Coboc, E-Bike, Pedelec, Porträt

Coboc: E-Bike Hersteller aus Heidelberg im Firmenporträt

Im Porträt: Der E-Bike Hersteller Coboc

Coboc: E-Bike Hersteller aus Heidelberg im Firmenporträt

Im Mai 2011 entsteht in Heidelberg etwas völlig Neues. Ein E-Motor wird nicht in ein schweres Fahrrad mit barocken Maßen, sondern in ein schlankes Bike mit minimalistischer Ausstattung eingebaut. Coboc begründet eine neue Zeitrechnung - und wir stellen die Heidelberger im Firmenporträt mal genauer vor.
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Klischee, olé! Natürlich beginnt die Geschichte von Coboc, wie David Horsch und der inzwischen aus dem Unternehmen ausgeschiedene Pius Warken ihr Startup nennen, in einer zugigen Werkstatt mit Kohleofen und undichten Fenstern in einem Hinterhof.

Aber anders als bei manch anderem Senkrechtstarter ist dieses Klischee nicht erdacht und reines Marketing-Blabla. Die beiden Physiker löten, schrauben, programmieren und verkabeln tatsächlich unter diesen recht widrigen Bedingungen ihre ersten Bikes.

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Coboc in den Anfangsjahren

„Ich habe zeitweise sogar in unserem Verschlag gewohnt, wenn man das so nennen will“, erinnert sich David Horsch. Geld war knapp in den Anfangsjahren. Einkünfte reinvestierte Coboc sofort in die Fortentwicklung ihrer Räder. Dass sie es bis hierhin geschafft haben, liegt am Durchhaltewillen, einer klaren Struktur und auch einer Menge Chuzpe.

Denn vor zehn Jahren sind Pedelecs zum Großteil schwere Tiefeinsteiger-Räder. Der Motor hängt klotzig am Tretlager, der Akku auf dem Gepäckträger oder hinter dem Sattelrohr. „Unser vollintegriertes 13,7-Kilo-Bike, das wir 2013 präsentiert haben, hatte nichts davon“, so Horsch. Was es hat, zeichnet die Räder der Heidelberger bis heute aus: Die Coboc-DNA.

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Ihr Ursprung liegt in der Fahrradkurier-Szene, der beide Gründer zu Studententagen in Heidelberg angehören. Leicht, minimalistisch, wendig. Kuriere fahren mindestens ein Singlespeed, besser noch ein Fixie. Und so ist das erste Coboc auch mehr knüppelhartes Bahnrad-Bike denn komfortables Sänften-Pedelec.

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Schon am Montageständer versprühen die cleanen Coboc-Bikes ihren ganz eigenen urbanen Charme.

E-Bike erntet Gegenwind

Klar gibt es aus der Hardcore-Szene Gegenwind. Ein Fahrradkurier fährt kein Pedelec. Das aber entmutigt das Startup nicht. Denn es finden sich genug Menschen, die genau auf solch ein Rad gewartet haben und die das Potenzial der Heidelberger erkennen. „Seitdem geht es vorwärts. Immer nach dem Rezept: Nische besetzen, dann langsam in die Breite gehen.“ Was nach einem klaren Businessplan klingt, entwickelt sich aber erst Schritt für Schritt. „Zuerst einmal haben wir Räder gebaut, wie wir sie wollten. E-Bikes, die großartig aussehen und auch so funktionieren.“

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Bald aber merkt Horsch, dass Coboc-Fahrer immer die Optik loben, zuhause aber Steckschutzbleche und Akku-Lichter ans Rad schrauben. „Das fand ich anfangs furchtbar.“ Dann aber entwickelt er die Coboc-DNA einfach weiter. Inzwischen ist sie in ein klares Konzept geflossen: slim, simple, sleek – schlank, einfach, glatt. „Die E-Bikes 2011 waren nicht slim. Also haben wir sie schlank gemacht.“

Bei 18 Kilogramm liegt demnach das „kritische Gewicht“ eines E-Bikes. Darüber braucht ein E-Bike unverhältnismäßig große Akkus. Denn schwerere Bikes verbrauchen mehr Energie. Dazu kommt die Reichweiten-Paranoia mit inzwischen Rädern mit mehr als 1000 Wattstunden im Akku. Den Weg geht Coboc nicht mit. „Wir wollen weiterhin schlanke, leichte Räder.“

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Die lockere Atmosphäre führt nicht zu Larifari. Im Gegenteil. Sie spornt zu besonderer Sorgfalt an.

Akku leer – trotzdem Spaß

Wichtig sei, dass Fahren auch mit leerem Akku Spaß machen soll. So fühle sich das E-Bike an wie ein Fahrrad.

Auf die Spitze treibt Coboc diesen Anspruch mit dem eCycle F1: Gerade einmal 10,8 Kilogramm bringt das voll alltagstaugliche Bike auf die Waage. Das aber ist nicht alles. Hier kommt „simple“ ins Spiel: „Wir wollen das Rad so einfach wie möglich bedienen. Ein Knopf.“ Wie Apple das Mobiltelefon mit dem Home-Button revolutioniert, so vereinfacht Coboc seine E-Bikes mit einem einzigen Schalter. Einschalten, ausschalten, Licht bedienen – alles lässt sich mit dem unscheinbaren Taster steuern. „Er ist selbsterklärend, intuitiv und bietet alle nötigen Funktionen. Nicht mehr und nicht weniger.“

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Genau so laufen auch Updates für die Coboc-Software: Der Cobox-Programmer, eine unscheinbare schwarze Box für Coboc Händler, übermittelt eine neue Firmware automatisch ans Rad. „Das ist selbsterklärend. Dafür braucht es keine Schulung, keine gesonderte Software und keinen externen Rechner.“ Für alle, die doch mehr wollen, gibt es die Coboc-App. Dort lässt sich die Motorabstimmung verändern und die Laufleistung anzeigen. Auch Navigieren ist damit möglich. Wer das alles aber nicht braucht, kann sein Coboc ganz ohne App fahren.

Made by Coboc

Als David Horsch versteht, warum seine Kunden Schutzbleche und Lichter wollen, baut er sie selbst. „Das haben wir immer so gemacht. Bevor es nur halb gut ist, machen wir es selbst. Und dann richtig.“ Radhersteller bauen keine Beleuchtung, hieß es. Sie kaufen sie zu. „Wir nicht. Bis auf den Motor ist bei uns alles selbst entwickelt.“ Die markanten Rückstrahler im Sattelrohr ebenso wie die Schutzbleche mit filigranen Streben als Taschenhalter und die schlichten, mehrfarbigen LEDs, mit denen auf dem Oberrohr die Akkukapazität angezeigt wird: Alles ist „Made by Coboc“.

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Und alles folgt der Coboc Designlinie. „Was dabei immer eine zentrale Rolle einnimmt: Die Funktion darf nicht beeinträchtigt sein. Design und Funktion bedingen sich gegenseitig.“

David Horsch hält nicht viel vom branchenüblichen Jahresrhythmus, in dem neue Modelle auf den Markt geworfen werden. Er will raus aus diesem Hamsterrad, wie er es nennt. „Wir wollen langlebige Produkte bauen mit langen Produktionszyklen. Das ist zum einen nachhaltiger und ökologischer. Es schont aber auch unsere finanziellen Ressourcen.“

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Preisvorteil für den Kunden

Das bekomme auch der Endkunde zu spüren. Denn so könne Coboc die Preise möglichst stabil halten. Denn auch von einer Preisspirale nach oben hält der Coboc-Mitgründer nichts. Lieber sollen die bestehenden Modelle – derzeit die Reihen One, Seven und Ten – stetig fortentwickelt werden. „Wir wollen das Hamsterrad durchbrechen und trotzdem mit unseren Rädern am Puls der Zeit sein.“

Den Puls der Zeit hört Horsch derzeit im Trekking- und Tiefeinsteiger-Segment schlagen. Für letzteres ist das Modell Seven Kallio mit tiefem Einstieg und deutlich unter der „kritischen“ Schwelle von 18 Kilogramm konzipiert. „Wir haben lange diskutiert, ob Coboc ein solches Rad bauen darf. Letztlich ergibt sich die Antwort aber schon aus der Frage: Natürlich“, so Horsch. Denn genau das sei ja Coboc – nicht das zu tun, was jeder erwartet, sondern immer wieder neu zu denken.

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Das Coboc One Rome ist ein E-Bike im Stil der Fahrradkuriere: minimalistisch, cool, ohne Schnickschnack.

Da wirkt das Ten Merano auf den ersten Blick schon weniger radikal. Trotzdem ist auch das erste Tourenrad der Marke eine Revolution. Denn aufs Touren-Parkett hat sich Coboc bis dato nicht gewagt. Dieser Bereich aber habe Zukunft im Unternehmen. „Wir werden sie definitiv ausbauen. Das ist eines unserer Ziele für die nahe Zukunft.“ Das Kerngeschäft aber werde darüber nicht vernachlässigt. „Wir haben auch etwas neues Urbanes in der Pipeline.“

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Das Ten Merano ist das erste Tourenrad der Heidelberger. Diesem Segment wollen sie sich in Zukunft vermehrt widmen.

Eurobike im November in Friedrichshafen

Mehr wolle Horsch aber nicht verraten. Die Enthüllung war eigentlich zur Eurobike im September geplant. Wie, wann und wo die Präsentation nun umgesetzt wird, ergebe sich in den nächsten Wochen.

Einfach – das beherzigt Coboc auch beim Antrieb. Denn letztlich funktioniert ein E-Bike-Unternehmen nur dann, wenn es zuverlässig ist. Coboc vertraut daher beim Motor und den Akkuzellen auf ihre bewährten Lieferanten. „Es sind die einzigen Teile am Bike, die wir nicht selbst entwickelt haben.“ Die Akkuzellen selbst werden aber exklusiv für Coboc zusammengesetzt und im Rahmen integriert. Schon das Batteriemanagement-System ist wieder 100 Prozent Coboc. 352 oder 380 Wattstunden stecken in den Unterrohren der Bikes.

Auch der Hecknabenmotor läuft mit einer Coboc-eigenen Software. Er ist kompakt an der Hinterradnabe verbaut. Da er ohne Unterstützung keinen Tretwiderstand bietet, fährt sich das Coboc auch ausgeschaltet leicht und spielerisch. Aufgrund der sensiblen Drehmomentsteuerung der Software passt sich der Motorschub jeder Kurbelumdrehung und der Muskelkraft des Fahrers an.

Das Ergebnis: ein sanfter, natürlicher Schub. Coboc-Fahren kommt so dem klassischen Fahrradfahren ohne Motor sehr nahe – bei gleichzeitig deutlich spürbarer Unterstützung.

Coboc auf dem Fahrradmarkt angekomen

War das erste Coboc noch als Fixie ohne Bremsen und Schaltung aufgebaut, statten die Heidelberger ihre aktuellen Bikes mit Kettenschaltung und Scheibenbremsen aus. Licht und das sehr filigrane Coboc-Rack gibt es ebenfalls inzwischen für fast alle Modelle. Spritz- und Kettenschützer runden die Sicherheits- und Komfort-Komponenten ab.

Binnen zehn Jahren ist Coboc so im breiten Fahrradmarkt angekommen. Mit Blick auf die Anfänge der Marke ist das schon fast wieder revolutionär. Das Kallio und das Merano läuten zwar keine Zeitenwende in der Fahrradbranche ein. Für das Unternehmen aber auf jeden Fall. Sie zeigt: Mit Coboc ist auch weiter zu rechnen. Wir sind gespannt, was da noch kommt.

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