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Gravel Bikes 2022 im Test: 22 Gravelräder von 1099 bis 9035 Euro

Pures Glück auf allen Wegen

Gravel Bikes 2022 im Test: 22 Gravelräder von 1099 bis 9035 Euro

Stollenreifen? Und auch noch breiter als 28 Millimeter? Unmöglich! Dazu lauter Ösen? Eine pickelige Pest! Und Scheibenbremsen? Schweres Teufelszeug! Was vor wenigen Jahren am Rennrad noch absolut ausgeschlossen war, ist am Gravelbike heute voll im Trend. Und Glück und Freiheit liegen nicht mehr auf der Straße, sondern im Staub der Schotterwege und in der Kühle des Waldes.
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Wenn im Sommer die Hitze brütet, sind Badeseen ein beliebtes Ausflugsziel. Davon zeugen die fast endlosen Schlangen geparkter Autos an den Straßenrändern ringsum, in denen sich die Sonne heiß spiegelt und die Luft flimmern lässt. Dazwischen sieht man überhitzte, flip-floppende Massen sehnsüchtig gen Abkühlung streben. Quer durchs Land ist das eine ganz typische Prozession in jedem Sommer.

Wem so ein See als Menschenmagnet gerade trotzdem nicht zusagt, wem das zu viel, zu voll, zu laut ist, sucht sein Glück vielleicht im Abseits. Sucht die Sonne auf staubigen, abgelegenen Schotterpisten und findet Entspannung im Wald. Immer umweht vom Fahrtwind und begleitet mal vom knirschenden Kies, mal von knackenden Kiefernzweigen.

Das ist ja der Vorteil der Gravelbikes. Dass man die Freiheit hat, auf allen Wegen zu fahren. Einfach unbekannte Strecken zu erkunden. Gravelräder sind so frei. Vielseitigkeit ist ihre Stärke. Das belegen die 22 Räder im Test mit Nachdruck. Ihre Bandbreite reicht vom wettkampforientierten Renner, der auch gern mal eine Straße unter die schmalen Reifen nimmt, bis zum soliden Tourer, der auch einer Weltreise nicht abgeneigt wäre. Dazwischen bewegt sich das Feld mal auf festerem Schotter, mal auf weichen Böden, einige verschmähen auch längere Wurzelpassagen und kurvige Trails nicht. Je nach Wendigkeit, Stabilität und Griffigkeit.

Das Konzept Gravelbike, oder so wie es in den allermeisten Fällen ausgelegt wird, ist mit dem reinen Sportgerät aber zu kurz gegriffen. Es ist eher eine Art Universalfahrzeug mit sportlich leichten, agilen Rennradgenen. So sind die Räder sehr oft mit Aufnahmen für Schutzbleche, Heckträger und Lowrider ausgestattet und können zum alltagstauglichen Randonneur aufgerüstet werden. Auf der anderen Seite können Gravelbikes auch gut als Cyclocrosser durchgehen, wenn sie entsprechend kompakt ausfallen. Das Stevens Prestige und das Conway GRV basieren explizit auf Querfeldein-Modellen. Neben den klassischen Anbau-Ösen sind die Schotterräder an Ober-, Unterrohr und Gabel oft mit Buchsen für modernes Bikepacking-Equipment bestückt und verkörpern den entsprechenden (Kurz-)Abenteuer-Geist, der im Tout Terrain Scrambler am stärksten zum Ausdruck kommt.

Deutliche Preisunterschiede

Der Test umfasst auch eine große preisliche Bandbreite. Angefangen beim Triban GRVL 520 von Decathlon für 1099 Euro, bis zum Falkenjagd Aristos R Rohloff Gravel für 9035 Euro. Dazwischen liegt ein Preisschwerpunkt bei etwa 2000 Euro. Ab da steigen die Preise allmählich mit zunehmenden Sprüngen im oberen Bereich, wobei das Falkenjagd noch mal ein Drittel mehr kostet als das zweitteuerste Rad, das limitierte GX-1200 der VSF Fahrradmanufaktur.

Es gibt ein paar Gründe für diesen Preisschritt. Einer ist, dass das Falkenjagd das einzige Rad im Test ist mit einem Titanrahmen, der auch noch 3D-gedruckt ist. Das üblichere Rahmenmaterial ist, gerade in den unteren Preisregionen, Aluminium. Im Preis-Verlauf wird es von Carbon abgelöst. Stahl kommt dreimal zum Einsatz. Und schließlich setzt Vaast auf eine spezielle Magnesium-Legierung. Bei den Gabeln hingegen ist Carbon klar das Material der Wahl. Sie können so gezielt steif, robust (gepäcktauglich) und gleichzeitig komfortabel konstruiert werden. Von diesen Möglichkeiten profitieren selbstverständlich auch die Rahmen. Wobei die Auslegung doch unterschiedlich ist. So sind das Cervélo Áspero und das Storck Grix.2 deutlich straff, während Giant oder LIV und Parapera eher komfortabel ausfallen. Die Aluminiumrahmen fallen insgesamt auch eher straff aus, wobei es ebenfalls Unterschiede gibt. Dass Stahlräder immer komfortabler wären, belegen zwar das VSF und das Tout Terrain. Das schlanke, günstigere Poison Cyanit aber ist auffällig straff gestimmt.

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Laufen lassen! Vor allem die breiter bereiften und komfortableren Modelle preschen elegant auch über Wurzelpassagen. Gut, wenn der Lenker griffig in der Hand liegt

Viel Komfort, viel Ausdauer

Beim Komfort hängt viel auch von den ­übrigen Komponenten ab. Besonders Alu-Sattelstützen können je nach Materialdicke und Durchmesser bocksteif oder hochflexibel ausfallen. Für hohen Komfort sorgt die D-förmige Carbon-Stütze bei Giant/LIV. Die zweiteilige Carbon-Stütze von Canyon ist noch mal deutlich besser und ein Nachrüsttipp für viele Räder.

Griffig im Gelände

Anders als an Rennrädern sind die Reifen im Minimum 35 Millimeter breit. Während 40 Millimeter ein guter Standard sind, sind sogar über 50 Millimeter real. Die Reifenprofile sind klein- und mittelstollig, teilweise mit einem deutlichen Mittellaufstreifen. Je zarter das Profil ausfällt und je schmaler die Reifen sind, desto lieber laufen die Räder auf festen, glatten und trockenen Wegen. Je gröber die Pneus, desto griffiger sind sie und damit besser für losere oder weichere Böden geeignet. Jeder Millimeter Breite bringt auch mehr Komfort. Sind die Laufräder auch noch tubeless-ausgerüstet (wie bei Giant/ LIV ab Werk), können sie mit niedrigeren Drücken gefahren werden – ohne Durchschläge zu riskieren – und erzeugen dadurch noch mehr Grip und Komfort und sind zusätzlich sehr pannensicher.

Zähne zeigen

Kettenschaltungen sind immer noch das sportliche Besteck der Wahl. Dabei findet man etwa zur Hälfte die leichten und aufgeräumten 1-fach-Systeme mit 10 bis 13 Gängen an Kassetten mit bis zu 44 Zähnen. Bei sportlich ambitionierteren Rädern kommen eher Schaltungen mit doppeltem Kettenblatt zum Einsatz. Das bringt eine größere Gangbandbreite mit deutlich schnelleren Übersetzungen bei gleichzeitig engerer Gangabstufung, weil auch die Kassetten mit zum Beispiel 11-34 Zähnen enger gefasst sind. Shimanos GRX-Gravelsystem ist dabei die Schaltung der Wahl. Je nach Preislage in der 400-, 600- oder 810-Version. Die Campagnolo Ekar ist mit ihren 13 Gängen an der progressiv ansteigenden Kassette eine elegante, sportliche Alternative mit sehr guter Bedienung und Ergonomie. Die Sram Rival eTap AXS (am Canyon) schaltet per Funksignal und ist dank der sensiblen Taster super direkt.

Geht man mehr auf Genuss oder in Richtung (Abenteuer-)Reise, dann findet man auch die haltbaren und servicefreundlichen Rohloff- oder Pinion-Getriebe (Falkenjagd, Tout Terrain), die zudem vom wartungsarmen Riemen angetrieben werden. Mit entsprechendem Gewichtsaufschlag.

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Sicher stoppen

Die Bremsen entsprechen jeweils den Schaltgruppen und sind fast durchweg hy­draulisch. Im Einsteigerbereich findet man auch voll mechanische (Salsa) oder kombinierte (Triban) Versionen. Außer in seltenen Ausnahmefällen (Tout Terrain) sind Bremsrotoren mit ausreichend kräftigen 160 Millimetern Durchmesser verbaut.

Viele Schalt- und Bremsleitungen verschwinden im Rahmen. Sie direkt im Steuersatz, Vorbau oder gleich im Lenker zu verbergen, liegt im Trend. Optisch ist das sehr clean, wartungsmäßig aber nicht immer einfach zu handhaben. Die gebogenen Lenker gleichen auf den ersten Blick den typischen Rennradbügeln. Meist sind sie aber um einige Zentimeter breiter und oft auch seitlich mehr oder weniger ausgestellt. Das bringt mehr Kontrolle im Gelände und mehr Ergonomie auf langen Ausritten. Aerodynamik steht dabei weniger im Fokus.

Beim Gewicht ist die Bandbreite überraschend überschaubar. Die Räder gruppieren sich samt Pedalen um zehn Kilogramm, mit Tout Terrain als Ausreißer nach oben (14 kg) und Parapera nach unten (7,9 kg).

Gravel Bikes im Test: Fazit

Es ist eine große Freude zu erleben, wie kreativ die Produktmanager das Thema Gravel­bike angehen. Und ganz im Allgemeinen stehen am Ende überzeugende Fahreigenschaften und zuverlässige Technik für aktive Abenteuer und sportliche Freiheit auf allen Wegen. Wenn man sich dann nach der Tour die staubigen Klamotten vom Leib zieht und sich im kühlen Badesee erfrischt, ist das Glück ganz groß!

Diese Gravel Bikes haben wir getestet

Marke Modell Preis Prädikat
Triban GRVL 520 Subcompact 1099 Euro Preis/Leistung
Salsa Journeyer Apex 1 650 1699 Euro
Radon Regard 10.0 1799 Euro Preis/Leistung
Conway GRV 8.0 1899 Euro
Poison Cyanit 1999 Euro
Stevens Prestige 1999 Euro
Vaast A/1 GRX 1999 Euro
Drössiger Gravel Pit Plus 2099 Euro Empfehlung
Giant Revolt Advanced 3 2199 Euro Empfehlung
Trenga De GLG 9.0 2199 Euro
KTM X-Strada 10Testbrief 2399 Euro
8Bar Mitte V3 Pro 2502 Euro
Liv Devote Advanced 2 2799 Euro
Canyon Grizl CF SL 7 eTap 3299 Euro Preis/Leistung
Cervélo Áspero 3399 Euro
Rose Backroad GRX RX810 1×11 3549 Euro Empfehlung
Bombtrack Hook EXT C 3599 Euro
Parapera AnemosTestbrief 3990 Euro Empfehlung
Storck Grix.2 Pro GRX 2×11 4199 Euro
Tout Terrain Scrambler Xplore GT II 275 5404 Euro
VSF Fahrradmanufaktur GX-1200 5999 Euro
Falkenjagd Aristos R Rohloff GravelTestbrief 9035 Euro

Die ausführlichen Testberichte der Gravel Bikes für die Saison 2022 lesen Sie in der Radfahren 7-8/2022. Hier können Sie die Ausgabe als Printmagazin oder E-Paper bestellen.

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