Drehmomentschlüssel für Radfahrer: Test und Infos

Drehmomentschlüssel im Test: Nach fest kommt ab!

Drehmomentschlüssel für Radfahrer: Test und Infos

Zahlreiche Schraubverbindungen halten ein Fahrrad zusammen und bedürfen einer sorgfältigen Behandlung. Doch hier hapert es häufig, die Sicherheit leidet. Wie man sicher schraubt? Mit Drehmomentschlüssel! Doch worauf muss man im Detail achten, was können aktuelle Modelle?
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Die Fahrradsaison naht und viele Räder werden fit für den Einsatz gemacht. Mein Freund Micha ist selbst ernannter Spezialist und schraubt, obwohl er es eigentlich sein lassen sollte, gerne selbst. Doch zähe Muckis und pure Kraft zollen ihren Tribut: Schon einige Gewinde haben vor der schieren Kraft die Segel gestrichen. So waren nicht nur einmal teure Reparaturen und Neuteile fällig.

Das andere Extrem: Schrauben werden zu vorsichtig angezogen und lockern sich während der Fahrt. So entstehen unvermittelt schwere Stürze, Verletzungen und Schäden am Rad. Das muss nicht sein, denn Rettung naht: der Drehmomentschlüssel (DMS).

Zum Verständnis: Fahrräder werden immer mit einem Leichtbauziel entwickelt. Leichte Räder gelten als hochwertig und lassen sich in der Praxis agiler fahren und leichter tragen. Dies gilt nicht nur für Rennräder und Gravel-, sondern auch für Mountainbikes, Stadt- und Trekkingräder. Aus einem geringen Gewicht und der filigranen Bauweise ergibt sich bei Montage- und Wartungsarbeiten aber auch eine erhöhte Vorsicht und Sorgfaltspflicht. Und das gilt nicht nur für leichte Carbon-, Aluminium- und Kunststoffteile, sondern auch für alle anderen
Materialien. Wer professionell und nicht stümperhaft arbeiten will, ist also auf einen DMS angewiesen. Egal, ob in der Hobby- oder Profiwerkstatt.

Warum sollte ich einen Drehmomentschlüssel verwenden?

Eine sichere Schraubenverbindung ergibt sich, wenn Schraube und Mutter mit dem optimalen Drehmoment angezogen werden. Dabei verzahnen sich die Oberflächen mit dem richtigen Maß, stellen sicheren Sitz und beste Haltbarkeit sicher. Das Drehmoment setzt sich dabei aus Kraft (Newton) und Hebelarmlänge (Meter) zusammen. Dadurch ergibt sich die Einheit Newtonmeter (Nm). Wird nur ein Parameter geändert, ergibt das in der Praxis deutliche Unterschiede! Die weitläufige Meinung „Das habe ich im Gefühl“ ist ein Trugschluss. Vertrauen mag gut sein, in diesem Fall ist echte Kontrolle viel besser. Zahlreiche Versuche haben ergeben, dass die Probanden meist meilenweit vom optimalen Drehmoment abweichen. Zumal es nicht nur auf den Gewindedurchmesser und die Materialien von Schraube und Mutter ankommt, sondern auch, ob eine Schraube etwa trocken, geölt oder gefettet eingebaut wird! Hier sollte das Hersteller-Manual des Bauteiles eine klare Aussage treffen.

Was ist das ideale Drehmoment?

Das ideale Drehmoment schützt die Gewinde von Schrauben und Muttern und somit die Bauteile vor Beschädigungen, hält die Schraubverbindung aber sicher zusammen. Je nach Materialien und Festigkeiten gibt es große Unterschiede. Bei Fahrradteilen stellt die Mutter oftmals das Bauteil selbst dar. Bei Vorbauten besteht das Gewinde dann aus Aluminium und ist schwächer als die Schraube selbst. Auch beim Zusammenspiel mehrerer Bauteile zählt im Zweifel immer der schwächere Partner. Lässt der Leichtbaulenker nur 4, der Vorbau aber 6 Nm zu, sollte zwingend der geringere Wert des Lenkers gelten. Daher sollte man die Bedienungsanleitung des Fahrrades, der Bauteile oder das Bauteil selbst betrachten. Merke: Wer nicht mit teuren Bauteilen, seiner Gesundheit oder sogar seinem Leben spielen will, arbeitet mit einem Drehmomentschlüssel!

Drehmomentschlüssel sind Messwerkzeuge!

Wer Schrauben lösen oder leicht handfest anziehen will, arbeitet erstmal mit normalem Werkzeug und nicht mit einem DMS. Denn die sind eigentlich keine Werkzeuge, sondern Messinstrumente! Wird ein Drehmomentschlüssel zum Schrauben verwendet, kann sich die Mechanik verstellen. Damit stimmt die vom Hersteller durchgeführte Kalibrierung nicht mehr und ein genaues Arbeiten mit sicherem Ergebnis ist nicht möglich.

Ein Garant für Qualität ist die Messgenauigkeit, die in unserem Test bei allen Modellen bei über 96 Prozent liegt. Liegen Hersteller darüber, ist das immer besser. Die Angaben finden sich auf dem vom Hersteller mitgelieferten Kalibrierungszertifikat. Ist keines vorhanden, ist der DMS nicht automatisch schlecht. Er wurde nur nicht auf seine Genauigkeit überprüft. In unseren Augen bürgt ein Zertifikat für Qualität und schenkt Vertrauen. Mancher Hersteller bietet sogar an, den DMS nach ein paar Jahren neu zu eichen. So wird sichergestellt, dass dieser auch weiterhin genau misst. Dieser Vorgang ist auch für Hobbyschrauber zu empfehlen, wenn auch das Intervall in einer gewerblichen Werkstatt bei jährlich, im Hobbybereich bei alle zwei bis drei Jahre liegen sollte.

Welches Modell ist das richtige?

Auf dem Markt gibt es kleine, mittlere und große Drehmomentschlüssel. Alle haben ihre Daseinsberechtigung. Kleine Modelle eignen sich durch ihr geringes Baumaß und Gewicht hervorragend für unterwegs. Allerdings ist der Justagebereich oft fix oder stark eingeschränkt. Meist finden sich Werte zwischen 4 und 6 Nm, wie sie häufig bei Vorbauten, Bremsen und anderen Anbauteilen zu finden sind. Zum regelmäßigen Arbeiten empfehlen wir diese Modelle weniger, weil meist kein Prüfzertifikat vorhanden ist. Trotzdem ist es besser mit diesen als ohne zu arbeiten!

Mittelgroße Modelle bieten mit einem großen, flexiblen Einstellbereich von bis zu 20 Nm den größten Nutzen, da die meisten Anbauteile im Bereich Cockpit, Sitzen, Schaltung und Bremsen in diesem Rahmen liegen. Ihre Form ähnelt meist einer klassischen Knarre oder Ratsche mit einer einstellbaren Rechts- und Linksdrehfunktion. Bis auf wenige Ausnahmen arbeiten alle mit einer ¼-Zoll Vierkant-Aufnahme. Damit kann eine Vielzahl an handelsüblichen Bits und Nüssen aufgesteckt werden. Wer zusätzlich einen Adapter besitzt, ist maximal flexibel.
Die großen Modelle ab 20 Nm (nicht im Test) kommen bei verschraubten Innenlagergehäusen, Freilaufkörpern, Ritzelpaketen oder der Pedalachse zum Einsatz. Dort können schon mal 40 Nm oder mehr anfallen. Hier sollte ein Drehmomentschlüssel auch im und gegen den Uhrzeigersinn funktionieren, da etwa das linke Pedal, das rechte Innenlager sowie manche Freilaufkörper bei Hinterradnaben Linksgewinde besitzen. Die Aufnahme besitzt meist ½ Zoll, womit viele Bits und Nüsse aus dem KFZ-Bereich passen. Darüber hinaus sind die meisten Fahrrad-spezifischen Werkzeuge zum Einschrauben, etwa von Innenlagern, auf diesen Standard ausgelegt.

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Funktion, Lagerung, Hilfsmittel

In der Praxis gibt es verschiedene Versionen: Bei kleinen, fix eingestellten Drehmomenthülsen geht das Werkzeug beim vorgegebenen Drehmoment meist leer durch. Bei einstellbaren Modellen wird durch Verdrehung die innere Mechanik vorgespannt und somit an das gewünschte Drehmoment eingestellt. Beim Anziehen ist oft ein „Klick“ zu hören, ein Abknicken zu spüren. Bei kleinen Drehmomenthülsen mit weitem Bereich und ablesbarer Skala ist es nötig, beim erforderlichen Drehmoment mit dem Anziehen aufzuhören und nicht weiterzuschrauben. Spezielle Modelle arbeiten digital. Dort ist beim Erreichen des vorab eingestellten Drehmoments ein Piepton zu hören. Dieser signalisiert: Sofort mit dem Anziehen aufhören! Generell sollte bei der Bedienung eines Drehmomentschlüssels der Anziehvorgang konstant und stetig, nie ruckartig erfolgen. Ebenso ist ein zweites oder drittes Anziehen „zur Sicherheit“ nicht nötig, sondern erhöht im schlimmsten Fall das Drehmoment noch geringfügig.
Werden Drehmomentschlüssel nicht benötigt, stellt man sie auf null zurück. Die entspannte Mechanik wird somit geschont. Ebenso sollte Korrosion durch feuchte Luft unterbunden werden.

Wer bei der Montage von Bauteilen und Schrauben auf Nummer sicher gehen will, kann Hilfsmittel nutzen: Carbon-Montagepaste erhöht die Reibung zweier Bauteile zueinander durch beigefügte Mikropartikel und lässt so ein bis zu 30 Prozent niedrigeres Drehmoment zu. Damit sich Schrauben nicht lösen, wird auf das vorab von Öl und Fett gereinigte Schraubengewinde ein Tropfen Schraubensicherungskleber aufgebracht. Aber Vorsicht: Hier sind verschiedene Härteklassen erhältlich! Beim Fahrrad reicht meist die mittelfeste Ausführung.

Wie testet Radfahren?

Alle wichtigen Eckpunkte sind in den jeweiligen Testkästen angegeben. Beim Praxistest bewerten wir den Einstellbereich und die Handhabung. Hier spielen Details wie die Gesamtlänge, Feinjustage, Drehmomentfixierung und die Ablesbarkeit eine wichtige Rolle. Die Griffe überprüfen wir auf Länge, Durchmesser, Form, Ergonomie sowie Griffigkeit. Bei den Details achten wir auf die Aufbewahrungsmöglichkeit und vor allem auf das Zubehör wie Bits, Adapter oder das Prüfzertifikat. Unter Qualität zählen dann Punkte wie Materialien, Verarbeitung, Design und störende Ecken und Kanten. Am Ende gibt es Empfehlungen, Preis-Leistungs-Tipps und Testsieger. Die Prädikate dazu sind bei den jeweiligen Produkten hinterlegt.

Drehmomentschlüssel im Test

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Legende: * Gewicht komplett/ Gewicht Werkzeug; ** R Ratsche, V Verlängerung, S Schlitzschraubendreher, K Kreuzschlitzschraubendreher
Drehmoment kompakt |  Drehmoment groß

Fazit

Wer mit Drehmomentschlüssel arbeitet, ist schon mal auf der sprichwörtlich sicheren Seite! Welches Modell am Ende das richtige ist, entscheidet sich mit Blick auf Einsatzgebiet, Budget und persönliche Vorlieben.

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