gummi ein. So kann der saugfähige Stoff das Wasser richtig schön nach innen ziehen. Am besten hält der Kragen der Löffler-Jacke dicht. Aber auch eine Kapuze ist kein garantierter Nässeschutz. Egal, ob über (Vaude, Endura) oder unter (Gore Bike Wear, Gonso) einem Helm getragen. Spätestens, wenn man sich nach links oder rechts umsieht, läuft, in unserem Test, leider das Wasser vorne rein. Das hat uns etwas überrascht. Kopf und Rücken bleiben aber trocken.

Zwei fallen (r)aus

Generell bringt der Test einige unnötige Schwachstellen, die sich einem eigentlich schon beim genaueren Hinsehen offenbaren, ans Tageslicht. Warum die Hersteller sie übersehen oder in Kauf nehmen, bleibt ein Rätsel. So ist manche Naht im Kragen durchgenäht aber nicht versiegelt. Das Kragenproblem allgemein gehört dazu und ganz speziell die fehlende Kordel bei der Jacke von Specialized. So etwas ist unnötig und passt nicht zu der sonstigen Qualität des Weltkonzerns. Bei Gonso sammelt sich das Wasser in den nicht dichten Taschen. Bei Gore würde eine Kordel im Kragen, zusätzlich zur Kapuze, das Ergebnis auch noch verbessern. Kurze Schnitte (vorne) der sportlichen Jacken können auch ein Problem sein. Kombiniert mit ebenfalls vorne tiefsitzenden Regenhosen (beides zusammen verhindert eine dicke störende Stoffwulst am Bauch) deckt möglicherweise den Bauch nur in tiefer Sitzhaltung ausreichend ab. Schon leicht aufgerichtet kann hier eine Lücke entstehen, die der Regen liebend gerne ausnutzt.

Zwei der kapuzenlosen Jacken offenbaren gar so viele Schwächen, dass wir sie aus dem Test genommen haben. Wasser kommt bei ihnen über unversiegelte Nähte, offene Stoffenden oder sogar durch den Stoff selbst so stark nach Innen, dass sie sich als Regenjacken nicht eignen. Mit 11 Jacken haben wir den Test durchgeführt. Nur neun finden den Weg ins Heft.

Sehr positiv bewerten wir die vielen radfahrerfreundlichen Schnitte – mit langen tief nach unten gezogenen Rückenteilen. Teilweise lassen sie sich sogar extra noch verlängern wie etwa bei Gonso. Auch durchweg lange Ärmel notieren wir positiv.

Pflegehinweise für Regenjacken

Pflegehinweise für Regenjacken

Atmungsaktivität ganz individuell

Wasserdicht zu sein ist natürlich nur eine der Eigenschaften, die eine gute, taugliche Regenjacke für Radfahrer erfüllen muss. Wäre das Kriterium allein seligmachend, führen wir alle mit Müllsäcken herum. Nein, eine moderne Regenjacke für aktive Freizeitsportler muss auch atmungsaktiv sein. Sie muss in der Lage sein, den Schweiß zuverlässig nach außen zu transportieren.

Testet man die Atmungsaktivität, sollte man das möglichst unter den immer gleichen Bedingungen machen. Dafür wäre die Regenkammer sicher geeignet. Leider ist das Wasser so kalt, dass mein Körper nicht ins Schwitzen kommt. Alternativ und definierter ginge das sicher im Labor. Aber selbst dann sind die ermittelten Werte mit der alltäglichen Praxis nur bedingt vergleichbar, weil jeden Tag das Wetter anders ist, jeder Mensch anders schwitzt oder sich anders sportlich betätigt. Eine Bewertung des Ganzen wäre daher wie gesagt nur mit Abstrichen möglich. Weil die Hersteller die technischen Daten ihrer Membranen längst ermittelt haben, können wir also genausogut deren Werte angeben.

Daraus lässt sich dann ablesen, dass die Jacke von Endura zum Beispiel oder diejenigen mit Gore-Tex-Membranen schnell viel Feuchtigkeit aus der Jacke transportieren, also für sportliche Menschen geeignet sind. Mit einem RET-Wert von unter drei setzt die neue Gore-Tex Active Shell hier sogar neue Maßstäbe. Gonso zum Beispiel gibt dagegen nur einen niedrigen Wert an. Deren Jacke ist demnach besser für den gemütlichen Fahrergemacht.

Bei feucht-warmen Wetter kommen aber alle Laminate irgendwann an ihre technischen Grenzen.

Fazit

Wir haben einige Jacken genauso unter Wasser gesetzt wie die Regenkammer selbst. Vieles, was wir dabei entdecken, überrascht – weil es so leicht zu vermeiden wäre. Andererseits überzeugen uns gute Schnittführungen und spannende Details.

Am Ende des Tages hält mein Kollege sein Hände in mein Blickfeld, zählt mit seinen Fingern die letzten Sekunden runter. Dann dreht er das Wasser aus. Erleichtert schäle ich mich aus der letzten Jacke und versuche mich in den verbliebenen Sonnenstrahlen noch ein wenig zu wärmen. Manchmal ist es doch besser, wenn man sich warm schwitzen kann.

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