Jan Gorkow: Der Sänger „Monchi“ übers Radfahren
"Ein krasses Freiheitsgefühl"
Jan Gorkow: Der Sänger „Monchi“ übers Radfahren
in Persönlichkeiten
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Den Anteil des Radfahrens ein klein wenig erhöhend, könnte man behaupten, das Leben von Jan „Monchi“ Gorkow (36), Sänger der mecklenburgischen Punkband Feine Sahne Fischfilet, ist gewissermaßen zweigeteilt. Im ersten Teil gibt sich Gorkow den Ausschweifungen undPersoPersonn Genüssen des Lebens bis zum Extrem hin, isst etwa – nicht zuletzt aufgrund einer Essstörung – häufig maßlos bis zum Exzess. Trinkt intensiv, feiert intensiv – und wiegt schließlich gewaltige 182 Kilo. Sport und aktive Bewegung bleiben Monchi damit lange Jahre sozusagen verwehrt. Vor etwa drei Jahren dann – Frontmann Gorkow und Band haben sich zu der Zeit zu einer Tourpause entschlossen – findet er die Kraft zu einem bewusst gewählten Lebenswandel. In dieser zweiten, neuen Phase seines Lebens sind regelmäßiges Fahrradfahren und Fitnessstudio-Einheiten genauso wie Intervallfasten elementare Komponenten, um binnen eines Jahres beeindruckende 65 Kilo abzunehmen, sich gesünder zu ernähren und zu leben.
Seine Erfahrungen bei dieser persönlichen Neuausrichtung hat Jan Gorkow in seinem autobiografischen Buch „Niemals satt“ von 2022 festgehalten, in dem sich der Sänger der fünfköpfigen Punkband aus Mecklenburg-Vorpommern mit dem eigenen Essverhalten und seinem ehemaligen, heftigen Übergewicht offen auseinandersetzt.
Einem Übergewicht, von dem man sich vorstellen mag, dass man es sich ursprünglich womöglich auch deshalb angeeignet hat, um mit voluminösem Körper dem Druck und der emotionalen Belastung, der sich Jan Gorkow in der Vergangenheit durch Morddrohungen von rechts konfrontiert sah, etwas Unerschütterliches entgegenzusetzen. Aufgewachsen in der vorpommerschen Kleinstadt Jarmen, positioniert sich der Musiker mit Feine Sahne Fischfilet – die Band existiert schon seit 19 Jahren – klar gegen rechts, scheut die Konfrontation dabei nicht. Politisch und gesellschaftlich engagieren sich die Punkrocker seit vielen Jahren regelmäßig. So wie vor sieben Jahren mit der Kampagne „Noch nicht komplett im Arsch – zusammenhalten gegen den Rechtsruck“, bei der FSF mit einer Reihe von Veranstaltungen in Dörfern und Städten den Zusammenhalt gegen rechte Gruppierungen in Mecklenburg-Vorpommern unterstützt hat. Oder der Unterstützung eines Skatepark-Projekts in Jarmen vor zwei Jahren.
Auch musikalisch hängen sich Monchi und Band – nun in neuer Besetzung – unverändert voll rein, im Mai 2023 erschien ihr neuestes Album „Alles glänzt“. Im neu aufgeschlagenen Lebenskapitel des Jan Gorkow dürfte das lieb gewonnene Fahrrad seinen festen Platz behalten – als ein Element, das dabei hilft, die Dinge in der Balance zu halten.
Radfahren: Jan, wie häufig schaffst du es aktuell aufs Rad?
Jan Gorkow: Ich fahr jetzt zwei-, dreimal die Woche längere Strecken; sprich morgens früh aufstehen und dann 30 bis 40 Kilometer fahren. Meistens nach Warnemünde, also an die Ostsee – und zurück. In meinen besten Zeiten bin ich auch fünf- bis sechsmal die Woche gefahren. Wir waren im Sommer aber wieder auf Tour und dann schaffst du das ja gar nicht. Ich musste mich ja erst mal an den Sport gewöhnen; ich hab jahrelang ja überhaupt keinen gemacht. Dann eine Kontinuität reinzubekommen …
Verstehe ich total. Ich denke, für viele Menschen mit Job und Familie ist das die zentrale Herausforderung.
Es ist wirklich so, dass ich mich dann, wenn ich Fahrrad fahre oder ins Fitnessstudio gehe, manchmal hochprügeln muss, manchmal es aber auch sein lasse. Momentan ist es so, dass ich wieder viel fahre und froh bin, dass ich wieder ein Fahrrad habe. Mein Rad wurde mir geklaut.
Mist!
Ja, ich konnte ja – dazu gibt’s in meinem Buch ein Kapitel – immer nur XXL-Bikes fahren, mich haben andere ja gar nicht getragen. Mir sind, als ich noch 180 Kilo gewogen habe, drei Fahrräder kaputtgegangen.
Jan Gorkow: Schwierigkeiten, das passende Fahrrad zu finden
Vermutlich war es gar nicht so leicht, ein Rad zu finden, das auf hohes Körpergewicht ausgelegt ist, oder?
Ja, es war so geil, als ich dann ein XXL-Rad bekommen hab. Ein „Strongbike“ war das, damit konnte ich fahren. Das war auf 180 Kilo zugelassen. Es war so geil, damals endlich so ein Fahrrad entdeckt zu haben, was mich trägt und ich weiß noch ganz genau, was für ein krasses Freiheitsgefühl das war. Mein Buch behandelt mehrere Kapitel dazu, wie ich das erste Mal wieder Fahrrad fahre, ohne dass ich denke, dass das Rad unter mir zusammenbricht. Kennst du diese Chopper-Bikes?
Ja, auf lässig getrimmte Bikes zum Cruisen, mit extra tiefem Sitz.
Ja. In Rostock gibt’s Freunde von mir, 15 Leute. „Punx on Wheelz“, die immer mit ihren Chopper-Bikes rumfahren und die gefühlt auch jeder kennt. Und am Rostocker Hafen hab ich gefragt, „boah, kann ich mich auch mal draufsetzen?“, bin damit gefahren – und nach 100 Metern ist das Ding gebrochen. Deswegen war es super, später ein solides Fahrrad zu haben, in meiner ehemaligen Gewichtsklasse findest du nur schwierig eines. Irgendwann hatte ich mir, weil ich mehr gefahren bin, ein Cube-Bike gekauft und war glücklich. Das war so ein unglaublicher Unterschied, weil das so leicht ist. Und eine Woche später wurde mir das in Berlin vorm Hotel geklaut, trotz gutem Schloss.
Dann hattest du jetzt längere Zeit kein Rad?
Na ja, das war halt richtig Tiefpunkt, denn jetzt hab ich dieses Fahrrad doch so gerne gemocht und hab mir das gleiche noch mal bestellt. Das hat jetzt aber mit der Lieferung über ein halbes Jahr gedauert und seit vier Wochen hab ich es jetzt „wieder“. Es ist obergeil!
Dein Rad ist seit einiger Zeit also von essenzieller Bedeutung?
Radfahren war ein wesentlicher Grund dafür, warum ich überhaupt abnehmen konnte, weil ich mich dabei noch vernünftig bewegen konnte und meine Knie nicht völlig kaputt gehen. Ich hatte ja über 180 Kilo, hab dann 65 Kilo abgenommen. Das ist ja auch ein Kampf; ich hatte zwischendrin mal wieder 20 Kilo mehr drauf, von denen musst du dich dann erst wieder runterkämpfen. Das Fahrrad ist deswegen ein totaler Luxus für mich, auf ganz vielen Ebenen.
Reist dein Fahrrad dann auf Tour mit?
Ich hab mir schon vor Jahren gesagt, „boah, du sitzt nur im Backstage rum. Immer am gleichen Ort, die ganze Zeit nur am Fressen“ – und hab mir irgendwann ein Fahrrad mitgenommen. So konntest du ein bisschen rumfahren, hast was von der Stadt gesehen und dich bewegt. Also, wenn es produktionstechnisch möglich ist, hab ich das Rad dabei. Mittlerweile geh ich auch mal laufen oder ins Fitnessstudio.
Früher und heute
Hattest du zum Radfahren aus Kindheitstagen dann noch eine Affinität?
Ja, ich bin als Kind schon Rad gefahren, aber war jetzt nicht so, dass ich da ’ne besondere Affinität zu hatte. Ich bin ganz normal im Dorf mit dem Rad unterwegs gewesen, aber ich bin nie lange Strecken gefahren. Worauf ich nächstes Jahr mal Lust hätte, wär die Strecke Berlin – Kopenhagen zu fahren.
Du hast deine Streckenlängen dann kontinuierlich erhöht, oder?
Ja, ich bin erst mal Kurzstrecken gefahren und das ging später relativ fix, dass daraus mehr wurde. Du musst dir vorstellen: Ich bin früher mit dem Auto in die Innenstadt gefahren, das waren 500 Meter! Ich hab später angefangen, innerhalb der Stadt, wie in Rostock, nicht mehr Auto zu fahren, nur noch Rad. Wenn ich zur Ostsee gefahren bin, dann nicht mehr mit der S-Bahn, sondern mit dem Rad. Meine längste gefahrene Strecke waren 100 Kilometer, von Jarmen nach Rostock.
Sehr ordentlich!
Ja, für mich war das unglaublich. Ich bin zu Weihnachten – da lag kein Schnee – von Jarmen nach Rostock gefahren, weil ich wusste, die nächsten Tage ist wieder ohne Ende Weihnachtsessen. Ich bin die Strecke in 5,5 Stunden gefahren und war megastolz. Eine normale Radfahrlänge sind für mich so 20 bis 30 Kilometer.
Das zeigt schön, was vielen möglich wäre. Wenn man bedenkt, wie viele Leute täglich Kurzstrecken im Auto fahren.
Ja, richtig bekloppt und das ist der absolute Standard. Mit dem Fahrrad bin ich wirklich in drei Minuten in der Innenstadt, mit dem Auto fahr ich zehn bis 15 Minuten, mit roten Ampeln und Parkplatzsuche. Früher kam ich aber gar nicht auf die Idee, mit dem Rad zu fahren! Natürlich ist das dumm. Auf dem Dorf war das Erste, was du gemacht hast, der Führerschein, weil bei uns sind ja keine Busse gefahren. Wenn von Freitag bis Sonntag nur ein Bus fährt, dann brauchst du natürlich den Autoführerschein.
Bedeutung von Sport im Alltag: Jan Gorkow übers Radfahren als Katalysator
Wäre es – bei deinem Hang zu Extremen – denkbar, dass du auf dem Rad mal richtige Langstrecken fährst?
Da ich das, was ich mache, dann gerne auch doll mache und beim Radfahren bei mir aus fünf recht schnell 40 Kilometer geworden sind: vielleicht, ja. Ich hab diese Essstörung – also viel Essen und Stopfen als eine Art Belohnung – und ich merke, wenn ich wie heute schon Sport gemacht habe, dann wird der Tag definitiv besser und mit 90 Prozent Wahrscheinlichkeit werd ich mich nicht schlecht ernähren. Mach ich Sport, ernähre ich mich auch gut. Auf so lange Strecken hätte ich, glaub ich, wirklich mal Bock. Berlin – Kopenhagen ist jetzt nicht total krass.
Hast du das Gefühl, Radfahren hat dich mental gestärkt?
Ja. Es gibt ein Kapitel in meinem Buch „Niemals satt“, in dem ich darüber schreibe, dass ich nie gedacht hätte, dass Radfahren und Sport allgemein so gut für meinen Kopf sein können. Wenn ich Sport gemacht habe, geht’s mir einfach besser. In erster Linie gilt das nicht gleich für den Körper; was sofort spürbar ist, ist mein Kopf. Da ist Sport für mich eine krasse Medizin geworden.
Sport als eine Art Katalysator für Alltagsstress?
Ja, auf jeden Fall eine Zeit, in der der Kopf mal abschalten kann. Nach dem Radfahren, nach dem Sport, ging’s mir noch nie schlechter.
Als bekannter Musiker verfügst du über eine große mediale Reichweite. Bekommst du Feedback von Menschen, die dein Lebenswandel inspiriert?
Ja, es gibt sehr viele Menschen, die deshalb auf mich zukommen und sagen, dass sie sich da wiederfinden; sowohl beim Sport als auch bei den Essstörungen und dem Gewicht. Vergangenes Wochenende war ich beim Spiel von Hansa Rostock und da hat mir jemand gesagt, er hat mein Buch gelesen und 14 Kilo abgenommen. Solche Momente gab’s immer mal wieder, das ist schon schön. Vielleicht liegt’s auch daran, dass es kein typisches Motivationsbuch ist. Ich beschreibe ja auch meine Angst: Was ist, wenn ich mal nicht Rad fahren kann, wieder soviel zunehme? Ich bin mir nicht sicher, ob ich es schaffe, mein Gewicht zu halten. Ich hab immer noch Angst, dass irgendwann wieder Fahrräder unter mir zerbrechen. Dass immer noch so viele Leute auf mich zukommen, die sagen, dass sie das Buch bewegt, das motiviert und freut mich.