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Dota Kehr: Das liebt die Sängerin und Liedermacherin am Radfahren

Dota Kehr im Interview: "Ich steh gar nicht auf Bergauffahren!"

Dota Kehr: Das liebt die Sängerin und Liedermacherin am Radfahren

Mit originellen Texten und vielschichtigen, gesellschaftlich relevanten Themen hat sich Dota Kehr in Herzen wie Gedanken ihres Publikums gesungen und gespielt. Im Radfahren-Interview spricht die überzeugte Radfahrerin über die Gefahren des Berliner Stadtverkehrs und erzählt, wohin sie per Rad zur Erholung rollt.
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Frei sein, unabhängig sein. Für die Sängerin und Liedermacherin Dorothea „Dota“ Kehr war das immer schon essenziell: als Künstlerin und als Mensch. So veröffentlicht die gebürtige Berlinerin Dota und ihre gleichnamige Band (früher: „Dota und die Stadtpiraten“) ihre Musik auf dem eigenen Plattenlabel Kleingeldprinzessin Records.

Damit genießen Frontfrau Dota Kehr und Band maximale (Entscheidungs-)Freiheit im künstlerischen Schaffen, müssen keine Einmischung von außen in die eigene Arbeit tolerieren. Entstanden sind so, ganz ohne das Zutun großer Plattenfirmen und der Vorzüge von Plattenverträgen, bereits drei Soloalben und 13 Bandalben.

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Ihr gemeinsam mit dem brasilianischen Musiker Danilo Guilherme aufgenommenes Debütalbum „Mittelinselurlaub“ veröffentlichte Dota Kehr 2003.

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Im spaßigen Musikvideo zum spaßigen Song „Rennrad“ schlüpft Sängerin Dota Kehr in die Rolle des Berliner Rad-Hipsters – inklusive des nicht untypischen Bartwuchses.

Dabei scheint die musikalische Karriere der 44-Jährigen, die zunächst Saxophon, später Gitarre spielte und als Straßenmusikerin Kleingeldprinzessin bekannt wurde, nicht zwingend in Stein gemeißelt gewesen zu sein. Denn tatsächlich ist Dota Kehr studierte Medizinerin, hat sich aber klar pro Musik entschieden.

Die Themen ihrer Songs sind wohltuend vielfältig, regen – je nach Inhalt – zum Nachdenken oder Schmunzeln an. Sie reichen von ernsten Stücken à la „Grenzen“ als Beitrag zur Diskussion um die Aufnahme von geflüchteten Menschen, über herrlich fröhliche, leichtfüßige Stücke wie dem 2016 auf dem Album „Keine Gefahr“ erschienenen „Rennrad“ bis hin zum aktuellen Titelsong des gleichnamigen, 2021 erschienenen Albums „Wir rufen dich, Galaktika“.

Den mag man durchaus als Kritik an der mitunter schleppenden Bekämpfung des menschengemachten Klimawandels verstehen, für den Dota eine simple Lösung herbeisehnt. Mit dem Song gelingt es der Band, ein wuchtiges Thema fluffig arrangiert zu transportieren. Zu Wichtigem Position beziehen und dabei relevanten Zeitthemen mithilfe ihrer medialen Reichweite als Künstlerin zu stärkerer gesellschaftlicher Präsenz zu verhelfen, das ist der Sängerin wichtig.

So ruft sie etwa zu einer Reduzierung der Nutztierhaltung auf, um drohenden Ernährungskrisen in der Welt entgegenzuwirken oder unterstützt die zivile Seenotrettung im Mittelmeer für geflüchtete Menschen.

Musikalisch haben Dota & Band im vergangenen Herbst ihre erfolgreiche Deutschland-Tour zum aktuellen Album „Wir rufen dich, Galaktika“ abgeschlossen, um bald an neuen Songs zu arbeiten.

Der Song „Rennrad“ ist schon etwas älter, dennoch: Wovon ist der eigentlich inspiriert?
Dota Kehr: (lacht) Es gibt natürlich viele Rennradfahrer, die richtig Rennrad fahren, Sport machen und Strecken schnell zurücklegen. Und dann gibt es den Berliner Hipster, der sein Rennrad schiebt, weil es gut aussieht. Es geht in dem Lied eher um diesen. Es ist ein lustiges Lied, aber ich find Rennradfahrer tatsächlich auch ziemlich heiß (lacht).

Bist du selbst gerne per Rad in und um Berlin unterwegs?
Ich fahr sehr, sehr viel Fahrrad. Also, ich hab die Strecke zum Proberaum und ich hab auch so ein kleines Arbeitszimmer, wo ich so meinen Kram mache. Das sind 10 beziehungsweise 12 Kilometer dahin, von dort, wo ich wohne. Das fahr ich immer mit dem Fahrrad. Also immer mindestens 20 Kilometer und manchmal muss ich die Strecke zweimal machen, dann sind es am Tag auch mal 40 Kilometer. Und das ist schon recht viel, ja.

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Ja, das ist einiges, schaff ich pro Tag nicht. Ich geh allerdings meist zu Fuß in die Stadt.
Ach, ich lauf total selten! Ich bin voll der faule Fußgänger und nehme eigentlich immer das Fahrrad.

Klar, selbst wenn man schnell zu Fuß ist, braucht man immer länger …
Also, wenn ich es dann mal mache, denke ich: Wow, zu Fuß gehen ist ganz nett! Man nimmt die Stadt auch ganz anders wahr. Ich mag aber auch meine Radfahrer-Perspektive … Klar, man ist immer so ein bisschen in Alarmbereitschaft, wenn man in Berlin Fahrrad fährt, weil man immer gucken muss. Und speziell, wenn man etwas schneller fährt, ist immer ein gewisses Stresslevel dabei, an das bin ich sehr gewöhnt.

Ich hatte auch schon zwei Fahrradunfälle in Berlin, die – das sag ich jetzt ganz dreist dazu – überhaupt nicht meine Schuld waren. Übrigens an genau der gleichen Kreuzung, wo vor kurzem eine Radfahrerin überfahren wurde, was viel in der Presse war, wegen eines zeitgleich stattfindenden „Letzte Generation“-Protests. In meinem Fall war das ein Rechtsabbieger, der um einen Lieferwagen herum abgebogen ist, der gewartet hatte, um mich vorbei zu lassen. Der andere Idiot hat sich gar nicht gefragt, ob da nicht vielleicht der Lieferwagen wartet, um jemanden vorbeizulassen – und ist gefahren.

Wenn ich nur ’ne Sekunde schneller gewesen wäre und der Autofahrer mich voll erwischt hätte, hätt ich es wahrscheinlich nicht überlebt. So aber war es so, dass er ein bisschen schneller war und ich in seine Seitentür reingefallen bin. Trotzdem: Das Durch-die-Luft-fliegen und ohnmächtig ins Krankenhaus zu kommen, war doof (lacht). Das war aber das Einzige, was mir bisher passiert ist.

Ja gut, das ist heftig genug, oder …
Hm, ja. Im Nachgang dieses Unfalls fand ich übrigens krass, dass ich nach drei Tagen Krankenhaus noch monatelang heftige Kopf- und Rückenschmerzen hatte. Dann hab ich gefragt, wie viel Schmerzensgeld man jetzt da kriegt …

Absolut berechtigt …
Ja. 160 Euro (lacht)! Ich hab mir dann einen Verkehrsanwalt genommen und dann gab es 2000 Euro. Letztlich aber: Wenn du nur einen Kratzer in einen Kotflügel machst und dann eine Autotür lackiert werden muss, kostet das gleich richtig viel und ich finde, das steht in keinem Verhältnis. Ich hatte zusätzlich eine „Acht“ im Rad, dafür gab’s dann noch mal 50 Euro. Das hat mich ganz schön geschockt – und geärgert (lacht).

Trägst du dann auf dem Rad immer Helm, um dich zu schützen?
Ehrlich gesagt, fahr ich nie mit Helm.

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Die Berliner Dota & Band mit Frontfrau und Sängerin Dota Kehr veröffentlichten zuletzt das Album „Wir rufen dich, Galaktika“.

Das dacht ich mir fast. Gibt’s ja nicht …
Ja, ich weiß auch nicht … Weil klar, ich weiß, dass mit Helm fahren vernünftiger ist. Alle Kinder, die das lesen: Bitte tragt einen Helm! Nee, aber ich fahr super viel Fahrrad und mit Helm, das würde mir so ein bisschen den Spaß, auch die Spontanität nehmen. Ich hätte so was nie dabei, würd den ständig vergessen. Und letztlich … Ach, ich weiß nicht, das klingt jetzt so nach herbeigeschwafelter Rechtfertigung, aber ich hab mal eine Studie gelesen, dass Autofahrer weniger rücksichtsvoll fahren, wenn die Radfahrer Helme tragen.

Und man muss ja sagen: Es gibt schwere Kopfverletzungen, die durchs Helm tragen abgewendet werden, aber jeder gebrochene Arm und jedes zerschmetterte Becken, an dem man genauso sterben kann, hat man selbst wenn man einen Helm getragen hat. Die Radinfrastruktur muss verbessert werden, anstatt jetzt über eine Helmpflicht zu diskutieren! Das verhindert Unfälle.

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Ich hab kürzlich die breiten Münchner Radwege genossen, war an einer Stelle aber irritiert, dass der Radweg gefühlt im Nichts endete. Wie nimmst du die Qualität der Berliner Radwege wahr?
Ja, in Berlin gibt’s das auch überall. Da hast du Stellen, an denen es gefährlich wird, wenn du schnell fährst und plötzlich der Radweg endet. Super gefährliche Stellen sind auch Radfahrstreifen mit parallel geparkten Fahrzeugen, wo Autofahrer beim Ausparken rückwärts fahren. Das ist mega gefährlich, weil wenn jemand rückwärts fährt und du dem ausweichst, fährst du mitten in den Verkehr rein oder er fährt dich um und du stürzt im fließenden Verkehr.

An solchen Stellen hatte ich ein paar Mal schon richtig heikle Erlebnisse und irgendwie müssten diese Parkplätze anders gestaltet werden. Also in puncto Radinfrastruktur gibt’s schon noch viel zu machen hier. Ich finde, es macht auch total Sinn, dort, wo sich Fahrradwege nicht so einfach umsetzen lassen, Straßen zu Fahrradstraßen zu machen. Da braucht es dann ne gute Verkehrsplanung.

Wird die Welt ein besserer Ort, wenn mehr Leute aufs Rad steigen? Oder wär dieser Anspruch zu hoch?
Nee, ich find, das kann man so sagen, ja. Es ist für die Luft gut, fürs Klima und nicht zuletzt auch für die eigene Gesundheit. Speziell in Städten, die so flach sind wie Berlin, ist Radfahren natürlich total komfortabel. Ich glaube, mit verbesserter Fahrradweginfrastruktur hat Radfahren außerdem sicherlich noch viel Luft nach oben.

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Lastenräder stellen, nicht nur in Berlin, eine tolle Auto-Alternative dar. Interessant für dich, weil, wie es sich anhört, brauchst du kaum ein Auto?
Ja, stimmt. Wobei ich ein Lastenrad immer ein bisschen umständlich fand, weil das wäre ja ein zusätzliches Rad zu dem, was ich schon habe. Für mich war der naheliegendere Schritt die Anschaffung eines Radanhängers. Weil man den auch mal daheim stehen lassen kann.

Ist dir denn wichtig, was für Radmaterial du fährst?
Nee. Ich finde nur eine wunderbare Neuerung ist die Nabendynamo-Beleuchtung. Ich will nie wieder so ein Anstecklicht, das ich verliere. Das find ich praktisch und klar, eine gute Wartung ist wichtig.

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Kommt dein Rad primär als Fortbewegungsmittel oder zudem auf Touren zum Einsatz?
Hauptsächlich als Fortbewegungsmittel. Dadurch, dass ich soviel im Alltag fahre, ist das Nonplusultra der Wochenendgestaltung nicht Fahrradfahren, da würd ich dann, glaub‘ ich, eher paddeln gehen. Das funktioniert im Berliner Umland ja super. Aber ja, ich mach auch mal ’ne Radtour.

Wo führt die dich hin?
Na ja, rund um Berlin gibt’s ja viele Seen und an einem gibt es eine Fähre, auf die man sein Rad mitnehmen kann. Das find ich ganz cool. Und was ich mir seit Jahren vorgenommen hab, aber immer noch nicht gemacht hab, ist Fluss-Radwanderwege zu fahren, zum Beispiel entlang der Saale. Das Fahren entlang von Flüssen ist ja auch deshalb so toll, weil das so schön flach ist. Also, ich steh gar nicht auf Bergauffahren! Ich glaube, wenn ich in ’ner bergigen Region leben würde, würde ich mir durchaus über ein Elektrofahrrad Gedanken machen (lacht).

Im Song „Rennrad“ singst du davon, mit dem Rennrad gen Süden zu ziehen. Ein persönlicher Traum?
Ein Wunschtraum. Ich glaube, manche Sehnsüchte hat man ja auch einfach, um Sehnsüchte zu haben, nicht, um die jemals umzusetzen (lacht) … Du, hast du mitgekriegt, dass der Rennrad-Song Teil des Tour de France-Teasers war?

Hab ich mitbekommen, ja. „Rennrad“ war dieses Jahr Tour-Teaserfilm-Song, oder?
Das war dieses Jahr, genau. Ich wurde dazu gar nicht aus der Redaktion gefragt. Aber egal, ich hab mich natürlich gefreut, weil das ganz cool und lustig geschnitten war. Bisschen schade war, dass sie den Bandnamen nie eingeblendet haben.

Zum Abschluss: Sagen wir, rein fiktiv, du würdest just in diesem Moment aufs Rad steigen – wohin fährst du?
Ja, hmm … wahrscheinlich an einen See!

Okay, zum Baden?
Ja oder auch zum Spazieren. Ich bin ja Ostsee-Fan. Ich würd, in der Wirklichkeit, eher sofort nach Mecklenburg-Vorpommern an ’nen See fahren als ans Meer (lacht).

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