Sturzsensoren für Radfahrer: Notfall mit dem MTB

Sturzsensoren: Sicherheit auf Solofahrten

Sturzsensoren für Radfahrer: Notfall mit dem MTB

Ein Sturz und niemand da, der helfen kann? Das kann dramatische Folgen haben, wenn man selbst nicht mehr in der Lage ist, Hilfe zu rufen. Gut, dass es automatische Notrufe gibt, per Sensor oder Radcomputer.
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Es kann leicht passieren: Man ist alleine mit dem Mountainbike unterwegs und stürzt. Der Trail muss gar nicht mal schwierig sein, keine riskanten Aktionen sind nötig – ein Moment der Unachtsamkeit genügt. Im schlimmsten Fall kann man nicht mehr selbst Hilfe rufen, etwa weil man bewusstlos ist. Ein ähnlicher Fall hat zur Entwicklung von Tocsen geführt, so erzählt es die Geschichte des Unternehmens, das vor einiger Zeit von Aleck übernommen wurde, einer Firma, die drahtlose Kommunikationssysteme für den Outdoor-Sport anbietet. Nach dem Sturz eines Bikers auf einer Solo-Fahrt, der das Glück hatte, von Wanderern gefunden worden zu sein, beschlossen drei seiner Bekannten ein Notfallsystem mit Sturzsensoren zu entwickeln. Das kann einen automatischen Alarm auslösen, wenn der Radfahrer nach einem Sturz nicht mehr agieren kann. Natürlich kann der Tocsen-Sensor, wie auch andere Modelle, auch für andere Sportarten genutzt werden – etwa beim Reiten.

Sturzsensoren: Aktive Systeme schlagen Alarm

Zwei Komponenten sind nötig, damit ein solches System funktioniert. Zunächst ein Sensor, der anhand von Beschleunigungswerten und auftretenden Rotationskräften einen Sturz erkennt und zusätzlich die Verbindung nach „außen“. Die erfolgt normalerweise über eine App und das Smartphone. Dazu muss die entsprechende App auf das Telefon geladen und der Sensor per Bluetooth verbunden werden – teilweise funktioniert das systemübergreifend, so kann etwa der ANGI-Sensor von Specialized mit einem GPS-Radcomputer von Wahoo gekoppelt werden. Der Sensor erkennt typische Beschleunigungen, wie sie bei einem Sturz oder Aufprall auftreten.

Um Fehlalarme zu vermeiden, startet bei allen Anbietern danach ein Countdown auf dem Smartphone oder dem Radcomputer. Der Gestürzte kann diesen Countdown manuell stoppen, falls er bei Bewusstsein und nicht auf Hilfe angewiesen ist. Wird der Countdown nicht gestoppt, erfolgt die automatische Unfallmeldung. Manche Geräte sind von Haus aus mit Sensoren bestückt, die einen Sturz erkennen und auf einen zusätzlichen Sturz-/Beschleunigungssensor verzichten. Bei Garmin zum Beispiel ist der in einige Edge-GPS-Radcomputer integriert, und die Alarmfunktion läuft über die Garmin-Connect-App. Ist der Radcomputer selbst LTE-kompatibel, ist die Verbindung zum Smartphone nicht nötig. Auch einige Garmin-Smartwatches erkennen einen Sturz, das gilt übrigens auch für die Apple Watch.

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Notfallkontakte und Community

Bei allen hier vorgestellten aktiven Systemen legt man in der App eine Liste mit Notfallkontakten an. Diese werden im Fall des Falles per SMS – teilweise zusätzlich per Mail – benachrichtigt. Dabei wird diesen Kontakten die aktuelle Position des Gestürzten übermittelt, sodass sie einen Rettungsdienst mit exakten Angaben benachrichtigen können. Damit das funktioniert, muss das Smartphone Netzempfang haben und die Standorterkennung am Smartphone muss aktiviert sein. Bei Radcomputern mit Sturzsensor ist die GPS-Ortung aktiv, wenn Outdoor-Aktivitäten aufgezeichnet werden, hier kann sie am Telefon deaktiviert sein. Eine Apple Watch geht übrigens sogar einen Schritt weiter und kann direkt einen Rettungsdienst anrufen. Das funktioniert auch bei Tocsen, so man die Tocsen Plus Funktion bucht, die Tocsen in Kooperation mit Bosch und der Nürnberger Versicherung anbietet. Einige Versicherungsleistungen sind ebenfalls inkludiert.

Via Tocsen App werden nicht nur Notfallkontakte benachrichtigt, sondern auch andere Nutzer der App im Umkreis von bis zu drei Kilometern, die schnell zu Hilfe eilen können. Auch Specialized oder Garmin bieten Alternativen zur Notfall-SMS an, die allerdings keine automatische Benachrichtigung umfassen. Bei Garmin gibt es die Funktion Group Track, mit der man den Aufenthaltsort von bis zu 50 Freunden, die ebenfalls ein kompatibles Garmin-Gerät nutzen, auf dem Display sehen kann. Live Track von Garmin ist eine Positionsverfolgung, die man Freunden ermöglichen kann. Beide können helfen, den Standort zu ermitteln, falls ein Freund oder Bekannter nicht von einer Fahrradtour zurückkehrt. Auch Wahoo bietet auf seinen Radcomputern eine Trackingfunktion, mit der man andere Fahrer verfolgen kann.

Die Zeit ist abgelaufen

Bei Specialized muss eine Aufzeichnung in der Ride App gestartet werden, damit der Sensor die Fahrt aktiv verfolgt und an Notfallkontakte melden kann. Die Notfallkontakte werden nicht nur im Fall eines Sturzes, sondern auch bei Beginn und Ende der Tour benachrichtigt. Wer die Fahrt nicht aufzeichnen will, kann den Sicherheitsmodus in der App wählen. „Start“ muss trotzdem gedrückt werden, damit der Sensor aktiviert wird. Wer weiß, dass auf seiner Route keine Funknetzabdeckung vorhanden ist, kann einen zeitbasierten Alarm einrichten. Kommt man in der zu erwartenden Fahrzeit nicht ans Ziel, werden die Notfallkontakte ebenfalls benachrichtigt. Dabei wird die zuletzt ermittelte Position übertragen. Diese „Timer“-Funktion gibt es auch bei Tocsen.

Nachrüstung ist möglich

Tocsen bietet selbst keine Helme an, kooperiert jedoch mit verschiedenen Helmherstellern, die von Haus aus Modelle mit Tocsen-Sensor führen, zum Beispiel Uvex und Alpina. Specialized und Cratoni statten Helme aus ihrem eigenen Produktportfolio mit ANGI- bzw. C-Safe-Sensor aus. Sie bieten ihre Sensoren, wie auch Tocsen, für die Nachrüstung an. Einige ihrer Helme haben eine integrierte Halterung für den Sensor, auch wenn sie nicht damit ausgeliefert werden. Ist diese nicht vorhanden, kann der Sensor am Gurtband des Helms oder mit einem Doppelklebeband befestigt werden, bzw. – im Fall Specialized – ein Adapter mit Doppelklebeband am Helm angebracht werden. Der Tocsen Sensor wird ebenfalls auf den Helm geklebt. Die Preise für die Sensoren sind nicht zu hoch, die Nutzung ist bei Cratoni kostenlos, bei Tocsen in der Basisversion ebenso. Bei Specialized ist beim Kauf ein Jahr Premium-Nutzung der Specialized Ride App enthalten. Außerdem muss von Zeit zu Zeit die Batterie ausgetauscht werden und für diese CR 2032 fallen ebenfalls Kosten an. Sowohl Cratoni als auch Specialized geben die Lebensdauer der Batterie mit sechs Monaten an. Der Tocsen-Sensor ist mit einem Akku bestückt und kann per USB geladen werden.

Sturzsensoren? Passive Systeme

Unabhängig von Mobilfunkverbindungen funktionieren zwei Systeme, die allerdings keine automatische Unfallerkennung bieten und keinen automatischen Notruf generieren. Sie unterstützen Helfer bei der Suche nach Verunglückten beziehungsweise Vermissten. AirMarker heißt ein brandneues System, das aus einem leuchtenden, reflektierenden Ballon an einer bis zu 45 Meter langen Leine besteht. Man führt den 780 Gramm wiegenden AirMarker im Rucksack mit, wo es dank seiner Packmaße von 25 x 9,2 Zentimeter gut Platz findet. Ist man auf Retter angewiesen, kann man den Helium-Zylinder des AirMarkers manuell auslösen und so seine Position weithin sichtbar markieren. Bis zu drei Tage lang soll der Ballon schweben.

Lange bewährt ist Recco. Recco arbeitet mit Radar, die Reflektoren bestehen aus einer Diode und einer Antenne, sie reagieren auf ein von den Helfern abgegebenes Signal. Viele Marken integrieren die Reflektoren in ihre Produkte, POC zum Beispiel in einigen Fahrradhelmen und Rucksäcken. Man kann sie aber auch als Einzelprodukt selbst befestigen, oder einen Recco-Gürtel tragen. Der Sender kann ein Handgerät sein oder an einem Helikopter montiert sein. Beim Handgerät funktioniert das über eine Distanz von bis zu 80 Metern oder 20 Meter durch Schneemassen, diese Variante ist besonders für den Wintersport geeignet. Ein Helikopter mit Recco-Sender kann aus 100 Metern Höhe binnen sechs Minuten einen Quadratkilometer durchforsten. Je näher die Retter dem Reflektor kommen, desto intensiver wird das Signal, bis der oder die Verunglückte schließlich gefunden ist. Die Reflektoren sind rein passiv, benötigen keine Energiequelle und halten ein Leben lang, so sie nicht mechanisch beschädigt werden.

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Das Risiko mindern

Wer alleine mit dem Rad unterwegs ist, kann mit Sturzsensoren das Risiko mindern, nach einem Unfall hilflos alleine liegenzubleiben. Rettungsdienste können nach Benachrichtigung durch einen Notfallkontakt zur Hilfe eilen und den Gestürzten versorgen und bergen. Man hält damit allerdings auch den jeweiligen Anbieter auf dem Laufenden, wo man sich mit seinem Rad bewegt. Wer seine Daten nicht teilen will, kann das Angebot nicht nutzen. Die passiven Systeme funktionieren ohne Funknetz und Datenübermittlung. Eine etwaige Rettungsaktion erfolgt mit ihnen allerdings deutlich verzögert, da der gestürzte Radfahrer ja erst einmal vermisst werden muss. Da der AirMarker manuell ausgelöst werden muss, darf der Gestürzte nicht bewusstlos sein. Alles in allem empfiehlt es sich, ein Sicherheitssystem zu nutzen, zumal die Kosten überschaubar sind.

Sturzsensoren im Überblick

Der Cratoni C-Safe wird aufgeklebt oder am Helmgurt befestigt.

Tocsen-Buttons werden am Helm befestigt.

Der Ballon von AirMarker ist weithin sichtbar und weist den Rettern den Weg.

Unscheinbare Helfer: Recco-Aufkleber am Helm.

Einige Specialized-Helme kommen von Haus aus mit ­ANGI-Sensor.

Tocsen: Mit Community

Der Tocsen-Sensor arbeitet in Verbindung mit der zugehörigen App. Er ist auf eine Mobilfunkverbindung angewiesen. Im Fall eines Sturzes werden Notfallkontakte und andere Nutzer der App im Umkreis benachrichtigt. Ein manueller Notruf ist möglich. Eine „Timer”-Funktion alarmiert auch ohne Mobilfunk, falls man nicht rechtzeitig von einer Tour zurückkehrt. Einige Helmhersteller integrieren den Sensor von Haus aus, eine Nachrüstung ist jederzeit möglich. Preis Sensor: 79,90 Euro, Preis Tocsen Plus Service: 99Euro/Jahr.

Specialized ANGI: Sensor am Helm

Der Specialized ANGI-Sensor ist an einigen Helmen der Firma von Haus aus befestigt, kann aber bei jedem Helm (auch anderer Marken) nachgerüstet werden. Er funktioniert im Zusammenspiel mit der Ride-App von Specialized oder mit Wahoo-Radcomputern. Eine Mobilfunkverbindung ist nötig, alternativ kann ein Alarm bei verspäteter Rückkehr eingestellt werden. Die Energie liefert eine CR 2032-Batterie. Preis Sensor: 38,90 Euro (aktuell online).

Cratoni C-Safe: Notfallalarm per SMS

Der C-Safe Crash-Sensor von Cratoni arbeitet mit der zugehörigen Cratoni-App zusammen. Im Fall eines Sturzes werden festgelegte Notfallkontakte per SMS benachrichtigt. Der Service ist kostenlos. Cratoni bietet einige eigene Helme mit C-Safe-Sensor an, einige Modelle haben einen zugehörigen Port. Eine Nachrüstung ist bei allen Helmen (auch anderer Marken) möglich. Der Sensor kann geklebt oder am Helmgurt befestigt werden. Eine CR 2032 Batterie versorgt ihn mit Energie. Preis Sensor: 69,95 Euro.

Recco: Mit Radar

Recco arbeitet mit Radar. Der passive Reflektor reagiert auf Suchsignale des Sensors und führt die Helfer so ans Ziel. Es gibt Helme und Equipment, die von Haus aus damit ausgestattet sind. Man kann den Reflektor auch einzeln kaufen und befestigt. Preis Helmreflektor: 28,95 Euro.

AirMarker: Sichtbarer Ballon

Der neue AirMarker muss manuell ausgelöst werden. Der Ballon ist weithin sichtbar, so dass er Helfer schnell zum Unfallort führen kann. Eine automatische Benachrichtigung im Fall eines Sturzes bietet er nicht. Preis: 199 Euro.

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