Radhosen mit Polster: Material, Passform, Pflege
Die perfekte Radhose: Wie eine zweite Haut
Radhosen mit Polster: Material, Passform, Pflege
in Service
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Die Zeiten sind vorbei, in denen man in Radhosen aus Naturfasern wie Wolle und auf Sitzpolstern aus Leder fuhr. Heute gibt es eine Vielfalt an hochfunktionellen Radunterhosen aus Synthetik. Sie sind atmungsaktiv und elastisch, ihr Polster komfortabel und hygienisch einwandfrei. Und die Hosen vergleichsweise pflegeleicht, weil sie in die Waschmaschine dürfen. Doch das Angebot im Handel ist fast überwältigend groß. Es gibt spezielle Hosen für Rennradler, für Mountainbiker und Tourenfahrer und mittlerweile auch Extramodelle fürs Graveln. Worauf muss man beim Kauf achten? Worauf kommt es bei einer guten Polsterhose fürs Radfahren an?
Gegen Druck und Reibung
Zunächst einmal: Das Polster dient grundsätzlich dazu, Druck und Reibung während der Fahrt zu verhindern. Daher kommt es insbesondere auf langen Distanzen oder mehrtägigen Touren zum Einsatz – wer sich jedoch einmal dran gewöhnt hat, trägt eine spezielle Radhose mit Polster auch gerne auf den täglichen Pendelfahrten.
Weil viele Tourenfahrer den superengen Look von Rennradhosen nicht mögen, tragen sie sogenannte Radunterhosen oder auch Innenhosen. Diese gibt es einzeln oder direkt als Set mit einer Shorts. Drüberziehen kann man im Prinzip fast alles – wichtig ist, dass man nichts drunter zieht: Die gepolsterte Radhose ersetzt die Unterhose. Sonst kommt es aufgrund der verschiedenen Stoffe und Nähte erst recht zum Wundscheuern.
Das Gleiche passiert, wenn man die Radhose in der falschen Größe kauft. Mara Rasper, Produktdesignerin für Gonso, sagt: „Das Wichtigste ist, dass die Hose richtig gut sitzt. Neulinge neigen oft dazu, Hosen zu groß zu kaufen.“ Gerade Männern sei der sehr straffe Sitz oft suspekt, während Frauen dank ihrer Erfahrungen mit Leggins und Co. offener für enge Kleidung wären. Sitzt die Hose jedoch zu locker, bewegt sich das Polster während der Fahrt. Raspers Kollegin aus Gonsos Schnitttechnik, Heike Schönemann, betont: „Das, was die Hose mit ihrem Polster verhindern soll, entsteht also bei der falschen Größe: Man fährt sich wund.“ Daher ist auch der entscheidende Tipp der beiden Expertinnen: Unbedingt die Hose anprobieren! Idealerweise im Fachgeschäft, wo es auch direkt kompetente Beratung gibt. Und es ist wichtig, die Hose in der jeweiligen Sitzposition zu testen, also je nach Fahrradtyp in mehr oder weniger nach vorne gebeugter Haltung.
Dann merkt man auch, ob die Hose hinten ausreichend hoch geschnitten ist und ob sie direkt am Beinabschluss hochrutscht. Das Letztere sollte natürlich nicht der Fall sein, was in der Regel durch einen Silikonstreifen gelöst ist.
Flache Polster für lange Touren
Schnitttechnikerin Schönemann bestätigt: „Das Material wird immer besser in der Qualität und erfüllt vielfältige Funktionen.“ Auffällig ist, dass die Sitzpolster in den letzten Jahren viel flacher geworden sind. Und in der Tat sind diese gerade auf sehr langen Distanzen von Vorteil, da hier das Gesäß nicht „versinken“ kann. Analog zum weichen versus harten Sattel ermöglicht der etwas straffere Sitz optimalen Halt, obwohl eine dicke Polsterung für viele zunächst komfortabler wirkt. Ein Stück weit ist es aber auch Geschmackssache und ein Punkt, den man ausprobieren muss. Jeder Radfahrer hat nicht nur unterschiedliche Präferenzen, sondern auch einen anderen Körperbau. Auch der Sattel und der Einsatzzweck spielen hier eine Rolle, weshalb die Polster in den letzten Jahren auch immer ausdifferenzierter wurden. Viele Hersteller bieten Radhosen für verschiedene Sitzpositionen an. Bei Gonso heißt das Konzept „Sitivo“: Sechs verschiedene Sitzpolster werden dem Geschlecht und dem Einsatz optimal gerecht. Die Polsterung ist an den verschiedenen Druckpunkten optimiert, ist unterschiedlich dick und unterschiedlich fest – je nach Körperhaltung (aufrecht, kompakt, sportiv). Dies bietet schon mal eine gute Orientierung beim Kauf.
Mara Rasper betont, welcher Aspekt immer gilt und definitiv keine Geschmackssache ist: Das Polster müsse zwingend breit genug sein. „Am besten tastet man bei sich nach den Sitzknochen – diese sollten auf den gepolsterten Bereich treffen.“ Das sei eine Sache, die man durchaus in der Umkleide ausprobieren kann.
Bei den teils hochpreisigen Hosen ist es außerdem sinnvoll, die Hose auf ihre Qualität hin zu prüfen. Wirkt das Material elastisch, aber auch straff? Hat man verschiedene Bereiche optimiert, was unter anderem an Teilungsnähten erkennbar ist? Sitzt die Hose eng ohne einzuengen? Manche Aspekte merkt man leider erst im richtigen Einsatz, nämlich ob sich das Polster schön dem Körper anpasst und ganz generell, wie es um die Passform steht. Wer sichergehen will, kauft nicht die ganz günstige Hose. Ab etwa 50 Euro gibt es aber schon sehr gute Radunterhosen. Das ist natürlich nicht ganz billig, trägt man die Hose immer nur für ein paar Stunden bzw. maximal einen Tag lang, bevor sie in die Wäsche kommt. Doch die Investition lohnt sich, denn Touren werden erst schmerzfrei zum Genuss.
Die richtige Pflege von Radhosen
Umso wichtiger ist es, die Radunterhosen richtig zu pflegen, damit man möglichst lange was von ihr hat. Es gilt wie bei anderer Funktionskleidung auch: Bei der Waschmaschine den Sportwaschgang mit wenigen Umdrehungen und geringer Temperatur sowie spezielles Flüssigwaschmittel für Sportwäsche wählen. Weichspüler und Trockner sind nicht erlaubt, die Polsterhose wird idealerweise an der frischen Luft getrocknet. Am besten einmal das Etikett checken, hier sind alle wichtigen Wasch- und Pflegehinweise zum Produkt notiert.
Ist man mehrtägig auf Tour und hat keine Waschmaschine zur Hand, sollte die Hose trotzdem jeden Abend kurz ausgewaschen werden – eine Handwäsche mit lauwarmem Wasser reicht dafür aus. Besonders gründlich sollte die Wäsche ausfallen, wenn Sitzcreme (siehe Extrakasten S. 97) verwendet wurde. Wichtig: Das Sitzpolster muss vor der nächsten Etappe wieder komplett trocken sein, sonst ist es ein guter Nährboden für Bakterien.
Wer superviel und lange Distanzen fährt, wird es schneller merken als die Gelegenheitsradler: Irgendwann ist auch das beste Material ausgeleiert. Wenn die Hose nicht mehr straff sitzt oder schon irgendwo kaputt geht, ist ein Neukauf sinnvoll.

Keine Angst vor Trägerhosen: Sogar für die Pipipause von Frauen haben sich die Hersteller was einfallen lassen. Bei Gore Wear lässt sich die Hose einfach hinten öffnen.
Radhosen mit und ohne Träger
Radunterhosen sind toll und für viele Einsatzzwecke sinnvoll. Doch unsere Expertinnen von Gonso haben zwei weitere Tipps für Radfahrer, die gerne und viel fahren wollen. Zum einen sind viele Radhosen, die nicht als Unterhosen konzipiert sind, hochwertiger. Es lohnt sich also, auch solche Hosen in Erwägung zu ziehen und zu testen. Eine lässige Shorts drüber ziehen geht ja trotzdem. Und zum anderen sind Trägerhosen („Bibshorts“) absolut empfehlenswert. „Jeder Radfahrer sollte sich trauen, eine Trägerhose zu tragen“ – so Gonsos Produktdesignerin Mara Rasper, sie sei nicht dem Rennradfahrer vorbehalten. Bibs sitzen in der Regel viel besser, das Polster bleibt optimal in der Position und kein Bund drückt am Bauch. Gerade wer etwas fülliger um die Körpermitte ist, wird den Unterschied deutlich spüren. Für uns Radfahrer ein großes Glück, dass die Hersteller an allen Problemen tüfteln und sich ständig neue Lösungen einfallen lassen. Frauen, die sich Sorgen um die Pipipause mit Trägerhose machen, finden „pee-friendly“ Bibs im Handel. Es gibt Hosen mit aufgesetzten Taschen, mit hochwertigen Mesh-Einsätzen für heiße Tage.
Bei der Anprobe von Trägerhosen ist wichtig: Auch sie sollten nicht zwicken oder einengen, dürfen aber auch nicht über die Schultern rutschen. Im Stand sind die Träger also straff gespannt und trotzdem sollte auch normales Gehen möglich sein. Es wird deutlich, dass es viele gute Hosen im Handel gibt, doch um eine Anprobe kommt man nicht herum – zu groß die Vielfalt an Modellen und Schnitten. Doch damit Fahrfreude auch am zweiten Tag der Tour aufkommen kann, lohnt sich der Aufwand definitiv.
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Gesäßcreme
Gesäß- oder Sitzcreme kann zusätzlich Wundscheuern verhindern. Sie wird entweder auf das Sitzpolster oder direkt auf der Haut aufgebracht. Dabei nicht zu sparsam sein und alle Bereiche, die mit dem Sattel in Kontakt kommen, eincremen. Also beispielsweise auch die Innenseite der Oberschenkel. Es gibt kühlende Cremes mit Menthol oder solche mit Hirschtalg. Teilweise sind pflanzliche Stoffe wie Ringelblume oder Aloe Vera enthalten, die sogar entzündungshemmend und pflegend wirken können. Vieles davon ist einfach Geschmacks- und Typsache, sollte je nach Empfindlichkeit der Haut gewählt und tatsächlich ausprobiert werden. Da einige Cremes nicht mit Schleimhäuten in Kontakt kommen sollen, gibt es auch spezielle Lotionen für Frauen.