Fazua, E-Bike-Motoren, Firmenporträt

Fazua im Wandel: Ein Besuch beim Pionier für E-Bike-Leichtmotoren

Die Fazua-Zukunft im Porsche-Kosmos

Fazua im Wandel: Ein Besuch beim Pionier für E-Bike-Leichtmotoren

Entsprungen aus einem Uni-Projekt, mischte Fazua kurz nach seiner Gründung 2013 die Fahrradindustrie ordentlich auf. Ein kompaktes, minimalistisches, gar unscheinbares Antriebssystem: das oberbayerische Start-up definierte E-Biken neu und etablierte sich auf Anhieb im sportiven Segment. Die Produktpalette stetig weiterentwickelt, markiert die Übernahme seitens der Porsche eBike Performance GmbH 2022 den Beginn eines neuen Zeitalters – wie ein Besuch im Headquarter vor den Toren Münchens unter Beweis stellte.
TEILE DIESEN ARTIKEL

Zur Jahresmitte 2022 ging dann alles ganz schnell. Zumindest schneller als von der Radbranche ohnehin breitflächig gemunkelt, als ein halbes Jahr zuvor die Porsche AG mit einer 20-prozentigen Beteiligung beim E-Bike-Antriebshersteller Fazua einstieg. Der Stuttgarter Sportwagenhersteller hatte die Oberbayern nun komplett in seine neu gegründete Porsche eBike Performance GmbH übernommen, nachdem diese innerhalb einer Finanzierungsrunde weiteres Kapital generieren wollten. Beziehungsweise mussten.

Ein üblicher, von Fazua auch in den Jahren zuvor durchgeführter, Vorgang im Hardware-Business, wie uns der heutige Leiter Produktmanagement Fabian Reuter zu Beginn unseres Besuchs am Firmenstandort in Ottobrunn erläutert. So treibt Porsche eBike Performance seit über zwei Jahren die Technologie-Kompetenz im Haus voran und wird 2026 den ersten E-Bike-Antrieb unter der Marke Porsche auf den Markt bringen. Fazua wird als eigenständige Antriebsmarke aber parallel weiter existieren, was Reuter ein großes Anliegen ist, gleich unmissverständlich klarzustellen.

Rückblick: Revolutionäre Antriebsidee

Als einer von fünf Firmengründern, kann der heute 40-Jährige quasi alles zur Entwicklung von Fazua, was für das bayerisch ausgesprochene „Fahr zu!“ steht, berichten. Da wäre beispielsweise die Zeit der Ursprungsidee 2011, als Mitgründer Johannes Biechele im Rahmen eines Hochschulprojektes die Idee eines formschön-minimalistischen Antriebssystem verwirklichte – und die beiden Schulkameraden nach der offiziellen Gründung 2013 als Teil des fünfköpfigen Start-ups mit ihrem komplett neuen Konzept sowie Vorstellung des ersten Prototypen 2015 in der Fahrradindustrie aufhorchen ließen. Ein System, das Motor und Akku zu einem schlanken Paket vereint, das sich fast unscheinbar ins Unterrohr integrieren lässt und mit Verbrauchseffizienz und geringem Geräuschpegel genau das zu sein scheint, auf das Hersteller von sportlichen E-Bikes, allen voran E-Mountainbikes, gewartet zu haben schienen.

Große Marken wie Cube oder Focus sind schnell überzeugt, die ersten Auslieferungen erfolgen 2017. Wenn man so will, habe man das Segment der Light-E-Bikes mitbegründet und in den oben aufgeführten Antriebseigenschaften eine Benchmark gesetzt, erinnert sich Reuter an die Zeit zurück, in der aus dem Start-up schnell ein aufstrebendes Unternehmen mit festem Platz in der Branche wurde. Und man als passionierte Biker eben nicht mehr tatenlos dabei zusehen wollte, wie die Motoren auf dem Markt immer schwerer und dicker wurden. Außerdem einzigartig am dann 2017 ausgerollten Evation System: die Entnahmemöglichkeit der kompletten Antriebseinheit (Drive Pack), wodurch aus dem E-Bike dank Downtube-Cover mit wenigen Handgriffen ein unmotorisiertes Fahrrad werden konnte.

Auch habe man angestrebt, das E-Bike vom damals noch ihm anheftenden Rentner-Image zu befreien und eine Zielgruppe anzupeilen, die sehr genau darauf achtet und Wert darauf legt, wie sie mit dem E-Bike Sport machen kann. Kurzum: ein Antriebssystem von Bikern für Biker – in einer damaligen Zeit, in der fast alle namhaften Motorenhersteller aus dem Automotive-Bereich kamen.

Fazua, Fabian Reuter

Als einer von fünf Firmengründern leitet Fabian Reuter heute das Produktmanagement von Fazua und Porsche

Evolutionsstufen: vom Ride 50 bis heute

Mit dem Umzug an den heutigen Standort in Ottobrunn bei München und der fortschreitenden Professionalisierung wuchs die Anzahl namhafter Radmarken mit Fazua-Motor immer mehr an. Auch kamen die Evation-Antriebe zunehmend in urbanen Modellen zum Einsatz, da hier neben schlanker Optik auch die Tragemöglichkeit hohe Bedeutsamkeit hat. 2021 erfolgte mit dem Ride 50 Trail (und Street) die Weiterentwicklung: mehr Power bei noch weniger Gewicht.

Außerdem optimierten anwendungsspezifische Radiatoren die Antriebe für die jeweilige Fahrsituation. Zudem hatten die Ingenieure erfolgreich am noch feineren Fahrgefühl gefeilt. Im Frühjahr 2022 dann die Markteinführung des Ride 60 – und Fazua setzte abermals Maßstäbe in puncto Gewicht, Integration sowie intuitiver Bedienung. Nur 4,26 Kilogramm wogen Motor, Batterie sowie verbaute Sensorik – bei einer Unterstützung von nunmehr 60 Newtonmeter Drehmoment.

Fazua, Ride 60, E-Bike-Motoren

Mit dem im Frühjahr 2022 eingeführten Ride 60-Motor setzte Fazua abermals neue Maßstäbe in puncto Gewicht, Integration sowie intuitiver Bedienung

Einzigartig auf dem E-Bike-Markt

Ende 2024 darf man das natürliche Fahrgefühl bei herausragend effizienten Stromverbrauchseigenschaften sowie angenehmer Soundkulisse weiterhin als einzigartig auf dem Markt für leichte E-Bikes bezeichnen. Jüngst verkündete Porsche eBike Performance zudem, ab 2025 neben dem Fazua Energy 430 eine neue Akku-Option mit 480 Wattstunden sowie eine alternative Lenker-Fernbedienung für das Ride 60 System zur Verfügung zu stellen. Der fest verbaute, größere Akku muss allerdings direkt am E-Bike über die Ladebuchse geladen werden. Für bestehende Räder soll die Batterie beim Händler nachgerüstet werden können.

So ist den Ausführungen Reuters zweifelsfrei zu entnehmen, dass mit Porsches „Übernahme der Technologiebasis“ die Marke Fazua keinesfalls in den Hintergrund rückt, um ausschließlich die Entwicklung des für 2026 angekündigten ersten Porsche-Motors voranzutreiben. Vielmehr scheint der Ride 60 und dessen Produktion an einigen Stellschrauben enorm von den Veränderungen in Ottobrunn zu profitieren, wie uns Johannes Seifert auf einem Rundgang durch den Logistik- und Produktionsbereich zu erläutern weiß.

„In vielen Fahrsituationen kann die Motorleistung smart via Software reduziert werden, ohne dass das Fahrgefühl beeinträchtigt wird. Auch so spart man Strom und steigert die Verbrauchseffizienz.“ – Matthias Leininger, Director Functional & System Integration Fazua & Porsche

Detaillierte Einblicke in die Produktion

Hier wäre zum einen die bevorstehende Einführung des SAP-Warenwirtschaftssystems, um interne Prozesse zu optimieren. Auch habe sich zum anderen viel in den Produktionslinien der Drive Unit und der Remotes getan.

Einige Montageschritte wurden inzwischen im Sinne der Qualitätssicherung teilautomatisiert. Ein umfangreiches ESD-Konzept (Electro Statical Discharge), das spezielle Arbeitskleidung, Arbeitsplatzausstattung und Bodenbeläge umfasst, verhindert Schäden durch elek­trostatische Entladungen. Darüber hinaus wurde ein neues Prüfkonzept in der Fertigung umgesetzt: So muss jedes Produkt einen sogenannten „End of Line“-Test durchlaufen, der präzise mögliche Fehler ausschließt.

ElektroRad, Weihnachtsaktion, Banner

Hier können Sie das Abo der ElektroRad-Weihnachtsaktion 2024 bestellen

Prüfstand

Hier kommt am Ende der Qualitätssicherung ein recht unscheinbarer Prüfstand zum Einsatz, der diese aber auf ein ganz neues Level gehoben habe. Eine spezielle Software, die von der Porsche-Tochter MHP entwickelt wurde, wertet die Daten der Körperschallmessungen mit Hilfe künstlicher Intelligenz aus und kann bereits frühzeitig Abweichungen vom Sollwert im Gesamtverbund der Antriebseinheit erkennen. Seit Frühjahr 2024 sind diese Prüfstände Bestandteil des Produktionskonzeptes. Eindrücke und Erkenntnisse, die man hier gewinne, würden selbstredend auch in die Entwicklung des Porsche-Motors einfließen.

Apropos: Angesprochen auf die aktuellen Produktionszahlen, spricht Seifert von ungefähr 200 Drive Units pro Schicht. Je nach Auslastung könne das Schichtsystem angepasst – und die Produktionszahl schnell und unkompliziert hochgefahren werden. Zur stetigen Prozessoptimierung stehen er und ein Team von Produktentwicklern und Ingenieuren ohnehin in regelmäßigem Austausch, um Produktionsabläufe genau unter die Lupe zu nehmen und gegebenenfalls anzupassen.

Ottobrunn, Standort, Fazua

Bis zu 200 Drive Units des Fazua Ride 60- Antriebs können am Standort in Ottobrunn pro Schicht produziert werden

Kapazitätsgrenzen & Mitarbeiteranstieg

Abschließend ergänzt Seifert noch, dass man beim Ride 60 die Remotes selbst vor Ort produziere. Die Batterien seien für eine optimale Logistik und auch aus Brandschutzgründen extern gelagert und gehen von dort aus ohne Umweg direkt an die Kunden. In Ottobrunn selbst variiert die Menge der vor Ort vorhandenen Akkus mit der Anzahl der pendelnden Mitarbeiter. Die Gesamtzahl an Beschäftigten sei seit der Porsche-Übernahme in Ottobrunn wiederum von knapp 140 auf über 270 angestiegen. Dabei kommen die Produktionsmitarbeiter mittlerweile aus knapp 15 Nationen, die Frauenquote liegt zwischen 35 und 40 Prozent.

Rechnet man den kroatischen Standort der Porsche eBike Performance Group, den früheren Radhersteller Greyp mit seiner bereitgestellten Technologie-Basis, mit ein, wuchs die gesamte Mitarbeiterzahl von etwa 250 bis heute auf knapp 400 an. Bevor wir schließlich die Produktionshalle verlassen, versichert uns Seifert, dass der Geräuschpegel hier immer so angenehm sei. Das Lauteste, was man höre, sei das Radio.

Fazua, Tobias Jochims, Firmenbesuch, Porträt, Fabian Reuter

Spannende Einblicke vor Ort: Fazua-Mitbegründer Fabian Reuter im Gespräch mit Elek­troRad-Redakteur Tobias Jochims bei dessen Besuch im Headquarter der Porsche eBike Performance GmbH

Test- und Prüfstände

Kurz darauf betreten wir gemeinsam mit dem Director Functional & System Integration Matthias Leininger die heiligen Hallen der Test- und Prüfstände. Seit 2016 bei Fazua mit an Bord, zeigt uns der 36-Jährige zunächst den Bereich Prototypenaufbauten, in dem die Test-Ingenieure wichtige Erkenntnisse zu neu verbauten Teilen gewinnen, bevor diese gegebenenfalls in Serie gehen.

Nächste spannende Station: eine Kabine für Akustiktests, die optisch an die Gestaltung von Tonstudios erinnert. Hier soll überprüft werden, dass die Drive Unit so leise wie möglich ist. Bei Fazua hat man sich der besonderen Herausforderung gestellt, die auf die Effizienz einzahlenden hohen Drehzahlen in ihrer Lautstärkenentwicklung entsprechend gering zu halten. Da die Akustik des Ride 60 bei unterschiedlichen Rahmenkon­struktionen variiere, würden auch oft komplette E-Bikes in die Kabine mitgenommen.

Haibike hat bei seinem E-Mountainbike Lyke CF 11 das Aggregat auf einzigartige und sehr innovative Weise in das Sitzrohr integriert. Dies erforderte von den Ingenieuren besondere Überlegungen, um die Geräuschentwicklung des Motors wie gewohnt „maximal leise“ zu halten. So durchläuft jede neue Integration ein Gros an Testszenarien, so Leininger, der uns als nächstes einen ganz besonderen Prüfstand präsentiert. Den zur Effizienzmessung. Vielleicht das Thema, welches in der Fazua-DNA am tiefsten verankert ist. Und die bisherige Geschichte des Unternehmens maßgeblich in eine so erfolgreiche hat münden lassen.

Fazua, Smartphone-App, Detail

Die Kommunikation mit Fazuas Ride 60 erfolgt via Smartphone-App. Das jüngst vorgestellte Update 2.2 hält unter anderem erweiterte Statistik-Funktionen bereit

Effizienzmeister: Einblicke ins Herzstück

Mit der zur Verfügung stehenden Energie so effizient wie möglich umgehen, das habe man sich bei Fazua von Beginn an auf die Fahne geschrieben, erläutert Leininger. Hierzu werde die E-Maschine präzise auf ihren späteren Einsatzzweck hin abgestimmt – und der Stromverbrauch exakt gemessen. Potential, dies zukünftig zu optimieren, sieht er weniger im Motor selbst, in dem fast alles berührungslos vonstattengeht, als in den Getriebeeinstellungen. Es sei wie bei Schaltungen: je besser diese justiert sei, desto effizienter arbeite sie. Kurzum: Das Ende der Effizienzfahnenstange sei auch bei Fazua, das diesbezüglich regelmäßig Branchenmaßstäbe setzt, noch lange nicht erreicht. Ganz im Gegenteil, man lege die Messlatte für die eigenen Ansprüche immer höher. Deshalb sei auch dieser Prüfstand in Ottobrunn quasi Tag und Nacht im Einsatz.

Abschließend stehen wir vor neuen Dauerlauf-Prüfständen, die im Frühjahr 2024 angeschafft wurden. Hier werden Lebenszyklen auf drei Monate komprimiert durchlaufen. Und die Motoren dabei Extrembedingungen wie Kälte, Hitze, Nässe oder Windeinwirkungen ausgesetzt. Seither könne man hier ganz anders innovieren, da die Grenzbereiche noch präziser provoziert und lokalisiert werden. In der frühen Fazua-Geschichte habe man Prüfstände mitunter auch selbst gebaut, zieht Leininger nochmals den Vergleich zwischen der Zeit vor und nach der Porsche-Übernahme im Sommer 2022.

Fazua, Beschäftigte

Die Porsche eBike Performance GmbH wächst: Seit der Porsche-Übernahme von Fazua im Jahr 2022 wuchs die Anzahl der Beschäftigten in Ottobrunn von knapp 140 auf 270 an

Fazua & Porsche: Seite an Seite ab 2026

Bevor Reuter zum Abschluss unseres Besuches abermals darauf verweist, dass trotz vielerlei Know-how-Einbindung, der im Jahr 2026 auf den Markt kommende Porsche-Motor kein Konkurrenzprodukt zu Fazua darstellen werde. Die Zukunft solle beiden Antrieben gehören. Wenig überraschend spiele der Performance-Gedanke bei dem geplanten System eine große Rolle. Auch im Zusammenspiel mit dem Fahrverhalten.

Für Fazua bedeute dies aber, seinen damals auf Basis eines Hochschulprojektes eingeschlagenen Weg auch unter dem Dach der Porsche eBike Performance GmbH selbstbewusst weitergehen zu können. Und von dem in Ottobrunn jetzt schon sehr sichtbaren Ausbau der Entwicklungs- und Produktionsbedingungen im Rahmen einer langfristig ausgerufenen Roadmap mit Sicherheit zu profitieren.

Mehr Informationen zu Fazua finden Sie auf der offiziellen Website.

Schlagworte
envelope facebook social link instagram